Kapitel 30

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Wiegenlied
Kapitel 30

Panik schnürte mir die Kehle zusammen. Ich war wie erstarrt. Meine Beine gehorchten mir nicht, obwohl ich so heftig versuchte, mich umzudrehen.

Ich hörte nichts, keine Schritte, kein Zeichen von Leben. So konnte ich mich überwinden und sah zur Tür. Da war niemand. Aber wer hatte diesen Stein genommen?

Der Wind hätte das nie im Leben schaffen können, diesen fetten Klotz da wegzubekommen. Unmöglich.

Ich lief auf die Tür zu und versuchte die Klinge nach unten zu drücken. Sie war abgeschlossen und ich war eingesperrt. Toll.

Vergebens versuchte ich Liana zu erreichen, von der Ecrin ja angerufen hatte, doch auch sie nahm nicht ab.
Von der Tür aus waren Schritte zu hören. Ich drückte mein Ohr gegen die Tür und lauschte. Das waren eindeutig hastige Schritte, die die Treppe hinunter liefen.
Wer war das?

Sollte ich jetzt meinen gesamten Tag hier verbringen?
Ich fuhr mir durch das Haar, weil so viele Fragen, ohne Antworten, durch meinen Kopf sausten. Wieso sollte jemand dafür sorgen, dass ich hier bleibe und dann einfach wegrennen?
Das war so unnötig.

Meine Gedanken wurden von dem Geräusch der runtergedrückten Türklinke unterbrochen. Die Person auf der anderen Seite der Tür drückte die Klinke noch einige Male und dann sprach eine bekannte Stimme zu mir.

»Aslı? Bist du da?«

Mein Herz machte einen Satz. Noch mehr Fragen tauchten in meinem Kopf auf. Was machte Burak überhaupt hier?

»Burak«, flüsterte ich so erleichtert, wie lange schon nicht mehr. Meine Stimme war kaum noch da und meine Beine waren wackelig wie Pudding, nur warum?

Wer hätte es denn sein können, dass ich solche Angst hatte? Wer würde mir etwas antun können? Ich war mir so sicher, dass es der Typ war, der mir Drohungen als Nachrichten geschrieben hatte. Aber wieso sollte diese Person mir etwas antun wollen?

»Wie bist du hier reingekommen?«, fragte er verwirrt. Ich wollte hier weg. Es war mir egal, wie, ich wollte hier weg. Sofort. »Die Tür war offen.«
»Warte, ich hole den Hausmeister. Beruhig dich.«

Beruhig dich. Klang ich so hysterisch?
Ich lehnte mich gegen die Tür und sank hinunter auf den Boden. Mein Kopf lag auf meinen Knieen, als die Tür aufgeschlossen wurde. Ich sprang auf, sah als erstes Burak und fiel ihm um den Hals.

Mein Herz pochte so stark gegen meine Brust, dass ich Angst hatte, es könnte aus meinem Körper springen. Ich realisierte erst einige Sekunden später, was ich tat. Burak hatte mich an sich gedrückt und strich mir durch das Haar, als sei ich ein kleines Kind. Ein kleines Kind, das Angst hatte, nur weil es zwei Minuten weggesperrt war.

Rasch löste ich mich von ihm und beschäftigte ich mich verlegen mit meinem Haar. Nicht einmal ein "Danke" brachte ich heraus. Ich sah nur starr auf den Boden.
»Es ist dir nicht einmal erlaubt, hier hochzusteigen!«, schimpfte der Hausmeister, was ich eher ignorierte.

Ich versuchte mein Herz zu beruhigen und dachte nach. »Burak, was tust du überhaupt hier?«
»Du bist wie wahnsinnig aus dem Restaurant gerannt, da bin ich dir einfach gefolgt.«
»Wie du bist mir gefolgt?«
»Hätte ich es nicht tun sollen?«
Irgendetwas passte nicht. Burak hatte auf keinen Fall mich hierher geschickt, er hatte nicht Ecrins Handy, das würde keinen Sinn ergeben.

»Ich will Sie nie wieder hier oben sehen!«, rief der Hausmeister, um wieder Aufmerksamkeit zu bekommen. Ich war wieder am ignorieren. »Aber jemand ist die Treppe runter gelaufen, wer war das?«
»Keine Ahnung, ich hab den Aufzug genommen... Warte? Willst du jetzt sagen, dass jemand die Tür zugemacht hat, um dich hier einzusperren? Wieso sollte das jemand tun?«
»Das ist ja meine Frage.«
»Ah«, meldete sich der Hausmeister wieder zu Wort. »Die Jugend von heute benimmt sich wie Kinder! Aber ich denke, ich habe einen jungen Mann gesehen, nur ganz kurz von hinten.«

WiegenliedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt