7 ✔️

1.3K 112 53
                                    

Sie fiel!

Julia stürzte sofort nach vorne, doch sie war zu spät. Das Mädchen hatte das Gleichgewicht verloren und war den Felsvorsprung hinabgestürzt.

„Verdammt! Schaut nach, ob die Sanitäter schon da sind! Bringt sie so schnell wie möglich hierher. Ich geh zu ihr runter."

Die beiden Kolleginnen waren ähnlich entsetzt wie Julia, machten aber sofort kehrt und hetzten zu den anderen zurück.

Julia rannte bereits auf den Felsvorsprung zu und wagte einen Blick nach unten. Es war nicht allzu tief, vielleicht drei Meter, aber es reichte, um sich schwer zu verletzen. Ihre Brust zog sich zusammen, als sie das Mädchen unten liegen sah. Der zierliche Körper rührte sich nicht.

Eine nagende Angst bohrte sich durch Julias Eingeweide. Hatte das Mädchen den Sturz überlebt? Sie hoffte es zutiefst! Die Kleine war so weit gekommen, hatte sich aus dem Kofferraum befreit und war von ihrem Peiniger davon gekommen. Das sollte nicht umsonst gewesen sein. Sie durfte nicht hier im Wald sterben.

Julia löste ihre Augen von dem herzzerreißenden Anblick des armen Mädchens und verließ hastig den Felsvorsprung. Ein wenig weiter rechts ging der Hügel steil nach unten. Julia stürzte den unebenen Hang hinab, rutschte immer wieder aus und verlor beinahe den Halt. Doch das war ihr egal. Alles, was zählte, war, dieses Mädchen zu erreichen. Julia würde es sich niemals verzeihen, wenn sie zu spät kommen würde. Wenn sie das Kind nicht mehr retten könnte.

Mit wild pochendem Herzen kam sie schließlich unten an. Zügig, doch zugleich vorsichtig, ging sie auf die am Boden liegende Gestalt zu. Sie wollte dem Mädchen keine Angst machen, falls sie noch bei Bewusstsein war.

Als Julia das Mädchen erreicht hatte, schlug ihr Herz bis zum Hals. Langsam beugte sie sich zu der zarten Figur hinunter und hielt ihre Hand vor den leicht geöffneten Mund, um den Atem zu fühlen. Eine Welle der Erleichterung schwappte über sie herein, als sie tatsächlich einen schwachen Lufthauch wahrnahm.

„Lieber Gott im Himmel, so ein Glück!", flüsterte sie in sich hinein.

Sie konnte es kaum fassen, dass das Mädchen den Sturz überlebt hatte. Und das mit gefesselten Händen. Sie hatte sich nicht einmal abfangen können.

Auf den ersten Blick konnte Julia keine neuen schweren Verletzungen ausmachen, doch ob sich das Mädchen etwas gebrochen hatte, war von außen schwer zu erkennen. Julia ging einmal um den Körper herum, um auch die Arme des Mädchens zu inspizieren. Bevor sie jedoch erkennen konnte, ob sie abgesehen von all ihren Schrammen weitere Verletzungen aufzeigten, fiel ihr Blick wieder auf die Fesseln.

Die gefesselten Hände! Das war das Erste, was sie tun sollte. Sie sollte das Mädchen von ihren Fesseln befreien. Schnell griff Julia in ihre Hosentasche und suchte nach ihrem Taschenmesser. Tief durchatmend klappte sie es auf und bückte sich zu dem kleinen Körper hinunter, der halb auf der linken Seite lag. Der Rücken war schräg über die Hände gefallen und Julia musste ihn leicht anheben, um an die Fesseln zu kommen. Doch als sie es gerade geschafft hatte und das Messer vorsichtig ansetzen wollte, ging ein Zucken durch den Körper. Erschrocken zog Julia das Messer zurück. Das Mädchen riss die Augen auf und drehte entsetzt ihren Kopf in Julias Richtung.

Blanke Panik lag in dem Blick des Mädchens – der Julia wie ein Dolch mitten ins Herz traf. Verzweifelt funkelten die zwei glasigen Augen Julia entgegen. Wieso nur hatte dieses Mädchen solche Angst? Warum verstand sie nicht, dass Julia ihr helfen wollte?

Ein leises Schluchzen drang aus ihrer Kehle, dann wimmerte die Kleine nur noch ängstlich. Sie schien sich von Julia entfernen zu wollen, doch allem Anschein nach fehlte ihr die Kraft dazu, denn ihre Bewegungen erschlafften schon nach wenigen Sekunden.

Lost GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt