Kapitel 35

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Tessa PoV:


Am nächsten Morgen wurden Michael und ich von einem lauten Scheppern und einem darauffolgenden Schreien geweckt. Sofort sprangen wir aus dem Bett, rannten aus dem Zimmer, nach unten, wo wir die Schreie vermuteten. Was hatte Grandma gemacht? Hatte sie vielleicht eine Vase runtergeschmissen und in die Scherben gegriffen? Nein, dafür war der Knall zu heftig. Im Wohnzimmer sah Michael zuerst nach, dort war niemand. Jetzt kamen die Schreie aus der Küche. Grandma auf dem Küchenboden, um sie herum tausende Scherben von Tellern, Tassen usw. Wahrscheinlich hatte sie versucht, den Schrank auszuräumen, warum auch immer.

„Grandma, ist alles ok?", rief ich und versuchte irgendwie an sie heranzukommen. Sehr schlau, barfuß über Scherben zu laufen. Michael war auch sofort für sie da und versuchte sie zu stützen. Grandma konnte sich nicht bewegen, sagte, dass sie kaum Luft kriegen und ihr Herz rasen würde, Michael rief sofort einen Notarzt, der wenig später bereits eintraf. Er untersuchte sie schnell und sie bekam ein Medikament gespritzt, was bereits nach wenigen Augenblicken anschlug. Trotzdem sollte sie vorsichtshalber ins Krankenhaus. Es war besser so, fand auch ich. Ich sollte ihr später ein paar Sachen vorbeibringen, bis dahin wären die Untersuchungen abgeschlossen. Dann fuhr sie in einem Krankenwagen weg, wir schauten ihr noch hinterher.

„Mach dir keine Sorgen, sie wird schon wieder!", tröstete Michael mich und nahm mich in den Arm.

„Was hatte sie schon wieder vor? So früh am morgen sollte sie noch im Bett liegen...Ihre Aussetzer werden immer schlimmer. Letztens hab ich in der Gefriertruhe meine Turnschuhe gefunden und Grandmas Wecker im Kühlschrank. Noch dazu erkennt sie niemanden mehr, außer mich. Mrs Irwin war letztens wieder hier, alles war wie immer, aber nachdem sie eine halbe Stunde da war, wusste Grandma plötzlich nichtmehr, wer sie war und hat sie rausgeschmissen...ihre beste Freundin! Sie war nicht sauer oder so, sie weiß ja selbst, dass es nicht so gemeint war, aber was, wenn sie das irgendwann auch mit mir macht? Wenn sie ihre eigene Enkelin nichtmehr erkennt?"

Michael drückte mich fester an sich und zog mich dann mit zurück ins Haus.

„Geh und schlaf noch ein wenig, du siehst müde aus. Ich bring die Küche in Ordnung."

„Ich helfe dir!"

„Nein, ruh dich aus."

„Ich kann jetzt sowieso nichtmehr schlafen..."

„Dann pack schonmal ihre Sachen zusammen, wenn du unbedingt etwas machen möchtest. „Aber kipp mir ja nicht um."

Ich schlurfte die Treppen hoch in Grandmas Schlafzimmer und packte ihr einen Koffer zusammen. Erstmal nur die nötigsten Sachen, ich hoffte ja, dass sie sehr schnell wieder nach Hause kommt. Aber zuerst soll sie wieder gesund werden. Michael war mir nun eine sehr große Hilfe. Er war mein perfekter bester Freund, er war immer da, in jeder Situation hilfsbereit und einfach wahnsinnig toll. Jetzt kümmerte er sich auch noch um mich, half mir beim Aufräumen und war einfach da, wenn ich ihn brauchte.

„Ich bin fertig in der Küche, wie weit bist du mit packen?"

„Auch soweit durch!"

„Hast du geweint?", fragte er und sah mich an, ich ließ mich wortlos auf Grandmas Bett fallen. Ich hatte geweint. Meine Nerven, ich weiß nicht, wo mir der Kopf steht. Der Mist mit Ash und jetzt auch noch Grandma. Zwei Personen, die mir unglaublich wichtig sind, könnte ich verlieren. Auf eine andere Weise, aber trotzdem würde mir beides das Herz brechen. Ich kann nichtmehr.

„Sieh mich an, Tessa! Es wird alles gut, ok? Wir schaffen das doch locker!", versuchte er mich aufzumuntern, „soll ich Ashton anrufen? Er ist jetzt bestimmt schon wach."

Ich sah auf die Uhr. 8:00 Uhr morgens. Meistens war Ash früh wach, das stimmte schon, aber wenn er mal länger schlief, dann brauchte man vor Mittag nicht mit ihm zu rechnen. Wollte ich überhaupt, dass Ashton Bescheid weiß? Dass er kommt und mich wie Mikey in den Arm nimmt und sagt, dass alles gut wird? Irgendwie brauchte ich ihn. Kaum hatte Michael Ashton am Telefon erzählt, was passiert war, stand er auch schon vor meiner Haustür und sprang mit direkt in den Arm und küsste mein Haar.

„Alles gut, Baby", flüsterte er und strich über meinen Rücken. Alles gut — Aber ich wusste, dass er etwas anderes ahnte. Auch Michael kam und umarmte ihn, dann ließ er uns alleine. Ich sollte mich melden, wenn ich ihn brauchte. 'Egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit' hatte er gesagt.

„Sollen wir ins Krankenhaus fahren?", fragte Ash, ich nickte, zog mir angemessene Kleidung an und schon saßen wir im Auto. Ich erzählte ihm auf der Fahrt nochmal alles ganz genau. Bestimmt fünf mal hintereinander. Ich war einfach durcheinander, doch Ash störte das nicht. Und mich störte es nicht, dass wir so taten, als wäre dieser 'Streit' nicht gewesen. Im Gegenteil. Es tat gut, es war einfach alles normal — bis auf Grandma.

Im Krankenhaus meldeten wir uns an der Info an. Man sagte uns, dass Grandma sich auf keinen Fall aufregen dürfte, sonst würde es ihr schnell wieder schlechter gehen. Ihr Herz schlug immer noch zu schnell und sie brauchte nun viel Ruhe. Ich klopfte an ihrer Tür und Ash und ich gingen rein. Grandma begrüßte mich mit einem müden Lächeln und einem gemurmelten „Schön, dass du da bist." Ashton stellte ihre Tasche auf das leerstehende Bett neben ihr und gab ihr zur Begrüßung die Hand.

„Tessa, Liebling, wer ist das?", fragte Grandma verwirrt. Oh nein, nicht schon wieder.

„Ich bin Ashton, Mrs McLeod, sie kennen mich schon sehr lange."

„Ich kenne keinen Ashton. Wer soll das sein? Ein Junge aus der Nachbarschaft?"

„Sie kennen meine Großmutter Clarisse. Sie ist ihre beste Freundin."

„Tessa, warum gibst du dich mit fremden Männern ab? Das ist gefährlich! Und wieso bringst du ihn auch noch mit hierher."

„Mrs McLeod, ich bin kein Fremder, ich bin der Freund ihrer Enkelin", versuchte Ash ihr zu erklären.

„Was? Nein. NEIN! Tessa ist fast noch ein Kind, sie hat noch keinen Freund!!!"

„Grandma, du darfst dich nicht aufregen!"

„Ich soll mich nicht aufregen? Du bringst irgendeinen Fremden mit zu mir, der behauptet, dein Freund zu sein und ICH SOLL MICH NICHT AUFREGEN?! LASS MEINE ENKELIN IN RUHE, LASS SIE EINFACH IN RUHE UND FASS SIE JA NICHT AN!", schrie sie und atmete immer schneller.

„Regen Sie sich bitte nicht auf! Sie mögen mich, und ich liebe Tessa. Wir haben uns immer so gut verstanden..."

In diesem Moment kam ein Assistenzarzt herein und schickte uns aus dem Zimmer, meiner Grandma wurde alles zuviel. Dabei hat sie Ashton immer so gemocht. Sie sagte immer, dass sie glücklich darüber war, dass ich ihn gefunden habe. Und jetzt? Jetzt weiß sie davon nichtsmehr. Warum muss dieser Schub gerade jetzt kommen?

„Der Zustand ihrer Großmutter verschlechtert sich. Wir bringen sie zur strengeren Beobachtung aus die Intensivstation", meinte der Assistenzarzt, dann schob er meine Grandma in ihrem Bett aus dem Zimmer, den langen Gang entlang und verschwand. Grandma rief Ash vorher noch einmal zu, dass sie ihn anzeigen würde, wenn er sich an mir vergreifen sollte. Und für dieses Verhalten musste ich mich erstmal entschuldigen. Ash würde mir so etwas nie antun, trotzdem verstand er die Sorge meiner Großmutter. Er nahm mich in den Arm und wir warteten auf dem Gang, jetzt mussten wir Geduld haben.

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You always meet twice - Ashton IrwinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt