Kapitel 13

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Wiegenlied
Kapitel 13

Buraks Lachen dröhnte nervend in meinen Ohren. »Du kannst kein Blut sehen?«

Am liebsten würde ich ihm eine reinschlagen. Sein Lachen wurde immer weiter bestärkt. »Du kannst ehrlich kein Blut sehen?«

Als ich aufgewacht war, lag ich im Krankenhaus. Schon als ich die Augen aufgeschlagen hatte, wurde mir das klar. Die eigentliche Frage war, wie ich hierher gekommen war. Ecrin hatte neben mir gestanden und meine Hand gehalten.

Die Ärzte hatten einige Sachen abgefragt. Ich hatte erklärt, dass es wegen dem Blut war, bevor mich alle vollquatschen. Vielleicht hätte ich darauf achten sollen, dass Burak nicht in der Nähe war.

»Hör auf zu lachen«, stieß ich hervor. Das ließ ihn leider nur noch mehr lachen.
Ehrlich, das war gar nicht so lustig.
»Burak!«, schimpfte Ecrin und schlug ihm mit dem Ellenbogen gegen die Rippen.

»Ecrin, die kann kein Blut sehen!«, rief er, als sei ich nicht hier und sah mir danach direkt in die Augen. »Da ist Aslı also doch nicht so taff, wie wir dachten.«
»Verpiss dich von hier, Burak!«, sprach ich und betonte jedes Wort. Ecrin blickte ihn mit einem vernichtenden Blick an, weswegen er tatsächlich aufstand und ging. Ich stöhnte. »Das musste ja kommen...«

»Ach, mach dir nicht's daraus. Burak ist manchmal ein Arsch. Jeder hat seine Schwächen.«
»Nicht jeder muss sie vor Arschlöchern zeigen.«

Ich fühlte mich erniedrigt. Als hätte ich mitten im Kampf meinem Feind meine Schwachstelle gezeigt. Erbärmlich.

»Aslı?«, fragte Ecrin, »Letztens hattet du doch auch geblutet, als du und Burak euch zum ersten mal gesehen hattet und du die Scherben gesammelt hattest.«

»Ja«, daran wollte ich mich gar nicht erinnern. »Aber man kippt ja nicht nur immer um, wenn man kurz Blut sieht oder riecht. Manchmal kann man es unterdrücken. Es ist eigentlich gar nicht so schwer. Ich weiß selbst nicht, was mit mir los war.«
»Schon okay, soll ich dir etwas zu trinken bringen?«
»Wäre nett.«

Sie lächelte mir ein letztes mal zu und verschwand hinter der Tür. Ich dachte, ich bekäme jetzt meine Ruhe, da hatte ich mich aber mal wieder geirrt, denn Burak trottete wieder in mein Zimmer. Jetzt, da Ecrin weg war, musste er ja seiner Meinung nach nicht mehr draußen bleiben.

Das komische war, dass er sich einfach neben mich setzte und nichts sagte.
»Willst du nicht wieder raus, der Flur hat dich sicher vermisst«, schlug ich ihm vor.

Seine hässliche Visage wollte ich nicht weiter sehen. Wieso schaffte ich es nicht, dass er komplett aus meinem Leben verschwand? Burak sagte nichts, beobachtete mich aber.
»Kannst du jetzt gehen?«
»Was hast du für Probleme?«
»Mein Einziges Problem ist, dass du nicht aufhörst, in mein Leben zu treten!«

»Kannst du nicht einmal aufhören so arrogant und stolz zu tun und dich einfach mal bedanken? Oder hast du so was inzwischen schon verlernt?«
Ich blinzelte. »Wofür bedanken?«
Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst. Oh shit.

»Wie glaubst du, bist du hierher gekommen? Ich hab dich in meinen Wagen getragen und dann hierher. Denkst du, so was macht Spaß?«
Mein Mund blieb offen. Boden, bitte tau dich auf! Langsam spürte ich, wie das Blut in mein Gesicht strömte. Wurde ich rot?

Ich schluckte schwer. »Danke.«
»Ich würd' ja "kein Ding" sagen, aber du bist richtig schwer.«
Oha. Was war das für ein Arschloch? Und wieso hatte ich mich eben noch schuldig gefühlt? »Ich hab dich nicht dazu gebeten. Außerdem bin ich nur kurz ohnmächtig geworden. So einen großen Aufwand hätte ich mir sparen können!«

Er lachte. »Du bist und bleibst immer gleich. Du hast recht, dein Inneres ist verdorben, da kann dir auch kein Arzt mehr helfen.«
»Hör auf!-«, begann ich, doch Burak unterbrach mich einfach. »-Ach und deinen Gefallen tu ich dir gerne, ich will sowieso nichts mit dir zutun haben, nur hab ich dich und Ecrin hergefahren. Das heißt, ich sollte euch zurückfahren.«

Mit den Worten verließ er den Raum und ließ mich mit einer Leere zurück. Ich war fest davon überzeugt, dass es gut so war. Es war richtig. Aber dennoch kam es mir so furchtbar falsch vor.

»Hier«, betrat Ecrin den Raum und reichte mir ein Glas Wasser. Ich trank es leer und stellte es dann auf den Beistelltisch.
»Hab ich was verpasst, Aslı?«
»Nein, nein, aber mir geht es gut- sehr gut, ich will endlich hier raus.«
»Okay, ich gebe Burak Bescheid.«
»Warte, ich will aber mit dem Bus fahren. Du kannst ja mit-«
»Mach keinen Scheiß. Als ob ich dich allein lasse.«
»Bitte, Ecrin.«
»Tut mir leid, das geht nicht. Entweder bin ich so unhöflich, Burak zu sagen, dass ich auch mit dem Bus fahre wie du und er allein fahren soll oder wir fahren zusammen mit ihm.«
»Tu mir das nicht an.«

Ich hasste es, wenn man mich nicht verstand. Wieso das Ganze?
»Jo, dann sag ich, dass wir mit dem Bus fahren.«
Irgendwie bekam sie mich dann doch dazu, dass ich mitfuhr. Buraks Blick begegnete meinem kein Einziges mal. Erst als ich in seinem Wagen saß, blickte er zu mir und ich fühlte mich schlecht.

»Danke, dass du uns fährst«, bedankte sich Ecrin.
»Kein Ding, wir Ausländer sollten doch zusammenhalten?«, lachte er. Shit. Das war mein Text. Diese Worte hatte ich zu ihm gesagt, als wir uns das erste mal sahen. Als ich in seinem Wagen saß.

Wieso machte er diesen Scheiß? Etwa, nur um mich runter zu machen und seinen Spaß zu haben? Ich verstand diesen Typen nicht. Ich wollte es aber vielleicht auch gar nicht.
»Was hat das damit zutun«, erwiderte Ecrin, die ebenfalls lachte.

Statt uns am Restaurant zu bringen, brachte er uns zu unserem Apartment.
»Müssen wir nicht arbeiten?«, fragte ich und da fiel mir ein, wie oft ich schon bei der Arbeit fehlte. Hm, vielleicht schmiss mich Cesur endlich raus?

»Nein«, erklärte Ecrin, »Wir haben Cesur angerufen und er meinte, wir sollten lieber zu Hause bleiben und uns ausruhen.«
»Weil ich einmal umgekippt bin? Wegen Blut?«
»Er weiß nur, dass du umgekippt bist.«

»Könnt ihr jetzt beide aussteigen? Ich will noch zur Arbeit«, sagte Burak. Wir stiegen aus und er fuhr davon.
»Als was arbeitet der?«, fragte ich und biss mir zur selben Zeit auf die Zunge.
»Er arbeitet in einer Autowerkstatt und nimmt nebenbei an einer Fernuni teil.«
»Ist das nicht schwer? Uni und Arbeit zusammen?«
»Kein Plan... bestimmt.«

Ich verabschiedete mich von ihr, bevor ich an meiner Tür ankam, stoppte dann aber. Was war, wenn Neslihan merkte, dass ich früher nach Hause kam? Ich hatte keine Lust auf ihr Fragen, keine Lust auf diese Blicke und diese Sorge. Ich hatte es satt.

»Soll ich dir etwas zeigen?«, fragte mich Ecrin und sie hatte ein bezauberndes Lächeln im Gesicht. Es war eine Mischung aus Glück und einer gewissen Trauer. Ich nickte und folgte ihr.

Sie drückte auf den Aufzugknopf. Wir stiegen ein, als er ankam. Schweigend drückte sie den Kopf der letzten Etage. Sie hätte jetzt einen Messer rausholen und mich erstechen können.

Wahrscheinlich dachte sich Neslihan tausende von solchen Szenarien aus. Mir kam es eher belustigend vor. Ecrin könnte so etwas nicht tun oder irrte ich mich? Manchmal waren es die Personen, die uns sehr nah waren, die, denen wir hätten niemals vertrauen sollen...
Möglicherweise hatte mich ja Neslihan mit ihrer Art angesteckt.

Wir stiegen still aus dem Aufzug. Ich folgte ihr weiter zu einer Treppe, die wir hochstiegen. So hoch kam der Aufzug nicht. Am Ende war eine etwas größere verschlossene Tür, die Ecrin aufschloss. Als wir reingingen, schloss sie die Tür hinter sich wieder ab. Ich sah mich um.

Wir standen mitten auf dem Flachdach des Apartments. Rechts links war nichts. Es war einfach nur ein grauer hässlicher Dach.

»Was tun wir hier?«, fragte ich verwirrt und machte einige Schritte. Von hier aus hatte man einen guten Ausblick.
»Wirst du gleich sehen«, grinste Ecrin und steckte den Schlüssel zur Tür in ihre Hosentasche.

WiegenliedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt