Wiegenlied
Kapitel 34Ein kalter Windstoß schlug gegen meinen Rücken. Ich schmeckte immer noch das Blut auf meiner Zunge, meine Lippe pochte und meine Gedanken waren unübersichtlich.
Ich hatte zum erneuten Male aus Gewohnheit meine Zähne gegen meine Lippen gedrückt. Der Schmerz durchzuckte mich so schnell, dass ich sofort meinen Kiefer lockerte und meine Lippen verschonte. Dafür hätte ich mich schlagen können. Wieso konnte ich diese alten Gewohnheiten nicht einfach ablegen?
Ein Wimmern entglitt meinen Lippen, die begonnen hatten zu zittern. Meine Finger, die gerade noch krampfhaft sich an Buraks Shirt gerammt hatten, entspannten sich.
Meine Kraft war am Ende.
Von der einen zur anderen Sekunde spürte ich den Boden unter meinen Füßen nicht mehr. Gleichzeitig schloss ich die Augen, als ich starke Arme um meinen Körper spürte.Ich war in Sicherheit.
An mehr konnte ich nicht denken.Meine Lieder waren so schwer, dass ich sie nicht öffnen konnte. Ich nahm wahr, wie die Haustür geöffnet wurde und Burak sie hinter sich schloss. In der Wohnung herrschte eine klägliche, jedoch auf furchtbare Weise beruhigende Stille. Alles, was ich an Geräuschen wahrnahm, waren die Atemzüge von Burak, die ich reflexartig angefangen hatte, mitzuzählen. Es war beruhigend.
Sanft landete ich schließlich auf meinem Bett. Die Decke wurde über mich gelegt und ich wusste, jetzt würde er gehen. Ich wollte nicht wirklich, dass er blieb, aber wenn er gehen würde, würde ich irre werden vom Nachdenken und Weinen.
Ich würde keine Ruhe finden. Das war mir klar und deshalb fasste ich ihn fest am Arm, wie eine Klette. »Geh nicht.«
»Neslihan wird sicher gleich-«
»Nein. Sie kommt heute nicht mehr. Wirst du mich allein lassen?«
»Bestimmt nicht.«
Burak war nicht wie andere Typen.Diesen Moment der Schwäche hätten so viele ausgenutzt. Er jedoch, statt sich neben mich zu legen, wie der Rest der Welt, setzte sich auf den kalten Laminat und hielt meine Hand. Wieder zählte ich seine Atemzüge und konzentrierte mich nur darauf. Keine weiteren Gedanken ließ ich Zutritt, bis ich ein schlief.
Meine Gelenke taten weh, als ich aufwachte. Burak war nicht mehr in meinem Zimmer. Er hatte sich auf die Couch im Wohnzimmer gelegt und war eingeschlafen.
Ich massierte mir meinen Rücken und hätte am liebsten gleich geduscht, aber da Besuch da war, ließ ich es sein.Würde komisch ankommen, wenn er aufwachte und ich duschte. Mit einem Blick auf meinem Handy lief ich in die Küche. Ich hatte verpasste Anrufe und zwei neue Nachrichten. Die erste Nachricht war von Neslihan und sie hatte mir geschrieben, dass sie die Nacht bei einer Freundin blieb. Die zweite war von Ziya. Kurz kontrollierte ich, indem ich hinter mich blickte, ob Burak noch wach war und öffnete gleichzeitig die Nachricht. Sie war kurz und knapp: "Ruf mich an."
Die Anrufe waren ebenfalls von Ziya. Mit pulsierendem Herzen tippte ich seine Nummer und rief ihn somit an.
Die Wahrheit war zum Greifen nah.
»Guten Morgen«, hörte ich seine Stimme. Ich war so erleichtert, dass er rangegangen war, dass ich schwer Worte fand. »Guten Morgen!«
»Ich hoffe doch sehr, du hast heute Zeit?«
»Ja, den gesamten Tag lang. Wann passt es denn bei Ihnen?«
»Du musst mich nicht siezen. Da fühle ich mich ja alt.«Ich musste grinsen, weil ich an Neslihan dachte. Der Satz passte perfekt zu ihr. Vielleicht war mir dieser Ziya ja deshalb so sympathisch.
»Okay«, sprach ich eher leise.
»Wie wäre es, wenn ich dich in drei Stunden abhole? Wo wohnst du denn?«
Ich gab ihm die Adresse und war einverstanden mit seinen Vorschlag.»Dann freue ich mich auf das heutige Treffen«, lachte er und schon war die Leitung unterbrochen. Genau richtig, denn vor mir stand nun Burak, der mich verschlafen anblickte.
»Du bist genau rechtzeitig gekommen, um mit mir Frühstück vorzubereiten«, sagte ich und setzte ein leichtes Lächeln auf. Burak grinste und wollte die Küche betreten.
DU LIEST GERADE
Wiegenlied
Mystery / ThrillerAslı soll nicht in Schwierigkeiten geraten. Vor allem nicht mit der Polizei. Das erklärt ihre Tante ihr immer wieder aufs Neue. Als sie dann doch in welche gerät und vor einem Polizisten flieht, ist sie auf die Hilfe von Burak, der für sie nur ein...