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Ich schnitt die Hose oberhalb der Wunde auf, damit ich besseren Zugang zur Wunde hatte. „Drück weiter feste drauf." Erklärte ich, während ich meinen Pullover auszog um ihn in Stücke zu schneiden. Als erstes Band ich das Bein mit meinem Gürtel oberhalb der Wunde ab. Danach nahm ich die Fetzen von meinem Pullover. Ein Teil rollte ich zusammen und ein langes Teil legte ich beiseite.

„Silvio das wird jetzt nochmal richtig weh tun. Aber deine Oberschenkelaterie ist wahrscheinlich getroffen, also geht es nicht anders." Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm ich das zusammen gerollte Teil und schob es mit meinem Zeigefinger tief in die Wunde. Silvio schrie vor schmerzen laut auf, aber ich stopfte es noch etwas weiter rein, bis ich wiederstand spürte. Danach nahm ich das lange Teil um es nochmal feste abzubinden. Die Winde blutete schon deutlich weniger und als ich fertig war, wurde es zum Glück noch weniger.

Erschöpft von der Situation, ließ ich mich auf den Boden nieder und wischte mir mit den Blitverschmierten Händen einige Strähnen aus der Gesicht. „Legt das Bein höher als sein Herz." Befahl ich ihnen und sie befolgten es.
Nachdem ich einen Augenblick, den wirklich notdürftigen Verband überprüft hatte, bemerkte ich das ich von allen angestarrt wurde.

„Was?" Fragte ich in die Runde. „Woher kannst du sowas?" Erwiderte Dario und hob seine linke Augenbraue. „Das ich Rettungssanitäterin bin, war ausnahmsweise mal keine Lüge. So Wunden habe ich bereits oft versorgt. Davon abgesehen sollte man meinen, das sowas ein gewisses Berufsrisiko von euch ist. Ihr solltet dringend lernen Schusswunden richtig zu behandeln."

Ich kniete mich vor Silvio und nahm sein Handgelenk, um seinen Puls zu überprüfen. Währenddessen griff ich auch nach Salvadors Handgelenk, der mich fragend ansah. Da ich aber dann auf seine Uhr schaute, begriff er das ich nur seinen Sekundenzeiger brauchte. Nach einem Augenblick stand ich auf und setzte mich neben Dario. „Er ist erstmal stabil, muss aber dringend operiert werden."

Meinen Stirn stützte ich in meine Hand und schloss kurz meine Augen. Das Blut war mir egal, ich war einfach froh das niemand gestorben war. Ich spürte eine Hand auf meinem Oberschenkel, also öffnete ich meine Augen und richtete mich etwas auf. Mein Blick glitt zu Dario. „Dankeschön." Sagte er leise zu mir. Ich nickte einmal und lehnte mich in meinem Sitz zurück.

***

Als wir am Anwesen ankamen, dachte ich wirklich die würden mich verarschen. „Als ich gesagt habe dass er operiert werden muss, war das kein Scherz."
„Sí mi reina, unsere Ärzte warten schon. Wir sind hier auf sowas vorbereitet." Erklärte Dario. Ich konnte mir nicht vorstellen, das sie hier eine Operation durchführen könnten.

„Ich schwöre dir, wenn er stirbt weil er keine richtige OP bekommt und meine ganzen Bemühungen umsonst waren, reiße ich dir diesmal den Arsch auf." Erklärte ich mit einem Lächeln das meine Augen nicht erreichte.

Er sah mich etwas belustigt an und schüttelte leicht den Kopf. „Du kannst froh sein, dass du meinem Bruder das Leben gerettet hast. Sonst würdest du für deine Wortwahl, was ganz anderes kennen lernen als das letzte Mal."
Ich funkelte ihn einmal genervt an, bevor ich aus dem Auto stieg.

Zu meiner Überraschung, kamen einige Männer und Frauen mit einer Liege angerannt. Sofort holten sie Silvio aus dem Wagen und schlossen ihn an einen Monitor zur Überwachung an. Fasziniert von dem routinierten Verhalten, beobachtete ich sie bis sie aus meinem Blickfeld verschwanden.

„Komm, du solltest dich waschen." Erklärte Dario und ging neben mir ins Haus. Im Wohnzimmer der Familie angekommen, sah ich eine weinende Mutter. Sie lehnte sich an ihren Mann Enrique an.
Als mich Isabel sah, sprang sie sofort auf und rannte zu mir. „Dios mío geht es dir gut?"

„Ja, das ist nicht mein Blut." Erklärte ich ihr, aber trotzdem umarmte sie mich kurz. Nachdem sie sich sicher war, das mir wirklich nichts passiert war, zog sie mich mit zum Sofa. „Isabel, Luna will sicher erst duschen." Wandte Dario ein, aber ich winkte ab mit einer Handbewegung. „Ich würde gerne hier warten. Waschen kann ich mich auch noch später."

„In Ordnung." Er lehnte sich runter und gab mir einen Kuss auf die Stirn, bevor er zum Alkoholschrank lief. Er gab seinen Eltern jeweils ein Glas und setzte sich dann in einen Sessel. Damit fing dann das warten an.

***

Nach drei Stunden knurrte mein Magen unfassbar Laut. Wie gerne ich jetzt einen Nudelauflauf direkt aus der Form gegessen hätte oder eine Pizza mit Käserand. Wie konnte ich jetzt an Essen denken? Etwas für mich selbst schämend, schüttelte ich meinen Kopf.

Als plötzlich ein Mann in OP Kleidung in der Tür auftauchte, sprang die ganze Familie auf.
„Er ist stabil und schläft. Es wird eine Weile dauern bis er sein Bein wieder belasten kann, aber mit ein wenig Geduld wird er das wieder schaffen. Im übrigen, wer auch immer diesen Verband gelegt hat, hat ihm damit sein Leben gerettet. Sonst wäre er an seinem Blutverlust gestorben. Wenn sie möchten dürfen sie jetzt zu ihm."

Als er wieder gegangen war und Dario kurz mit seinen Eltern gesprochen hatte, kamen diese auf mich zu. Überrascht stand ich wieder auf und sah sie an.
„Du hast unserem Sohn das Leben gerettet. Dafür stehen wir dir immer in der Schuld." Erklärte Enrique mit einem Lächeln auf den Lippen. Als ich antworten wollte fiel mir Maria einfach um die Arme. „Danke Luna. Wie soll ich das je ausgleichen?"

Ich lächelte sie ehrlich an. „Das ist mein Job. Dafür ist mir niemand etwas schuldig." Sie nickte lächelnd und ging mit ihrem Mann zu Silvio. Dario stellte sich vor mich, mit einem Blick den ich nicht deuten konnte.
„Komm du solltest jetzt Duschen gehen."
„Okay."

Ich ging mit ihm hoch, aber merkte das irgendwas mit ihm war. „Was ist los?" Fragte ich ihn als wir Im Schlafzimmer ankamen.
Er drehte sich zu mir und ich sah deutlich wie sich sein Körper anspannte. „Warum hast du nicht als Gegenleistung verlangt, das wir dich gehen lassen."

Überrascht sah ich zu ihm hoch. „Weil es nicht meine Motivation ist, jemanden das Leben für eine Gegenleistung zu retten."
Jetzt sah er überrascht aus. Nach einem Moment wandte ich mich ab, um ins Bad zu gehen. Das war wieder genug für einen Tag. Ich schloss die Tür hinter mir und betrachtete meinen Blut verschmierten Körper kurz im Spiegel, bevor ich mich unter die Warme Dusche stellte.

FEAR - Dario Mendoza II MafiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt