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Schweißgebadet wachte ich auf. Es ging mir nicht gut. Überhaupt nicht. Erschöpft atmete ich ein und aus. Es war stockdunkel in meinem Zimmer, das bedeutete, es war noch immer Nacht. Vater war noch nicht hier, um mich zu bestrafen. Vater. Er war abgesehen von den engen Fesseln der Grund, dass ich nicht gut geschlafen hatte und auch der Grund dafür, warum mir der Schweiß von der Stirn lief. Die Angst vor seiner Strafe lag mir im Nacken, auch im Schlaf hatte ich an nichts anderes denken können. Es hatte mich in meinen Träumen verfolgt.

Eigentlich konnte ich froh sein, dass ich durch einen meiner Albträume aufgewacht war. Denn ich wollte mir nicht vorstellen, was passieren würde, wenn Vater mich weckte und ich nicht all meine Fehler aufgezählt hatte.

„Lena, bist du wach? Lena!"

Mühsam sah ich in ihre Richtung. Ich hörte, wie sie sich bewegte.

„Bist du wach?", fragte ich noch einmal.

Ihr ängstliches „Ja" war kaum zu hören, doch ich hatte gute Ohren, das hatte ich schon immer gehabt.

Obwohl ich noch immer viel zu müde war, fuhr ich mit meiner Aufgabe fort. Ich musste dem Kind alles erzählen, was ich falsch gemacht hatte. Und dabei durfte ich nichts auslassen.

„Hörst du mir zu?", fragte ich Lena immer wieder. Ich wollte nicht, dass Vater auch sie bestrafte. Er bestrafte immer nur mich, Lilly hatte er noch nie angerührt. Ich hoffte, dass es bei Lena auch so werden würde. Sie war noch so klein, wie ich es einmal gewesen war. Damals hatte ich mir immer gewünscht, dass jemand auf mich aufpassen würde – dann war Lilly aufgetaucht. Ich wollte auf Lena aufpassen, wie Lilly auf mich aufgepasst hatte. Lilly, die ich im Krankenhaus gelassen hatte. Die ich vermutlich für immer verloren hatte. Da fiel mir plötzlich auf, dass auch Lena mich verlieren würde. Ich würde zu meinem neuen Vater kommen und sie vermutlich hier bleiben. Oh nein, dann konnte ich nicht mehr auf sie aufpassen! Aber solange ich hier war, würde ich es tun und dafür sorgen, dass Lena die Regeln kannte. Sie musste sie ganz schnell lernen.

Also erzählte ich weiter.

Noch mehr Fehler, noch mehr Peitschenhiebe. Inzwischen war ich bei dreiundvierzig und ich war noch nicht ganz fertig. Warum hatte ich nur so viel falsch gemacht? Würde Vater mich wirklich für jeden einzelnen Verstoß bestrafen? So viele Peitschenhiebe hatte er mir noch nie gegeben! Es waren noch nie mehr als zwanzig gewesen – und das hatte so sehr wehgetan, dass ich am Ende weinend an dem Haken gehangen und Vater angebettelt hatte, endlich aufzuhören.

Ich wusste nicht, ob ich die Strafe ertragen würde, die auf mich wartete, sobald es Tag wurde.

Während ich Lena von meinen Fehlern erzählte, brach meine Stimme immer wieder ab. Das Wissen, dass es mit jedem Satz mehr Hiebe wurden, ließ immer mehr Hitze in mir aufsteigen. Mir war so heiß! So heiß!

„Wann kommt meine Mama?", unterbrach Lena mich plötzlich. „Der Mann hat gesagt, dass sie kommt und mich abholt."

Verdutzt sah ich in ihre Richtung, auch wenn ich sie kaum sehen konnte. Doch ich sah ihre schimmernden Augen, die mich anstarrten.

Mama würde sie abholen? Bedeutete das, dass sie nicht hierbleiben würde? Aber Vater hatte doch gesagt, dass sie die Regeln lernen musste. Ich verstand das nicht.

„Ich... weiß es nicht", antwortete ich ehrlich, denn ich durfte nicht lügen. „Zuerst musst du die Regeln lernen."

Es war alles, was ich wusste.

„Aber ich will zu meiner Mama."

Jetzt weinte sie wieder.

Ich wollte auch weinen. Obwohl ich mich schon mein ganzes Leben lang so sehr anstrengte und es auch im Krankenhaus getan hatte, war ich immer noch ein dummes und ungehorsames Kind und Vater würde mich dafür so hart bestrafen wie noch nie. Aber ich war selbst schuld. Ich hatte kein Recht, zu weinen. Wer nicht gehorchte, musste die Konsequenzen tragen. Und ich hatte gegen viel zu viele Regeln verstoßen.

Lost GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt