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Woher kam nur das Blut auf dieser Picknickdecke? Julia sah es sich genauer an, ehe sie es vorsichtig berührte. Es war noch feucht. Das Blut war frisch! Moment, das ergab keinen Sinn. Wie kam frisches Blut in den Kofferraum? Das tote Reh lag auf der Straße, es konnte kaum vorher im Kofferraum gewesen sein. Und der Mann war auf dem Fahrersitz gesessen, es konnte also auch nicht sein Blut sein. Oder hatte er irgendwo Picknick gemacht und sich bereits dort verletzt? War er deshalb unkonzentriert gewesen und hatte dadurch das Reh übersehen?

Schnell ging sie zu den Sanitätern.

„Hat er irgendeine Verletzung, die für das Blut auf dieser Picknickdecke verantwortlich sein könnte?", fragte sie, als einer der Sanitäter zu ihr aufblickte.

Er sah sich die Picknickdecke genauer an, dann legte er nachdenklich seine Stirn in Falten. „Soweit ich das erkennen kann, rühren seine Verletzungen von dem Unfall her. Sie haben erzählt, dass die Pflaster und Verbände von Ihnen stammen. Hätte er sich vor dem Unfall schon verletzt, hätte er diese Verletzung doch vermutlich versorgt, bevor er ins Auto gestiegen wäre."

Da hatte er recht. Julia hatte Jens Wagner genau nach Verletzungen abgesucht und sie hatte keine Schnitte gefunden, die der Mann selbst schon versorgt hatte.

„Wo haben Sie die Decke denn her?", fragte der Sanitäter interessiert.

„Sie war im Kofferraum", erklärte Julia.

Der Mann zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Im Kofferraum? Und das Blut ist frisch, wenn ich das richtig sehe?"

Julia nickte. „Es ist noch feucht."

„Hm...", murmelte der Sanitäter. Offensichtlich fand auch er darauf keine Antwort.

„Ich schau mich mal weiter um", meinte sie nach einem Moment der Stille und wandte sich wieder von den Sanitätern und dem bewusstlosen Mann ab.

Die Sache mit dem Blut ließ sie nicht los. Woher stammte es? Sie ging zurück zum Kofferraum und untersuchte ihn noch einmal genauer.

„Da ist noch mehr Blut", sprach sie mit sich selbst, als sie weitere kleine rote Flecken auf dem Kofferraumdeckel entdeckte. Überfragt schüttelte sie den Kopf. Um sich ein besseres Bild machen zu können, breitete sie die Picknickdecke vor sich auf dem Boden aus und betrachtete jeden Zentimeter ganz genau – bis ihr etwas ins Auge fiel, was ihr für einen Moment das Blut in den Adern gefrieren ließ. Es konnte unbedeutend sein, aber es konnte auch die Welt bedeuten. Es war ein langes blondes Haar! Jens Wagner hatte dunkle kurze Haare. Dieses Haar stammte ganz bestimmt nicht von ihm.

Verschiedene Theorien nahmen in Julias Kopf Gestalt an.

Als Polizistin war ihr erster grausamer Gedanke, dass dieses Haar von einem Mordopfer stammen könnte, das im Kofferraum transportiert worden war. Das würde auch erklären, wieso der Mann auf Feldwegen unterwegs gewesen war, anstatt die Straße zu benutzen. Vielleicht hatte er ein Mordopfer im Wald versteckt und vollgepumpt mit Adrenalin anschließend das Reh übersehen.

Sofort suchte Julia im Auto nach einer Schaufel oder irgendetwas, was dabei helfen konnte, ein Mordopfer zu vergraben. Doch sie konnte nichts dergleichen finden. Vielleicht hatte er die Gerätschaften auch einfach im Wald gelassen. Oder er hatte sein Opfer irgendwo versteckt, wo er keine Schaufel gebraucht hatte. Gänsehaut wanderte über Julias Körper. Hatte sich tatsächlich ein Mordopfer hier im Kofferraum befunden?

Julia atmete tief durch und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Sie wusste, sie sollte nicht immer vom Schlimmsten ausgehen. Das Haar konnte so viel anderes bedeuten. Vielleicht war der Mann mit einer Frau beim Picknick gewesen. Oder er hatte eine Ehefrau, die die Picknickdecke vor ihm benutzt hatte.

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