Wiegenlied

Kapitel 45

Wiegenlied
Kapitel 45

Ich verschluckte mich, was mich zu einem Hustenanfall bringt, den ich versuchte zu unterdrücken und hastig, nach ein zwei Hustern an meinem Glas Wasser wie ein Kind nuckelte.
»Wie schön«, ignorierte Neslihan meinen Anfall. Was für eine wundervolle Tante. Ich sterbe hier und sie schwärmt für einen Ball.
»In meiner Jugend mussten wir uns mit Schulfesten zufrieden geben«, lachte sie weiter. Lach nur. Das zahl ich dir heim.
»Was für ein Ball ist das denn?«, wurde sie jetzt neugieriger. »Und wo findet das statt?«

Erst jetzt realisierte ich wieder, dass Burak gerade gefragt hatte, ob ich mit ihm dorthin gehe und das vor Neslihan!
»Es ist ein Maskenball, der in der Villa von Arda Karahan, dem Chef der Karahan Firma, stattfindet.«
Neslihan schien wie erstarrt zu sein. »Kommt man da nicht nur mit Einladung oder so?«
Ihre Neugier war gestorben, genauso wie ihre Freude.
»Nein, es soll offen für einen ganzen Bezirk sein.«
»Achso«, nuschelte sie nun. »Wann ist das denn?«
»Nächsten Samstag.«
»Oh«, brachte Neslihan hervor. »Scheiße, da haben wir schon etwas vor... Mal sehen, ob ich das verschieben kann oder zumindest Aslı raushalten kann.«
Sie lachte unbeschwert und Burak nickte verständnisvoll.

Nein, fragt mich nicht. Macht euch nicht die Mühe! Ist ja nicht so, dass ich dahin gehen soll. Beschließt danach auch noch meine Ehe mit einem Massenmörder und welches Kleid ich tragen soll. Dann wäre alles perfekt.
»Ich muss dann aber auch gehen«, sprach Burak höflich.
»Wir erwarten dich wieder. Unsere Tür ist immer für dich offen«, erwiderte Neslihan. Wenn Burak jetzt jeden Tag vor der Tür auftauchte, war sie schuld.
»Ich begleite dich bis zur Tür«, stand ich rasch auf und verließ mit Burak die Küche.
»Du kommst, oder?«, grinste er mich an.
»Wow, du denkt also doch noch daran, mich zu fragen.«
»Aslı«, schmunzelte er. »Du kommst?«
»Du hast Neslian gehört. Wir haben etwas vor.«
»Und was?«
»Ehepartner suchen, ich kann doch nicht mein Leben lang single bleiben«, verdrehte ich meine Augen.
Er lachte. »Du kommst.«
»Sei dir nicht so sicher.«
»Ich oder die Suche nach 'nem Lover?«
»Alles besser als mit dir.«

»Was habt ihr ehrlich vor?«, lachte er immer noch. »Neslihan packt das schon mit der Verschiebung. Sie kann einen total beeinflussen.«
»Ich will aber gar nicht dahin«, entgegnete ich ernst. Ich wollte da wirklich nicht hin. Nicht zu diesem Psychopathen Karahan. Mit der Sache wollte ich endlich durch sein. »Wieso willst du da eigentlich hin? Dieser Mann ist nicht okay im Kopf und du wahrscheinlich auch nicht, wenn du da ehrlich hinwillst! «
»Aslı, der Mann hatte nur eine schwierige Phase. Er tut mir leid und außerdem ist das alles-«
»Nicht deine Schuld!«
»Aber die von meinem Vater.«
»Was ist, wenn dein Vater überhaupt nicht schuld ist?«
»Du redest Unsinn. Weißt du, wenn dir Karahan Familie sterben würde, wollte Arda Karahan sein ganzes Besitz auf meinen Vater übertragen- alles. Das war sein Motiv.«

»Burak-«
»Aslı, nein. Ich will damit abschließen. Ich will nicht immer, wenn ich an Karahan denke, an meinen Vater denken oder sonst wen. Ich meine, Cesur meinte, Karahan würde mich selbst gerne dort sehen und er entschuldige sich für sein Verhalten. Er war anfangs ziemlich kalt zu mir und das verstehe ich zu hundert Prozent. Das soll eine Entschuldigung und eine neue Chance für uns beide sein, damit abzuschließen.«
»Ich weiß nicht.«
»Komm für mich. Lass mich da nicht allein.«
»Der Mann ist doch immer noch krank.«
»Du kennst ihn nicht. Er war nicht immer so. Früher war er anders. Ich weiß noch, wo er mich als Kind auf den Schoß genommen und Geschichten erzählt hat. Er war anders und wenn man so wenig von der Vergangenheit besitzt und so wenig übrig geblieben ist, wenigstens eine Sache noch behalten kann.«

Ich biss die Zähne fest zusammen, sodass mein Kiefer schmerzte. Kindheitserinnerungen durchfuhren mich. Ich blendete sie schnell aus und lächelte gequält. »Mal sehen, was Neslihan so machen kann.«
»Ich hoffe, du kommst«, sagte er ein letztes Mal und verschwand hinter der Tür. Ich wollte jetzt nicht mit Neslihan reden. Deshalb wartete ich einige Sekunden, bis ich mir dachte, dass er weg war und öffnete wieder die Tür. »Ich gehe zu Ecrin!«, gab ich Neslihan Bescheid und war dann bereits aus dem Haus.