Lukas
Mama hat mich darum gebeten Nina vom Training abzuholen, da sie einen Termin hat. Also schwinge ich mich aus dem Bett und gehe zum Kleiderschrank um mir eine Jogginghose und einen Kapputzenpullover anzuziehen.
Nach dem Training heute Mittag habe ich mich nochmal ins Bett geschmissen, weil ich so fertig war. Ich habe gerade mal eine Stunde geschlafen und dann kam der Weckruf meiner Mutter.
Was tut man nicht alles für seine jüngeren Geschwister. Dafür sollte ich was gut bei ihr haben. Sie macht Eiskunstlauf nur zum Spaß soweit ich weiß, wir versuchen sie zu ermutigen weiter zu machen und auf höheren Niveau zu laufen, aber sie lehnt ab. Sie sagte sowas wie, dass es ihr dann keinen Spaß mehr machen würde und dass ihr der Sport nur ein Ausgleich zur Schule war. Damit haben wir uns abgefunden. Wir drängen sie nicht. Sie soll das machen, was ihr wichtig ist. Ich freue mich dafür umso mehr, wenn sie immer bei meinen Spielen dabei ist und sich als mein Nummer 1. Fan allen vorstellt.Der Gedanke bringt mir ein Grinsen ins Gesicht. Damit schnappe ich mir meine Autoschlüssel im Flur und gehe zu meinem Auto. Ich weiß nicht wann genau Nina Schluss hat, aber sonst warte ich in der Halle auf sie.
An der Halle angekommen, gehe ich rein und sehe Nina in Richtung der Kabine und den Schließfächern laufen. „Bist du fertig?", frage ich sie. Sie dreht sich zu mir um und lächelt: „Nein, tut mir leid. Wir haben noch 1,5 Stunden Trockentraining, dann bin ich fertig. Tut mir leid, dass du jetzt so früh da bist. Du kannst auch nach Hause fahren und ich fahre dann mit Aria nach Hause." „Quatsch, ich warte schon auf dich. Dann kann ich mir mal euer Training anschauen. Dann sehe ich mal, wie es bei euch aussieht." Sie grinst mich nur an: „Es ist nichts spannendes, es ist nicht viel anders als euer Trockentraining. Bin der Halle könnte es vielleicht etwas interessanter sein. Da ist jetzt noch Eistraining." Damit geht sie zu ihren Spind, holt alles nötige raus und verschwindet in der Kabine.
Dann ist jetzt warten angesagt. Wie von ihr vorgeschlagen gehe ich in die Halle und stelle mich etwas abseits vom Eingang hin. Eine Läuferin ist noch auf dem Eis. An der Bande, ihre Trainerin. Beide habe ich schonmal irgendwo gesehen. Weiß gerade aber nicht woher. Wahrscheinlich sah ich sie schonmal bei einem Wettkampf von Nina. Die Läuferin läuft ein paar Runden um die Halle und lockert ihre Arme und Schultern. Sie bremst ab und Musik fängt an zu spielen. Das Programm fängt an. Ich schaue interessiert zu. Die Läuferin ist um Welten besser als Nina. Es soll nicht böse klingen, aber Nina ist für sie keine Konkurrenz. So anmutig habe ich noch nie jemanden laufen sehen. Sie läuft, als ob es das leichteste für sie auf der Welt ist.
Meine Augen wenden sich keine Sekunde von ihr ab. Bis zum Ende schaue ich zu. Dann ist die Musik fertig und sie läuft zu der Trainerin. Die Trainerin sagt was und zeigt auf die Stellen, wo sie gesprungen ist. Die Läuferin schaut ihr nach. Ein Handy klingelt, das von der Trainerin, so wie sie darauf schaut. Die wenden sich voneinander ab, doch die Trainerin sagt nicht etwas zu ihr und drückt ihr mit dem Zeigefinger und ernsten Gesicht etwas zu. Die Läuferin nickt und kommt auf den Ausgang zu. Ist sie jetzt schon fertig? Das Program sah von mir aus super aus, aber so schnell wird das Training wohl nicht vorbei sein.
Sie steht an der Bande, nur knapp vor mir. Und erst jetzt sehe ich wie wunderschön sie ist. Braunes Haar, dass in einem Zopf zusammengebunden ist. Ein unbeschreiblich, wunderschönes Gesicht. Ein Gesicht, von dem man nicht wegsehen möchte.
Sie nimmt einen Schluck Wasser und scheint damit zu Kämpfen, es nicht runterschlucken zu wollen. Sie schließt ihre Augen und hebt ihren Kopf.So wie ich hier stehe und sie beobachte könnte man denken, dass ich ihr stalker wäre. Und trotzdem sehe ich nur sie. Mich hat noch nie jemand in so einen Bann gezogen, wie sie es gerade tut. Dabei hat sie mich noch nicht einmal gesehen. Und doch, bin ich ihr bereits verfallen. Mich haben Mädchen nie wirklich interessiert, klar hier und da mal vielleicht für eine Nacht oder einen Moment, aber sie hat meine ganze Aufmerksamkeit. Ohne, dass sie es auch nur probiert.
Sie senkt ihren Kopf und spuckt das Wasser auf das Eis. Sie hebt ihren Kopf und sieht mich. Kurz treffen sich unsere Blicke und genau so schnell wie dieser Moment kam, ist er auch weg. Sie fährt davon.
Und nur in diesen einem Moment, hat sie bereits ein Kribbeln in mir ausgelöst.
In unseren kurzen Blickkontakt konnte ich so wenig rauslesen, dass ich schon fast traurig darüber bin.Die Trainerin schreit etwas unverständliches durch die Halle und ich sehe nur, wie die Läuferin immer wieder anläuft und zwei Sprünge immer und immer wieder nacheinander macht. Woher ich weiß, dass es zwei unterschiedliche Sprünge sind? Weil sie zwei verschiedene Schrittfolgen vor dem Sprung macht. Und sie läuft an und läuft an, ohne an etwas anderes zu denken. Selbst ein trainierter Eishockeyspieler wie ich hätte nicht so viel Ausdauer wie sie jetzt gerade.
Und so geht es weiter und immer weiter. Wie auf Dauerschleife, doch der Einzige Unterschied von mal zu mal ist, dass die Trainerin sie nur anschreit.Das ging eine ganze Stunde so, und kein einziges mal habe ich meinen Blick von ihr abgewannt. Bis ich Gelächter höre und meinen Blick von ihr abwende. Nina kommt mit ihren Freundinnen auf mich zu und grinst mich an. Dann schreit die Trainerin in unsere Richtung: „Klappe zu. Ihr stört. Nur weil ihr fertig seid, heißt es nicht, dass es auch andere sind". Jetzt ist es wieder ruhig in der Halle. Die Läuferin steht wieder und wartet, wahrscheinlich wieder auf die Musik.
Die Musik fängt an und auch die Läuferin fängt an. Ich lehne mich etwas runter zu Nina und frage sie: „Wer ist das? Sie kommt mir bekannt vor, aber ich weiß nicht woher." „Das ist Lina Koschenko. Die beste Läuferin. Sie läuft international und national. Und gesehen hast du sie vielleicht bei Werbungen für Sport supplements. Sie hat auch paar Verträge mit Sportmarken. Nike, Adidas, Puma, Under Amour. Sie hat alles. Oder du hast sie gesehen, als ich ihre Wertkämpfe auf unseren Fernseher geguckt habe.", ich nicke bloß auf ihre Antwort. „Sie ist eine ganz schöne Zicke wenn du mich fragst. Sie redet mit keinem und ist nur für sich.", sagte ein Mädchen neben Nina. „Sei leise Lera. Nur weil du nicht so gut bist wie sie ist es kein Grund sie schlecht zu stellen. trainiere doch einfach hart und du wärst an ihrer Stelle auf dem Eis. Und nein, sie ist nicht zickig. Ich habe mit ihr schon öfter mal gesprochen, sie ist tatsächlich ein Engel." Auf Ninas Antwort hin musste ich lächeln, ein Engel also. „Ach komm, sobald wir aus der Halle raus sind, wird sie auch fertig sein und davon düsen. Mehr Training als wir hat sie bestimmt nicht. Wir sind acht Stunden in der Woche auf dem Eis und immer nach dem Training haben wir Trockentraining. Sie tippt das bestimmt nicht. Ich sehe sie nur an den 4 Stunden Schritttraining und etwas danach. Also so viel mehr hat sie garnicht.", sagte Lera angepisst. „Da irrst du dich. Ich habe sie mal gefragt wie viel sie trainiert. Sie sagte 9 Stunden...", sie wird von Lera unterbrochen. „Siehst du, nicht mehr als wir!" „...am Tag. Sie trainiert 9 Stunden am Tag Lera und wir wissen nicht was sie noch zu Hause dafür tut." Jetzt bleibt mir die Luft weg. Ja, sie sieht trainiert aus, aber 9 Stunden am Tag trainieren wären selbst für mich zu viel. Ich bin heute nach 4 Stunden bereits zusammengeklappt. „Was macht sie bitte 9 Stunden?", frage ich Nina. „Sie war zwei Stunden mit uns auf dem Eis, dann hat sie noch 3 Stunden Privat. Vor und nach dem Eis hat sie noch Trockentraining. Dann hatte sie heute morgen noch Ballet 2 Stunden. Das sind aber nur die geplanten Trainingszeiten. Aber bei ihr wird immer überzogen. Gerade beim Ballet. Es steht zwar 2 Stunden im Plan, aber Petrova ist eine Hexe und überzieht gerne um 1 bis 2 Stunden. Genau das selbe mit dem Trockentraining. Katja hat kein Erbarmen.
Aber schaut euch das doch mal an. Kann von so einem Kurzprogramm nur träumen. Eine dreifach dreifach Kombination... Wow. Und soweit ich weiß, trainiert sie gerade den vierfachen Salchow."
Die Musik endet und wir starten noch immer auf das Eis und damit auf, wie ich gelernt habe, Lina. Die Mädchen klatschen und ich stimme mit einem Grinsen mit ein. Katja und Lina schauen zu uns, bis Katja wieder anfängt zu schreien: „Wofür klatscht ihr bitte? Es war miserabel. Alle Positionen in den Pirouetten waren eine halbe Umdrehung zu kurz. Den Lutz hat sie gerade so von der richtigen kannte gemacht. Für die Schrittpassage hätte sie maximal Level 3 bekommen, obwohl es auf Level 4 ausgelegt ist. Und beim Flip hat die linke Schulter stehen lassen."Es ist leise in der Halle, niemand sagen etwas. Katja schaut Lina an und Lina fährt wieder auf Position. „Ich glaube, dass das unser Zeichen ist zu gehen. Kommt es ist spät und ich bin zu müde um der wütenden Katja zuzuschauen", damit dreht sich Nina zu den Mädchen und gehen zu den Kabinen und damit zum Ausgang. Ich schaue noch einmal zu Lina. Ihre Körperhaltung zeigt, dass sie fällig am Ende ist. Und doch macht sie weiter.
Damit verließ auch ich die Halle und gehe in Richtung meines Autos, an dem Nina schon wartet.Einer Sache bin ich mit dennoch sicher. Lina will ich kennenlernen.
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Hell on ice
RomanceLina Koschenko ist 19 und Eiskunstläuferin seit dem sie denken kann. Nie gab es etwas anderes in ihrem Leben, sie kennt nichts anderes. Was einmal ihre Leidenschaft war, ist jetzt ihre persönliche Hölle. Trainer, Sponsoren und Eltern sehen nur ihren...