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So, jetzt kommt auch hier noch ein letztes Kapitel vor Weihnachten :-)
Das nächste kommt dann nach Weihnachten irgendwann ;-)

Ich wünsche euch allen viel Spaß beim Lesen und dann wunderschöne Weihnachtstage! <3

Ganz liebe Grüße,
eure Mary-Ann

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Jedes Mal, wenn ich die Augen aufschlug, sah alles wieder anders aus. Ich hatte den Überblick verloren und gab mich meinem Schicksal hin. Inzwischen war ich schlichtweg zu müde und zu erschöpft, um dagegen anzukämpfen. Sie hatten etwas mit mir gemacht, was mich noch müder machte als sonst. Immer wieder waren andere Menschen da, aber alles, was ich wahrnahm, war verschwommen und die Stimmen und Geräusche waren nur ein Brei. Sie schienen mit mir zu reden und ich sah Dinge, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Dinge, die mir Angst machten – und doch war ich kaum dazu in der Lage, diese Angst zu zeigen oder gar vor diesen Menschen zu fliehen und mir all die Qualen, die sie für mich geplant hatten, zu ersparen.

Ich würde alles über mich ergehen lassen müssen. Alles, was sie mit mir vorhatten. Denn sie hatten dafür gesorgt, dass ich mich nicht wehren konnte. Ich verstand es zwar nicht, aber ich hatte keinerlei Kontrolle mehr über meinen eigenen Körper. Egal, was Vater mit mir machte, egal, wie weh er mir tat, ich spürte immer alles! Wieso war das jetzt nicht so? Ich spürte nicht einmal mehr die Schmerzen! Und so schön das vielleicht war, es machte mir Angst – denn es war nicht normal.

Und die Menschen waren schuld daran. Wann immer sie mich berührten, zuckte ich zusammen, verfiel in Panik, doch all das schien nur in meinem Kopf zu passieren. Mein Körper machte nichts. Er war diesen Monstern ausgeliefert.

Irgendwann bekam ich etwas ins Gesicht gedrückt. Aber es war kein Knebel. Sie zwangen mir nichts in den Mund und klebten auch nichts auf meine Lippen. Es war wie eine Schale über Mund und Nase und als ich langsam einatmete, spürte ich, wie ich sogar noch müder wurde. So sehr ich auch dagegen ankämpfte, ich konnte nichts dagegen tun. Wieder gingen mir meine Gedanken verloren und wenig später war alles schwarz.

~

„Sie ist jetzt im OP", holte Frau Balz, die Kollegin, die zuerst am Tatort angekommen war, Julia aus ihren Gedanken.

Besorgt blickte sie von ihrem Kaffeebecher auf. Sie hatte sich nutzlos gefühlt, vollkommen fehl am Platz, und sich letztendlich hier in der Cafeteria verkrochen. Das Bangen um dieses arme Mädchen weckte traumatische Erinnerungen und Julia hatte schwer damit zu kämpfen, ihre inneren Kämpfe nach außen hin zu verbergen.

„Wie geht es ihr?", fragte sie bedrückt, während die Kollegin mit dem roten Pferdeschwanz und frechen Pony sich zu ihr setzte.

„Sie hat ein paar schwere Verletzungen davongetragen. Ihr rechtes Fußgelenk ist gebrochen und muss geschraubt werden. Drei Rippen sind geprellt, zwei gebrochen. Auch in der linken Schulter hat sie sich einen Bruch zugezogen, vermutlich bei ihrem Fall vom Felsen. Außerdem hat sie ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten. Die Ärzte haben eine Hirnblutung entdeckt, die sie nun operativ behandeln wollen. Von all den Kratzern und Schrammen, die den Körper des Mädchens übersähen, muss ich ja gar nicht anfangen."

Julia nickte und nahm noch einmal einen großen Schluck ihres Kaffees. Was die Kollegin erzählte, traf sie schwer.

„Wie ist sie nur mit all den Verletzungen noch so weit gekommen?", sprach sie ihre Gedanken laut aus. „Ihr Bein war gebrochen und sie ist dennoch vor uns weggerannt. Wie groß muss ihre Panik gewesen sein, um mit all ihren Verletzungen noch so weit durch den Wald zu fliehen?"

Frau Balz stöhnte und sah Julia ernst an. „Ich habe keine Ahnung. Aber was ich weiß, ist, dass dieses Mädchen Panik vor allem zu haben scheint, was sie sieht. So etwas habe ich noch nie erlebt. Ich glaube, sie konnte nicht mehr klar denken und sah in allem und jedem eine Gefahr, vor der sie weglaufen wollte."

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