41.

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Lina

Ich stand auf dem Eis. Katja schrie mich wieder an. Mein Blick war auf das Eis fixiert, solange ich ihr zuhörte. Sie schrie mich an und meine Gedanken waren woanders. Warum klappte es heute nicht.
Ja, meine Schultern sind verspannt. Ja, meine Füße taten weh. Ja, meine Prellungen schmerzten.
Aber das ist alles kein Grund, warum es heute nicht klappte.
Ich rede von dreifachen Axel. Ein Kantensprung. Wir trainieren ihn schon seit Monaten. Nachdem ich alle dreifachen stand, ging es weiter. Imme Rund immer weiter um die beste zu sein. Und das ging nur, mit schwereren Elementen.
„Du bist so unglaublich nutzlos. Ohne mich würdest du hier nicht stehen.", ich's Cajun zu ihr hoch und sah, dass sie mich bloß angewidert anschaute, „Du kannst glücklich sein, dass ich meine Zeit mit dir verschwende. Es ist nicht so schwer. Du machst es dir selbst schwer weil du so viel isst. Du hast zu viel auf den Hüften. Mit deinen 13 Jahren sind viele weiter als du." Lüge. Niemand war weiter. Es gab nicht viele 13- jährige die dreifache Sprünge Sprüngen. Und noch weniger die, die alle in höflicher Kombination standen. Doch ich stand alles. Ich trainierte. Ich stand jede Kombi.
Katja war nie eine wirklich gute Läuferin. Aber sie war fleißig. Trainierte viel um das zu bekommen was sie wollte. Aber ihren ersten dreifachen Sprung stand sie mit 16. ich habe alles über sie nachgelesen. Sie startete auch bei Meisterschaften. Aber stand nie auf dem Treppchen. Immer nur im vorderen Mittelfeld. Dreifach Axel ist sie nie gesprungen. Und vierfache auch nicht. Sie hat irgendwann einfach aufgegeben.
Ich bin besser als sie. Das wusste sie und ich. Aber es war kein Grund mich so fertig zu machen.

Ich schaute wieder aufs Eis. Würdigte ihr keinen Blick. Ich war erschöpft, absolut erledigt.
In meinem Blickfeld tauchten Schlittschuhe auf. Katjas. Sie stand nun direkt vor mir.
Sie drückte auf meinen Oberschenkel und ich zischte auf. Die Zerrung am Oberschenkel habe ich schon vergessen, doch dank ihr habe ich mich wieder daran erinnert.
„Dieses Bein. Dieses! Siehst du. Fühlst du es, wenn ich darauf drücke? Dieses! Das benutzt du um zu öffnen. Genau das Bein muss oben bleiben wenn du den Auslauf machst. Es soll nicht das Eis berühren. Dein Arsch erst recht nicht.", sagte sie und drückte jedes Mal auf meinen linken Oberschenkel. Den gezerrten Oberschenkel. „Mach jetzt! Und wehe du machst nicht das was ich sage du Kuh.", zischte sie.

Damit drehte ich mich um und lief an. Bereitete mich auf den Sprung vor.
Ich landete auf meiner linken Hüfte. Nicht im stehen, wie es sein sollte. Nein, ich bin gefallen.
Langsam quollen mir die Tränen in den Augen auf. Ich spürte es. Ich schüttelte meinen Kopf und schaute auf, bevor ich aufstand. Ich schaute mich um und sah nur Katja vom Eis gehen. Sie sagte irgendwas, Dich verstand ich nichts. Sie verließ die Halle.
Ich hatte es so satt von ihr immer fertig gemacht zu werden. Mich störte alles. Sie. Das Eis. Das Training. Die Beschimpfungen. Die Schule. Alles. Wie sollte ich meinen Lehrern erklären, dass ich wieder im Unterricht schlief. Wie soll ich den erklären, dass ich kaum schlafen. Wie?

Mich erfasste eine Wut. Eine Wut auf alles und alle. Und diese nutzte ich. Ich trainierte alleine weiter.
Ich wusste auch nicht wie lange ich trainierte, aber es waren vielleicht Minuten. Immer und immer wieder der gleiche Sprung.
Bis es zu viel war. Ich fiel wieder, aber diesmal schmerzhafter als davor. Ich landete irgendwie auf dem Bauch und um nicht auf den Kopf zu fallen hielt ich meinen Arm hin. Es knackte in der Schulter. Es zog. Es zog so schmerzhaft, dass ich liegen bleiben musste. Als ich mich irgendwie aufsetzte, spürte ich, dass der Arm nicht wirklich fest saß. Er war ausgekugelt. Jetzt konnte ich meine Trainer nicht mehr zurückhalten. Ich fing an zu weinen. Ich stand auf und versuchte meine Schulter wieder einzurenken.
Irgendwann mal klappte es und es knackte. Ich weiter vor Schmerz auf. Lauter. Schmerzerfüllter. Ich schrie schon fast.
„Lina!", jemand rief mich. Aber ich sah niemanden. Meine Tränen nahmen mir die Sicht.
„Lina.", wieder einmal eine Stimme, „Hey, alles gut." Die Stimme kam mir vertraut vor.

Ich sag immer weniger. Es wurde dunkler und dunkler. Ich hoffte einmal einzuschlafen und dass ich jeglichen Schmerz vergaß. Es sollte aufhören. Alles einfach aufhören. Ich schloss meine Augen und lehnte mich an etwas an. Ich atmete tief durch, dich die Tränen flossen.
„Ich bin hier. Hör auf zu weinen.", sagte diese so vertraute Stimme. Und ich hab nach, in der Versuchung einfach zu verschwinden.

„Hey, es wird alles gut.", hörte ich auf einmal diese Stimme wieder. Aber diesmal kannte ich sie. Ich konnte sie auch jemanden zuordnen. Lukas. Es war seine.
„Schhh, wach auf Baby. Ich bin's.", langsam nahm ich auch wieder etwas wahr. Ich lang in jemandes Armen. Ich öffnete die Augen und sah Lukas, der mich mich mit seinen Augen prüfte.
Ich atmete tief aus. Ich wusste nicht einmal, dass ich die Luft angehalten hatte. Ich blinzelte ein paar mal und schaute mich um. Ich lag auf dem Sofa und in Lukas armen. Wir waren bei Lukas. 
„Was war los?", fragte er mich, als ich mich wieder an ihn kuschelte und mein Gesicht in seiner Halsbeuge versteckte.
„Nichts.", sagte ich kaum hörbar und schloss meine Augen wieder. Ich nahm seinen Geruch war. Dem Geruch, nach dem ich so süchtig war. „Mhm, Geschichten kann ich auch erzählen. Weißt du, ich sollte dir vielleicht heute Abend eine erzählen, damit du besser schläfst.", sage er und zog mich zu sich ran.
Ich lachte auf. „Da ist es ja.", sagte er, woraufhin ich ihm fragend ins Gesicht schaute. Er lächelt mich an und legte eine Haarsträhne hinter mein Ohr: „Dein Lachen. Du hast im Schlaf geweint."
Also war es nur ein Traum, wohl eher eine Erinnerung. „Wovon hast du geträumt?", fragte Lukas, legte seine Hand an meine Wange und strich mir ein paar Tränen aus dem Gesicht. „Hatte nur von meinem Training mit Katja geträumt.", sagte ich und legte mich wieder hin. „Hmm, so schlimm?", fragte er leise. „Mhm.", antwortete ich. Ich wollt wohl das nicht erzählen, dafür war ich zu müde und zu erschöpft.
„Na komm, das Essen ist da und ich wollte dich eigentlich wecken.", sagte er und richtete sich langsam auf. „Nein, bitte. Ich will schaffen.", sagte ich und schloss meine Augen wieder.

Auf einmal wurde ich von Lukas hochgenommen: „Nichts da. Du wirst was essen. Das hatten wir schon mal. Du wirst mir hier nicht von Fleisch fallen."
„Lukas!", schrie ich ihn an, doch spürte bereits einen Stuhl unter mir. Er setzte mich am Tisch ab, bevor er sich neben mich setzte.
Die Jungs aßen schon und beachteten uns recht wenig.
„Hier.", Lukas schon mir das Essen, was er für mich bestellt hatte rüber geschoben. „Such dir was aus. Du musst nicht alles essen. Nur so viel du kannst, okay.", sagte Lukas und widmete sich seiner Pizza.
Also griff ich nach dem Salat und versuchte etwas zu essen. Nebenbei hörte ich den Jungs beim Gespräch zu. Sie redeten vom morgigen Training und lachten, als sie Geschichten von der Mannschaft erzählten. Dabei ging mit ein Gedanke nicht aus dem Kopf. Wie schnell sie mein Leben durch Lukas verändert hatte.

Hell on iceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt