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Zur Feier der 300 Follower mal wieder ein neues Kapitel :-)
Ich hab euch alle lieb!! <3

Ganz liebe Grüße und viel Spaß beim Lesen,
eure Mary-Ann

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Sie war noch ein Mädchen! Fast noch ein Kind! Julia hatte keine Ahnung, wie alt das Mädchen war, aber von dem, was sie auf die Schnelle gesehen hatte, konnte es kaum älter als zwölf sein.

Julias Brust fühlte sich an wie zugeschnürt. Die Kleine war schwerverletzt. Sie humpelte, als sie panisch vor ihnen davonrannte. Sie trug nur eine Unterhose und ein weites weißes T-Shirt, das verschmutzt und mit einigen roten Blutflecken beschmiert war. Als sie sich von der Wand gelöst hatte, hatte Julia erkennen müssen, dass sie gefesselt war. Ihre Arme und Beine waren aufgeschürft und bluteten ebenso wie ihr Gesicht. Das blonde Haar war zu einem zerzausten Zopf zusammengebunden, Moos und kleine Sträucher hatten sich darin verfangen.

Als das Mädchen einen Schrei von sich gegeben hatte, war Julia erschrocken zusammengezuckt. Sie hatte ihr doch nur helfen wollen. Sie war ganz langsam einen Schritt auf sie zugegangen, um ihr zu zeigen, dass sie keine Angst haben musste. Doch ihre vorsichtige Handlung schien genau das Gegenteil bewirkt zu haben. Das Mädchen hatte die Augen weit aufgerissen, geschrien und war losgerannt.

Sofort setzte sich der ganze Trupp in Bewegung, bis Julia die Kollegen mit wilden Gesten stoppte. Die Kleine schien panische Angst zu haben. Wenn sie ihr geschlossen folgten, machten sie die Sache nur schlimmer. Das Mädchen war langsam, sie war zu schwer verletzt. Es bestand kein Risiko, dass sie ihnen entkam. Daher nahm Julia sich die Zeit, alle auszubremsen und nur zwei Polizistinnen mitzunehmen. Mit dem Gedanken an Jens Wagner im Hinterkopf vermutete sie, dass das Mädchen vor Männern noch mehr Angst hatte als vor Frauen.

Die Kollegen nickten verständnisvoll und blieben, wo sie waren. Julia atmete tief durch, ehe sie sich wieder zu dem Mädchen umdrehte, das wohl gestolpert war und nun verzweifelt versuchte, mit ihren gefesselten Händen und ihrem verletzten Bein wieder aufzustehen.

Es tat Julia in der Seele weh, welche Angst dieses Kind verspürte. Was um alles in der Welt hatte man ihr angetan? Julias Herz pochte laut in ihren Ohren, während sie ihr wieder näherkam. Die beiden Kolleginnen gingen einen Schritt hinter ihr.

Die Kleine hatte sich gerade wieder aufgerappelt, da entdeckte sie erschrocken, dass sie ihre Verfolger nicht abgehängt hatte. Ihr Blick wirkte, als würde sie einem Rudel Raubtieren gegenüberstehen, das kurz davor war, über sie herzufallen und sie zu töten. Tränen schimmerten in ihren Augen. Sie verlor keine Sekunde, drehte sie sich um und rannte weiter.

Doch weit kam sie nicht. Plötzlich blieb sie stehen. Ihr Körper taumelte einen Moment, dann drehte sie sich mit lodernder Angst in den Augen wieder zu Julia und ihren Kolleginnen um.

~

Mit rasendem Herzen stand ich da und starrte diese fremden Menschen an. Ich wusste beim besten Willen nicht mehr, was ich tun sollte. Mein Leben war vorbei. Da, wo ich hatte hinrennen wollen, ging es nicht weiter! Plötzlich hörte der Boden auf, stürzte ein paar Meter in die Tiefe und ging erst dort unten weiter. Mein Herz pochte so laut in meiner Brust, dass ich einen Moment lang gar nichts anderes mehr hörte. Wieso hörte nur der Boden auf? Wieso hatte ich so viel Pech?

Voller Grauen starrte ich die drei Menschen – ich glaubte, es waren tatsächlich Frauen wie ich – an und wusste nicht mehr ein noch aus. Die Schmerzen in meinem rechten Bein waren überwältigend und ich atmete heftig vor Anstrengung. Noch nie in meinem Leben war ich so weit gerannt. Nur zwischen meinen Wänden hin und her. Aber das war etwas ganz anderes. Hier war der Boden uneben und ich musste die ganze Zeit aufpassen, dass ich nicht fiel. Trotzdem war ich gefallen und es hatte viel zu viel Zeit gekostet, wieder aufzustehen.

Lost GirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt