Kapitel 15

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Wiegenlied
Kapitel 15

»So habe ich auch Burak kennengelernt«, erklärte sie, als wir in ihrem Wagen saßen. »Nachdem Mete weg war, hat er mich sehr unterstützt. Er weiß auch nicht, wo der Typ bleibt und hat auch keine einzige Nachricht bekommen. Den Job bei seinem Onkel hat mir Burak selbst angeboten. Ich weiß nicht, wie ich geendet hätte, hätte er mich nicht unterstützt.«

Wir entschieden uns für einen Comedy-Film im Kino. Ich schrieb Neslihan eine Nachricht und war dann eher still. Ecrin lachte nicht wirklich während des Filmes. Sie sah ihn sich nur konzentriert an.

Wenn ich ein Außenstehender wäre, hätte ich gedacht, sie ist humorlos und zu bescheuert. Wer musste sich denn schon für einen Comedy-Film konzentrieren?

Es gab ein Piepen und Ecrin reagierte schon sofort. Sie hatte eine Nachricht in ihrem Handy bekommen. Ich sah nur noch, wie sie die Stirn runzelte, dann sah ich weg. Ihre Privatsphäre.

»Burak fragt, wo ich bin«, flüsterte sie mir zu. »Er meint, es ist dringend. Ist das okay, wenn ich es ihm sage? Er kommt dann aber bestimt.«
Nein! »Kein Problem.«
»Danke.«

Sie tippte kurz, steckte ihr Handy weg. Der Film dauerte dann auch nicht mehr lange. Wir hatten noch etwas Popcorn übrig, welches ich in der Hand hielt. Als wir dann den Saal verließen, fröstelte ich etwas und verschränkte deshalb meine Arme.
»Hey Süße!«, kam es von hinten. Ich hatte Buraks Stimme erwartet, weil er ja kommen wollte, aber weder der Text noch sie Stimme passten zu Burak. Es war eher ein arroganter Mahmud.

Ignorieren. Ich war zwar nie sehr gut im Ignorieren gewesen, dennoch versuchte ich es und lief mir Ecrin aus dem Kino. Am besten keine Schlägerei. Das hieß auch keine Polizei.

Mahmud kam uns nur zu schnell vor und versperrte uns mit seinen zwei Helfern oder so was den Weg. Wir drehten uns einfach um und wollten weg, da standen die drei schon um uns herum.

»Hey, Babe, hast du mich vermisst?«, stank er nach Alkohol. Ich schubste ihn mit beiden Händen nach hinten. Dabei lachten seine Helfer.
»Von dir will ich doch nichts, du kannst gehen oder einer von meinen-«, redete er und ich spuckte ihm ins Gesicht. »Verpiss dich von hier oder du bereust es.«

In dem Moment tauchte Burak auf und schlug heftig mit seiner Faust gegen Mahmuds Gesicht. Die Schlägerei konnte ich nun auch nicht mehr aufhalten.

»Ich hab dir gesagt du sollst dich von ihr fernhalten!«, rief Burak und schon war er am angreifen. Mahmud schlug wild um sich und seine Helfer kamen ihm zur Hilfe. Drei gegen einen- ist das deren Männlichkeit?

Ohne nachzudenken drückte ich das Popcorn in Ecrins Hand. Es passierte so schnell, das Adrenalin pumpte in meine Adern, mein Herz schlug so wild. Ich packte den einen Typen an seinem Jackenkragen, so dass er nach hinten taumelte und schlug mit voller Wucht gegen sein Gesicht. Er fiel zu Boden, staunte wie ein Kind und ich schlug weiter auf ihn ein. »Ich überlass ihn dir«, zischte ich da zu Ecrin und schnappte mir den nächsten.

Wieso ich kämpfen konnte? Um Neslihan auszureden, dass ich sozialer werden musste, ging ich in mehrere Kampfvereine und zum Schwimmen. Das war auch eine gute Ablenkung von allem gewesen. Von allem, was ich vergessen wollte. So schlug ich in all meine Ängste, all meine Befürchtungen, all die Sorgen und fühlte mich befreit. Dasselbe Gefühl kam gerade hoch. Es war praktisch eine Euphorie, weshalb ich nicht einmal realisierte, ob das gerade alles real war oder vielleicht doch eher in meiner Fantasie.

Als nächstes rannten wir- alle drei. Die Typen waren eh nicht mehr in der Lage uns zu folgen. Dennoch rannte ich, als ging es um mein Leben. Weit entfernt stoppte ich und sah, wie die beiden auch gestoppt waren und Ecrin Burak auf eine Bank setzte. Burak sah wie gestört aus. Ja okay, er sah immer beschissen und gestört aus, aber im Moment blickte er sehr- sehr viel gestörter.

WiegenliedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt