Wiegenlied
Kapitel 05»Wie mein Platz ist neben dem von Burak?«, sprach ich entsetzt. Das war doch wohl ein schlechter Scherz.
»Das heißt wohl, du kommst nicht«, schloss Ecrin daraus und hatte gerade geparkt. Nicht kommen und das wegen Burak? Nein. Wegen diesem Typen würde ich nicht absagen. »Doch ich komme.«
»Wirklich?!«, kreischte sie und ihr Lächeln ging bis über beide Ohren. Erst jetzt bemerkte ich, dass Ecrin ziemlich hübsch war. Ihr sehr dunkles Haar ging ihr bis zu den Schultern und war glatt. Das Gesicht war gebräunt und ihre braunen Augen schön groß. Ich nickte und versuchte zu Lächeln. »Ja.«
Das mit dem Lächeln musste ich noch üben.Wir stiegen aus und sofort begann unsere Schicht. Ich konzentrierte mich nur noch darauf und vergaß schon die Welt um mich, bis wieder der Gast kam von gestern.
Derselbe, der gestern sein Getränk auf das Hemd von Burak gekippt hatte, derselbe, der mich gestern angesprochen hatte und derselbe, den ich gestern noch geschlagen hatte.
»Ich würde gerne von Ecrin bestellen«, gab er aber von sich, als ich widerwillig zu ihm gegangen war. Was? Erinnerte der Typ sich gar nicht an mich?
War es in dieser Stadt normal, dass hier jeder jeden nach einem Tag vergaß?
»Tut mir leid, aber Ecrin ist gerade beschäftigt«, erwiderte ich. Aus irgendeinem Grund wollte ich nicht, dass Ecrin ihn bediente. Sie sollte nicht einmal in Kontakt kommen mit so einer Missgeburt.
»Ich kann warten«, lächelte er mich verschmitzt an. Dann sah er wieder in seine Karte. Soll er doch schmoren beim Warten.
Ich machte weiter meine Arbeit, als es plötzlich zu einem Streit kam.
»Mahmud, hör auf oder verpiss dich«, rief Ecrin zu dem Gast, der unbedingt von ihr bedient werden wollte. Sie kannte ihn also.»Wieso meine Süße?«, fragte dieser.
»Ich warne dich«, wiederholte sie genervt.
»Du wirst eh bei mir landen, wie alle anderen Weiber auch.«
»Verpiss dich von hier.«
»Du denkst auch, dass du gerade mich rausschmeißen kannst. Glaubst du so entkommst du mir?«
Er lachte noch, als ich an seinen Tisch kam. Wutgeladen deutete ich auf dir Ausgangstür. »Geh!«»Oder was?«, lachte er.
»Sonst rufe ich die Polizei.«
»Jetzt hab ich aber Angst.«
Mahmud lehnte sich weiter an seinen Stuhl und grinste. »Ich hab Kohle und komme-«
»-nicht bei mir«, unterbrach ihn. Sein Geld konnte er sich in den Arsch stecken.»Was willst du damit andeuten?«, fragte Mahmud mit zusammengezogenen Augenbrauen und doch einem Grinsen im Gesicht.
»Dass ich deinen Hintern aus diesem Restaurant befördere.«
»Als Mädchen?«
Nö, ich benutze die Macht des Mondes und verwandle mich in einen Jungen! »Ich tue es-«
»-Ach, wisst ihr was? Ich will nicht, dass ihr euch um mich streitet. Am besten gehe ich und kümmere mich um euch später.«
Somit ging er.»Asozial«, stieß ich hervor als er weg war und konnte nicht fassen, was für Menschen es auf dieser Welt gab.
»Ich hoffe, Cesur ist mir nicht allzu böse«, murmelte Ecrin.
»Bei dem Verhalten ist es doch normal, ihn rauszuschmeißen«, entgegnete ich. Sie nuschelte etwas unverständliches und ging dann zurück in die Küche.Nach unserer Schicht musste ich Neslihan eine Nachricht schicken, dass ich später nach Hause kommen würde. Ich hatte gestern total vergessen, dass wir heute hier mit den Angestellten und dem Chef Cesur essen würden, was mir immer noch sehr komisch vorkam.
Ich zog mich deshalb im Personalzimmer um und hatte nun meine alltäglichen Klamotten an.
Wir mussten einige Tische zusammenschieben, damit alle einen Platz hatten. Das Schlimmste war, dass wieder dieser Burak da war. Er war doch kein Angestellter vom Restaurant. Was tat er dann hier?
Cesur, unser Chef, sah mich die ganze Zeit komisch an. Mein Gefühl sagte mir, dass es falsch war, hier zu sitzen. Ich sollte am besten weg, aber wie? Ich konnte schlecht einfach aufstehen.
»Du wohnst doch bei deinen Eltern, oder?«, fragte er mich dann und sah mich freundlich, aber dennoch mit einem Stich Misstrauen an.
»Bei meiner Tante.«
»Warum denn das?«
»Weil meine Eltern in der Türkei leben.«Jetzt spürte ich mehrere Blicke auf mir. Vor allem der von Ecrin stach heraus. Sie dachte, meine Eltern seien tot. Na ja, jetzt wusste sie die Wahrheit ja.
»Wieso Türkei?«, fragte einer der Angestellten.
»Weil es ihre Heimat ist.«
Das war nicht die Antwort, auf die alle gewartet hatten. Sie wollten detailliert wissen, wieso meine Eltern nicht bei mir waren oder ich nicht bei meinen Eltern.»Und warum bist du hier?«, fragte Cesur daraufhin. Ich spürte nun ebenfalls den Blick von Burak und das war mir mehr als unangenehm. »Weil ich bei meiner Tante bleiben will. Außerdem dringt das schon in meine Privatsphäre.«
Die letzte Aussage gefiel ihm nicht. Sein Blick verriet Wut, dennoch war er mein Chef und sollte auf meine Privatsphäre achten.
Die anderen hatten sofort ein neues Gespräch eröffnet, beidem ich mich nicht beteiligte. Ihr Gespräch drehte und wendete sich.
»Ich hab heute gesehen, dass wieder Mahmud bei dir war«, meinte ein blondes Mädchen mit grünen Augen, die soweit ich wusste, Liana hieß, zu Ecrin. Ecrin nickte daraufhin. »Der merkt auch nicht, wo die Grenzen sind.«
Sie flüsterten, als dürfte es jemand bestimmtes nicht erfahren.»Ehrlich, ruf doch die Polizei. Der belästigt dich schon so lange.«
»Oder ruf mich an«, mischte sich Burak in das Gespräch ein.
»Damit du mir hier ein Blutbad verrichtest?«, entgegnete Ecrin spöttisch.»Burak, lass mal lieber«, stimmt Liana Ecrin zu. »Nicht, dass du bei der Polizei landest. Aber echt! Der glaubt auch, wir Mädels sind alle bekifft. Ich meine, er kennt sie kaum, wieso soll sie ihm trauen? Es gibt schon Psychopathen im Leben.«
Burak lachte. »Ach komm. Es gibt sogar Frauen, die von der Polizei verfolgt werden und sich in fremde Autos verstecken.«
Mein Blut gefror. Er sah mir tief in die Augen und lachte mich innerlich aus. Scheiße, er kannte mich.
»Als ob! Das hast du jetzt erfunden«, meinte Liana.
»Nein, ich kann es dir sogar beweisen.«Ich stand abrupt auf und nahm meine Tasche. »Meine Tante wartet auf mich. Ich muss los.«
Auffälliger ging es nicht. Aber ich wollte nicht mehr hier bleiben.Und ohne mich von jemandem zu verabschieden, lief ich raus. Es war kühl geworden draußen und der Wind peitschte mein Haar herum. Das war gut. Das Wetter passte zu meiner Stimmung.
Arschloch.
Ich lief sofort den Wege entlang.
Arschloch. Aschloch. Arschloch.
Die ganze Zeit hatte er so getan, als hätte er es vergessen, nur um mich im richtigen Augenblick fertig machen zu können. Und ich Dumme hatte ihm auch noch einen Gefallen getan, indem ich aufgestanden war.
»Aslı!«, hörte ich jemanden hinten rufen. Gleich darauf stand Burak neben mir. Sein Grinsen lag ihm immer noch mitten im Gesicht. »Du hast dein Handy vergessen.«
Ich riss es ihm aus der Hand. Wie dumm von mir. Noch dümmer war es natürlich, dass ich irgendwie gedacht hatte, dass er sich entschuldigt, aber Arsch bleibt nunmal Arsch.
»Damit du weißt, ich hab keine Ahnung, warum du verfolgt wurdest, es ist mir auch egal. Ich hab dich an dem Tag nur in meinem Auto gelassen, damit ich nicht auch im Revier lande. Neben jemandem zu sein, der von der Polizei gesucht wird, ist keine so gute Idee.«
»Eine Verbrecherin hätte dich auch gleich erstechen können.«
Er lachte. »Ein Mädchen wie dich schlag ich mich einer Hand gegen den Boden.«
»Deine Kraft reicht auch nur für Mädchen.«Ich wollte weiter weiter, doch schon nach einem Schritt packte er mich am Arm. Seine Augen spuckten Feuer. »Was glaubt du, wer du bist, hä?«
»Nichts von dir, also pack mich nicht an und misch dich nicht in meine Angelegenheiten ein«, zerrte ich meinen Arm von ihm. »Du kannst jetzt gehen.«»Statt dich zu bedanken, führst du dich auf wie ein Kind«, raunte er wütend.
»Wofür bedanken? Dass du mich versuchst vor allen zu demütigen?«
Ich wollte wieder weiter, da packte er mich wieder am Arm. »Fass mich nicht an, checkst du das nicht?!«
»Nein.«Er war so ruhig und dabei so provozierend. Das brachte mich total aus der Fassung, sodass ich ihm plötzlich ins Gesicht klatschte.
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Wiegenlied
Misterio / SuspensoAslı soll nicht in Schwierigkeiten geraten. Vor allem nicht mit der Polizei. Das erklärt ihre Tante ihr immer wieder aufs Neue. Als sie dann doch in welche gerät und vor einem Polizisten flieht, ist sie auf die Hilfe von Burak, der für sie nur ein...