Wiegenlied
Kapitel 39»Sag mir, was willst du eigentlich wissen?«, fragte Mahmud in einem ruhigen, aber auch angespannten Ton. Ich sah ihn verwirrt an. Was sollte das heißen?
»Komm schon, ich kenne dich, Aslı, du besitzt so viel Empathie wie ein Stein.«
Gerade noch redete der Typ darüber, dass ich ihn nicht kannte- und jetzt wollte er plötzlich mich kennen? »Mahmud, du kennst mich nicht. Du kennst nur das, was ich zu sein scheine.«Wieso war ich überhaupt zu ihm gegangen? Wieso erwartete ich, dass er sich einmal menschlich benahm?
Wütend trat ich zurück ins Restaurant und erntete einen verwirrten Blick von Burak.
»Was hast du bei Mahmud gemacht?«, fragte er. Ich war zu genervt, um mit ihm darüber zu reden. Ich wusste ja nicht einmal selbst richtig, weshalb ich es getan hatte. »Ist unwichtig.«
»Ah, da ist also wieder die geheimnisvolle Aslı.«
»Jap, so ist es«, ignorierte ich seinen sarkastischen Ton und machte weiter meine Arbeit.Cesur kam heute wieder ins Restaurant. Er sah angespannt aus, murmelte etwas vor sich hin, als er an mir vorbei ging, ohne mich anzusehen und in sein Büro lief.
Ich hoffte nur, dass er mich in Ruhe ließ und wollte nicht länger an ihn denken, aber das klappte nicht so einfach. Da ich an Meltem denken musste, musste ich gleichzeitig an ihre Eltern denken. Sie würden sich scheiden wollen würden. Es würde die Kleine hart treffen.Nachdem unsere Schicht fertig war, fuhr ich miy Ecrin zurück. Das war die Gelegenheit über Mete zu sprechen, nur wie sollte ich das anstellen? Ich wollte ihr niemals vorwerfen, mich angelogen zu haben. Nie. »Ähm, Ecrin, ich muss mit dir reden.«
»Dann rede«, lachte sie.
»Du könntest es falsch verstehen.«
»Das kriegst du nie heraus, wenn du es nicht vorher ausprobiert hast.«
»Okay, also, ich habe letztens Mete gesehen.«
Abrupt bremste sie und sah mich geschockt an.»Ecrin, wir sind auf der Straße«, erinnerte ich sie und war dankbar, dass weit und breit keine anderen Wagen waren. Sie blinzelte einmal und begann wieder weiter zu fahren. »Woher hast du ihn wiedererkannt?«
Was sollte ich darauf antworten? Ich schluckte. »Ich hab ihn wegen einem Foto wiedererkannt. Lange Geschichte. Ist aber eigentlich auch unnötig. Das, was ich dir sagen wollte ist, dass er mir gesagt hat, dass du mit ihm Schluss gemacht hast.«
»Was!?«
Den Ausdruck in ihrem Gesicht hätte man nicht fälschen können. Sie wusste davon nichts. Mete log.»Aslı, woher wusste er überhaupt, dass du meine Freundin bist? Wieso soll ich Schluss mit ihm gemacht haben? Das macht keinen Sinn!«
»Ja, es macht keinen Sinn.«
Ich schüttelte den Kopf. »Im Moment macht nichts Sinn.«
Als ich zu Hause ankam, fing ich an groß zu Kochen. Seit dem ich das Video von Neslihans Abschied mit meiner Mutter gesehen hatte, hatte ich mich weiter von ihr entfernt, was doch genau Kaans Ziel war. Meine Sie war meine Stütze. Wenn er mich von ihr trennte, machte er mich verletzlich.Ich konnte nicht fassen, dass es jemand schaffte, mich überhaupt von meiner Tante zu trennen. Sie war doch alles, was ich von meiner Familie hatte. Später entschied ich mich, einkaufen zu gehen, weil es noch etwas dauern würde, bis Neslihan käme.
Wir hatten lange nichts mehr eingekauft. Die riesige Einkaufsliste abzuarbeiten war anstrengend genug, das ganze Zeug auch noch bis zur Wohnung zu tragen, war eine andere Last.»Guten Tag, Aslı«, musste mich Ecrins Vater auch noch ansprechen.
»Guten Tag«, begrüßte ich ihn mit einem Lächeln. Ich mochte ihn ja, aber das machte die Tüten nicht leichter. Ecrins Vater kam gerade mit seinen Krücken aus seiner Wohnung. »Nur noch ein paar Tage, dann bin ich die Dinger los«, sprach er zuversichtlich, als er meinen Blick bemerkte. Ich nickte stumm.»Dann kann ich meiner Tätigkeit als Polizist endlich wieder nachgehen.«
Polizist. Ach ja. Er war Polizist. Ich kaute auf meiner Lippe herum. Sollte ich mich also von ihm fernhalten? Aber von Fatih hielt ich mich ja auch nicht mehr richtig fern. Wieso eigentlich? Ach ja. Wegen der Sache mit Mete und Ecrin, dann wegen der komischen Nachricht von Kaan.»Es gibt so vieles zu bekämpfen, da draußen«, schwärmte er von seinem Beruf. Ich fühlte mich aus irgendeinem Grund angesprochen. Ungeduldig verlagerte ich mein Gewicht von der einen zur anderen Seite.
»Ich habe heute einen komischen Anruf bekommen, den ich nicht zurückverfolgen konnte. Wahrscheinlich irgendein Scherz«, erzählte er. Er liebte es wohl zu erzählen, wie Ecrin. »Aber damit sollte man ja nicht scherzen. Die Polizei ist etwas ernstes. Da ruft man nicht einfach mal an und meint, dass in der Nähe von einem selbst ein Kidnapper wohnt, der seine Verwandte entführt hat.«Ich starrte ihn mit aufgerissenen Augen an, während das Blut in meinen Adern erfror. Die Kälte machte sich in mir breit.
»Aslı, alles okay?«
War das Kaan gewesen, der angerufen hatte? Beharrte er immer noch darauf, dass Neslihan mich entführt hatte? Ging er so weit?
»Aslı?«
»Ich- ich kann mir nur nicht vorstellen, wie man mit so etwas spaßen kann. Na ja, ich muss dann auch los. Bis bald.«
»Bis bald!«Während ich die Wohnungstür zuknallte und mich endlich sicher fühlte, musste ich feststellen, dass mich das Pech verfolgte, denn eine ziemlich bekannte Stimme erklang vom Wohnzimmer.
Was tat die hier?
»Oh, gut das du da bist, Aslı«, meinte Neslihan, als sie mich an der Türschwelle zum Wohnzimmer erblickte. Neben ihr saß Anise, das eine Bein über das andere geschwungen und lächelte.»Deine Freundin Anise wollte mit dir reden«, sprach Neslihan weiter. »Ich muss sowieso noch einmal schnell raus. Viel Spaß euch beiden!«
Schon war sie weg.
»Was tust du hier?«
»Auch nett dich wieder zu sehen, Aslı.«
»Anise, sag, was du willst und verpiss dich dann.«
»Ich will reden.«Seufzend ließ ich mich auf das Sofa nieder und sah sie gespannt an. »Rede.«
»Es tut mir leid.«
Das war mir neu.
»Alles, Aslı, wirklich alles tut mir leid. Ich war so egoistisch. Kannst du dir vorstellen, dass ein Mädchen, die sich seit dem Abitur in jemanden verliebt hat, einfach zulassen kann, dass er sich nach all den Jahren in eine andere verguckt.«
»Ich verstehe es ja. Du liebt Fatih. Okay, aber ich hab nichts damit zutun. Wenn er dir so viel bedeutet, würde ich dir vorschlagen, mit ihm zu reden, aber mich zu nerven bringt dich nicht weiter.«
»Du kannst hart sein.«
»Und du nicht?«
Sie lachte. »Ich mag dich.« Bitte nicht.Ihr Blick glitt aus dem Fenster. »Er sieht mich als Schwester. Er hat es schon immer getan. Daraus wird nichts. Ich hab mich schon abgefunden.«
Plötzlich füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Wenn- wenn ich es ihm sagen würde, würde unsere Freundschaft sterben, verstehst du? Es ist besser ihn als "Bruder" bei mir zu haben, als gar nicht. Damit kann ich leben.«
Was sollte ich sagen?»Danke, dass du mein Gesülzte angehört hast. Ich wollte nur klarstellen, dass ich bereue, was ich getan hab. Eine eifersüchtige Frau ist eine tödliche Frau. Menschen machen Fehler.«
Mit diesen Worten stand sie auf, lächelte verkrampft und verließ die Wohnung. Ich wusste nicht, was ich sagen oder denken sollte, also schob ich den Gedanken einfach zur Seite.
Gleich darauf bekam ich sowieso eine Nachricht von Burak, in der stand, dass Meltem mich sehen wolle, dazu eine Adresse und die Uhrzeit, in der wir uns treffen sollten.
Der Tag heute war chaotisch genug, erst Mahmud, dann Cesurs Laune, dann das Gespräch mit Ecrin, Anises Entschuldigung, konnte es schräger kommen?Ich war an dem Platz angekommen und sah mich wütend um. Ich war in der Stadt und starrte dauernd auf mein Handy. Es war der richtige Ort- kein Zweifel, es war die richtige Uhrzeit- kein Zweifel, aber wo waren die beiden denn?
Eine halbe Stunde war vergangen.
Wieso konnte man die Uhrzeit, die man selbst bestimmt hatte, nicht einhalten? Wenn Burak kommen würde, würde er etwas zu hören bekommen und wenn er nicht käme, dann würde ich seinen Kopf gegen die Wände des Restaurants schlagen- wenn ich es könnte. Mit Besteck und Tellern nach ihm zu werfen, müsste reichen.Als ich beinahe aufgegeben hatte und weg wollte, erschien er dann mit einem breiten Grinsen, dazu 40 Minuten zu spät und das Schlimmste war, dass Meltem nicht zu sehen war.
Wollte der mich verarschen?________________________
Danke für euren Feedbacks!
Habe übrigens eine neue Geschichte. Würde mich freuen den ein oder anderen von euch dort wiederzusehen.
hayaleyna
DU LIEST GERADE
Wiegenlied
Misterio / SuspensoAslı soll nicht in Schwierigkeiten geraten. Vor allem nicht mit der Polizei. Das erklärt ihre Tante ihr immer wieder aufs Neue. Als sie dann doch in welche gerät und vor einem Polizisten flieht, ist sie auf die Hilfe von Burak, der für sie nur ein...