Hell on ice

43.

Lina

Als ich gerade auf die Tribünen gehen wollte, hörte ich wie mein Name gerufen wurde. Ich drehte mich um und sah Niko. Der Cousin von Just.
Ich kannte ihn schon von klein auf. Immer wenn ich bei Just ins Büro gestürmt bin, war er da und hat mit Just Trainingspläne besprochen. Wann Just ihm bei den Neulingen helfen könnte etc. Nach einiger Zeit war Niko derjenige, der mit Just mich nach einem schlechten Training aufmunterte. Sie brachten mich zum lachen. Ab und zu steckte mir Niko auch Süßigkeiten zu. Damals dachte ich, dass Just es nicht wusste, aber als ich älter wurde und auf Just Tisch schauen konnte, wusste ich, dass sie von Just waren. Just hatte immer ein paar Süßigkeiten im Büro und Niko nahm immer mal welche, um sie mir zu geben.
Nach einiger Zeit kam ich jedoch seltener zu Just, einfach, weil ich keine Zeit hatte und mein Tag durchplant war. Das waren immer anstrengende Tage an denen ich immer müde ins Bett fiel. Schließlich wurde ich erwachsen und es blieb dabei.

„Was verschafft mir die Ehre dich hier anzutreffen?", grinste ich Niko an und umarmte ihn zur Begrüßung. „Ich trainiere die Jungs. Und was machst du hier?", fragte er und schaute auf meine Krücken herunter. Anscheinend wusste er bereits was passiert ist. „Alte Gesichter besuchen?!", stellte ich eine Gegenfrage.
Gespielt empört guckte er mich an: „Willst du mir damit sagen, dass ich alt bin?"
Ich guckte nur mit den Schultern und lächelte unschuldig: „Wenn du dich angesprochen fühlst."
„Gut zu wissen, dass du deinen Humor nicht verloren hast, kleines.", sagte er und umarmte mich nochmal. „Komm mit zu mir rüber, die Jungs werden noch etwas brauchen. Dann können wir etwas Zeit nachholen.", damit ging er voran an die Bandenseite. Ich folgte ihm.
Er stellte sich aufs Eis und ich blieb mit den Krücken auf dem sicheren Boden. Und damit fielen wir ins Gespräch. Wir schwebten in Erinnerung und lachten. Er packte Geschichten aus, die ich teilweise schon vergessen hatte.
Irgendwann mal bemerkte ich die Jungs und beugte mich etwas zu Niko: „Die Jungs schauen uns wie kleine Minions an." Daraufhin drehte er sich um und lachte, bis er sie zu uns rief.

Nachdem Niko die Fragen der Jungs geklärt hatte und die weggescheucht hat, drehte er sich nochmals zu mir um. Doch ich schaute auf mein Handy und wählte Justs' Nummer. Als er ranging, nahm mir Niko mein Handy ab und schrie in den Hörer rein: „Beweg deinen faulen Hintern in meine Halle, Just!" Damit legte er auf und gab mir grinsend das Handy. „Du findest es wirklich lustig deinen Cousin zu ärgern, nicht?", lachte ich und steckte mein Handy weg. „Man ist nie zu alt dafür kleines.", lachte er. Er drehte sich zu den Jungs, die sich noch immer warm liefen, dann drehte er sich zu mir. „Behandelt er sich gut?", fragte er. Ich wusste wen er meinte. „Besser als ich es mir vorstellen kann.", antwortete ich und schaute meinem Freund beim laufen zu. „Gut, sonst hätte es etwas von mir zu hören bekommen.", sagte er, woraufhin ich ihn nur dankend anlächelte. „Übrigens, du wirst das Training mit mir machen. Kannst die eigentlich auch komplett übernehmen. Du hast mehr Ahnung von den Lauftechniken und es wäre nicht verkehrt, wenn sie sich mal daran setzten würden. Sie könnten damit schneller werden und besser in den Schuhen stehen.", erklärte er mir. Ich schaute zu den Jungs und Niko hatte recht. Laufen können die, ja. Aber teilweise sah es so aus, als ob sie noch kein Gefühl dafür hätten übers Eis zu laufen. „Vielleicht hast du recht.", sagte ich und drehte mich wieder zu Niko. Entsetzt schaute er mich an: „Willst du mir gerade sagen, dass ich ein schlechter Trainer bin?" Ich lachte und nickte. Er schnalzte mir daraufhin gegen die Stirn und ich lachte nur noch doller.

Niko pfiff in seine Pfeife und die Jungs kamen auf uns zu. Er setzte gerade dazu an etwas zu sagen, als wir von der Seite Nikos Namen rufen hörten. Wir alle drehten uns um und Just rannte auf uns zu.
Als er mich sah umarmte er mich und checkte mich einmal ab, wahrscheinlich dachte er, dass ich verletzt wäre. Das war irgendwie klar, Niko hat Just über mein Handy in die Halle zitiert.
Als Just sah, dass es mir gut ging, ging er um mich rum, um näher an Niko ranzukommen. Er gab ihm einen Schlag auf den Hinterkopf: „Weißt du, was für Sorgen ich mir gelacht habe. Du Idiot!" Und da hatte ich meine Antwort auf meine Vermutung.
„Wir reden gleich Just, du bist gleich fällig.", zischte Niko ihn an und drehte sich wieder zu den Jungs. „So, Lina macht mit euch heute Lauftraining.", sagte er nur. „Coach, aber wir können laufen.", das war Kians Stimme, das wusste ich mittlerweile. „Nein, das könnt ihr nicht.", antwortete er nur. Er gab mir die Pfeife und deutete Just an mit ihm an die Seite zu gehen.
Ich drehte mich wieder zu den Jungs, doch die schauten noch immer zu Niko. „Schläger weg.", sagte ich. Nun hatte ich deren Aufmerksamkeit. Die schauten mich jedoch mit fragenden Gesichtern an. „Schläger weglegen.", sagte ich. „Wozu?", fragte irgendjemand. „Macht!", fordere ich sie schreiend auf.
Sie schreckten zusammen und legten die Schläger beiseite. „Geht doch. Jetzt joggen. Auf dem Eis und 20 Runden. Los!", schrie ich die an und alle liefen los.

Ich wendete mich an Just und Niko und die grinsten mich an. Anscheinend hatte ich deren Aufmerksamkeit bekommen, als ich die Jungs angeschrien habe. Sie stellten sich wieder zu mir. „Ahh, der Standard.", grinste Just, „Erinnerst du dich noch an das Lauftraining bei euch? Ich weiß noch wie selbst du den Tränen nahe warst." „Erinnere mich bloß nicht daran. Ich dachte, dass ich gut wäre, aber nach dem Training habe ich schon daran gezweifelt, ob ich überhaupt richtig auf zwei Beinen stehe.", antwortet ich und lehnte mich etwas an die Bande. „Niko, wenn ich denen gleich die Aufgaben gebe, kannst du sie vorzeigen? Bei mir geht das ja schlecht. Obwohl, mit Krücken auf Schlittschuhen hätte auch was.", fragte ich und grinste zum Schluss. Schnell schritt Just ein: „Vergiss es, ich hole meine Schlittschuhe. Niko und ich helfen dir dann." Damit drehte er sich um und verschwand wieder. „Lass es ihn nicht hören, aber ich bin dankbar dafür, dass er aufs Eis kommt. Ich könnte das alles wahrscheinlich genau so wenig wie meine Jungs.", sagte Niko und schaute zu den Jungs. Ich unterdrückte mir ein Lachen und schaute wieder zu den Jungs. Die müssten jetzt bei der achten Runde sein. Leider sah es nicht so aus. Eher wie Lappen die das Eis polierten, da einer nach dem anderen immer wieder stolperte und hinfiel. Lukas lief gerade an mir vorbei. „Bei welche Runde seid ihr, Lukas?", rief ich ihm zu. „Vier.", rief er beim vorbeilaufen.
Ich seufzte auf, das wird noch eine Weile dauern. „Wie lange habt ihr hier das Eis?", fragte ich Niko. Er lachte und schaut mich an: „So schlimm?" Jetzt muss auch ich schmunzeln: „Du wirst mir später danken." „Ich weiß...", sagte er, wurde dann aber von Just unterbrochen der sich zu uns stellte. „Wie viele Runden haben die schon? Zehn?", fragte er. Jetzt muss ich lachen: „Wo ist Lukas?" Sie zeigten auf Lukas der wieder einmal an uns vorbeilief. „Jetzt sind die bei sechs. Lukas ist nach meiner Frage gerade das zweite mal an uns vorbeigelaufen.", sagte ich.
„Oh Gott.", war das letzte was Just sagte, bevor er auch loslief und die Jungs überholte, die auf dem Boden lagen.