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Die Lesenacht beginnt!! <3

Ich wünsche euch ganz viel Spaß dabei! :-* Lasst mir gerne ein paar Kommentare da, in denen ihr mich wissen lasst, wie es euch gefällt oder was ihr beim Lesen fühlt <3 Ich sitze nun seit einer Woche ganz alleine in Quarantäne und würde mich sehr freuen, wenn ihr mir den Abend ein wenig versüßt, während ich für euch die letzten Kapitel veröffentliche :-)

Ganz liebe Grüße und viel Spaß mit den letzten Kapiteln von "Lost Girl"! <3
Eure Mary-Ann

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Die Freude über all die Erfolge, die sie gefeiert hatten, war geschmälert worden, als Dr. Frank nach einer ihrer Sitzungen mit Emily erzählt hatte, woher der plötzliche Sinneswandel des Mädchens gekommen war. Emily hatte sich in den Kopf gesetzt, geliebt werden zu wollen und sie glaubte, dass sie sich das erst verdienen musste. Sie verstand nicht, dass sie einfach geliebt wurde, ganz egal, was sie tat. Stattdessen versuchte sie, immer genau das zu tun, von dem sie glaubte, dass es die Menschen um sie herum glücklich machte. Sie traf Entscheidungen noch immer nicht danach, was sie selbst wollte, sondern so, dass sie glaubte, dass die anderen damit zufrieden waren. Ihre Entscheidungen waren noch immer nicht ihre eigenen.

Emily hatte nach wie vor einen schrecklich weiten Weg vor sich. Elf Jahre Gefangenschaft hatten sie schwer gezeichnet und geprägt. Sie hatten ihr gelehrt, ihr ganzes Leben danach auszurichten, das zu tun, was Rohde von ihr wollte. Ihm jeden Wunsch zu erfüllen und sich niemals zu widersetzen. Dieses schmerzhaft erlernte Verhaltensmuster übertrug sie nun auf die Menschen um sie herum. Da Rohde nicht mehr da war, versuchte sie jetzt, das zu tun, was alle anderen von ihr wollten. Selbst wenn sie lächelte, musste das nicht bedeuten, dass sie sich tatsächlich freute. Auf Nachfrage hatte sie Dr. Frank erklärt, dass sie lächelte, weil sie wusste, dass das ihren Eltern und Julia und allen anderen gefiel.

Es tat Julia in der Seele weh. Wie konnte man diesem Kind nur beibringen, ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen und zu erfüllen, anstatt immer nur auf die Bedürfnisse der anderen zu achten? Jedes Wort, das man zu ihr sagte, war ein Abwägen, seit sie von Emilys Vorhaben wussten. Ein Abwägen, wie Emily es verstehen würde. Ob sie es irgendwie so auslegen konnte, dass man etwas von ihr wollen könnte, was sie selbst eigentlich nicht wollte, aber tun würde, um einen glücklich zu machen. Natürlich hatten sie alle versucht, Emily zu erklären, dass sie das nicht tun musste. Sie musste nichts tun, um die anderen glücklich zu machen oder um geliebt zu werden. Ihre Familie liebte sie auch so! Liebe war ein Geschenk, das man sich nicht zuerst verdienen musste. Doch wie sollte man gegen elf Jahre der Manipulation und knallharten Konditionierung ankommen? Wie einem Kind so etwas erklären, das noch nie irgendetwas einfach so geschenkt bekommen hatte? Für jede kleinste Belohnung hatte sie hart kämpfen müssen – und es doch fast nie geschafft. Meist war sie stattdessen für Fehler bestraft worden, die eine Strafe nicht rechtfertigten.

Wie also sollte man einem solchen Kind begreiflich machen, dass es nichts dafür tun musste, um geliebt zu werden?

Ganz einfach: Es war nicht möglich.

Emily war ein psychisch schwer geschädigtes Kind. Und sie würde vermutlich noch jahrelang mit den Folgen ihrer Gefangenschaft zu kämpfen haben. Vermutlich würde sie niemals ein normales Leben führen können, denn ihre ganze Kindheit war geprägt gewesen von Lügen, Schmerz und Leid. Schmerz und Leid, dem sie ihr restliches Leben lang versuchen würde, zu entgehen, indem sie die Menschen um sie herum zufriedenstellte und ihnen keinen Anlass gab, sie zu bestrafen. Sie würde womöglich noch in zwanzig Jahren über ihre Schulter blicken, ob irgendwo jemand war, der ihr vielleicht wehtun wollte.

Menschen waren Monster. Das hatte Rohde ihr so beigebracht. Sie kannte nun ein paar von ihnen, von denen sie glücklicherweise zu glauben begann, dass sie keine Monster waren. Doch würde sie es auch schaffen, darauf zu vertrauen, dass alle anderen Menschen genauso nett waren?

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