Lukas
Wir sind gerade mit der Besprechung fertig geworden und haben noch etwas Zeit bevor wir zum Essen gehen. Die einzig logische Sache, die ich tun könnte ist beim Training von Lina vorbeizuschauen. Natürlich mit Josh, Elias und Mika im Schlepptau.
Nina hat heute auch wieder Training, für mich somit wieder ein Vorwand bei Linas Training zuzuschauen.
Ich komme mir wirklich wie ein Stalker vor. Aber das ist es mir wert.
Sie nur zu sehen, das reicht schon. Alle Gedanken und Sorgen um das am Wochenende kommende Spiel sind wie weggeblasen.
Auch nur zu wissen, dass sie zu der Zeit in der Halle nebenan Training haben wird, gibt mir genug Motivation um das Spiel für uns zu entscheiden.
Heimspiel, unser Vorteil, eventuell.Vielleicht schaffe ich es sie darum zu bitten auch zu kommen. Sie mit meiner Nummer auf dem Pulli zu sehen. Gott, das wäre das schönste.
Mit den Jungs im Schlepptau betreten wir die Halle und gehen zu den Tribünen. Heute sind zwei Trainer bei ihr. Eine auf dem Eis und eine hinter der Bande.
Heute springt sie auch nicht, oder nicht mehr. Man sieht sie nur die Pirouetten drehen. Das ihr dabei nicht schwindelig wird ist für mich ein Wunder. Eine nach der anderen. Und immer wieder wird sie von der Trainerin hinter der Bande unterbrochen. Von der Mitte aus läuft sie zu der Trainerin an der Bande. Die redet auf sie ein und man sieht nur ein nicken von Lina.Auf einmal kommt auch die andere Trainerin dazu. Beide halten Lina fest und die Trainerin auf dem Eis hält ihre Hand an der Bande. Die Trainerin hinter der Bande erklärt etwas, woraufhin Lina nach ihrem Bein greift und es hochzieht.
Mittlerweile sitze ich angespannt da, das muss doch wehtun.
Die Trainerin auf dem Eis hält Lina fest und sieht ihr oberes Bein noch näher an ihren Oberkörper.
Scharf ziehe ich die Luft ein, auch die Jungs sitzen angespannt neben mir. „Das muss doch höllisch wehtun!", sagt Elias aufgebracht. „Das glaube ich auch.", antworte ich mit etwas Wut in meiner Stimme.Lina läuft wieder an und macht die nächste Pirouette. Die Position, die sie eben bei ihren Trainern gemacht hat, diesmal in der Umdrehung. Wieder bricht sie ab. „Linachka, konzentrier dich. Sonst macht das hier keinen Sinn. Wenn du es nicht hinbekommst muss ich dich noch mehr dehnen." Das klang eher wie eine Drohung als eine Hilfe. Lina läuft wieder an und macht das selbe. Diesmal stürzt sie. „Oh Gott, geht es ihr gut?", fragt Josh. Langsam rappelt sich Lina auf und läuft nochmal an. „Anscheinend.", sage ich mit etwas Sorge. So geht das noch 20 Minuten lang. Dann meldet sich die Trainerin vom Eis zu Wort und laut genug, dass wir das mitbekommen: „Wir machen Schluss." , das hört sich doch nach einer Rettung an, „Mach dich darauf gefasst die Halle nicht vor Mitternacht verlassen zu können." Und da war die die Hoffnung wie weggeschmolzen.
Sie war doch schon gestern noch bis nach 24:00 in der Halle. Heute wieder?! „Die Trainer sind krank. Nichtmal unser Coach macht das.", sagt Elias. „Sie war schon gestern bis nach Mitternacht in der Halle. Sie hat mich dann heute um 5:30 morgens geantwortet. Wenn das etwas regelmäßiges ist... das ist nicht gesund.", sagte ich besorgt. „Ihr schreibt?", fragt Josh und schaut mich grinsend an. „Ist es das einzige was du rausgehört hast?", fragt Mika schnippisch. Josh zickt nur mit den Schultern. „Kommt, wir gehen essen. Wir haben gleich Training.", sagte ich bevor wir aufstanden und zum Ausgang gingen.
Wir liefen an den Kabinen und den Spinden vorbei, als ich Lina an ihren Spind weiter vorne sehe. „Hallöchen Prinzessin.", sagte Josh grinsend über das ganze Gesicht. Gott dieser Junge ist zu gut gelaunt. Sie dreht sich zu uns um und schaut uns erschöpft an: „Oh, hey Jungs. Was macht ihr hier?" „Wir haben Pause und vor dem Essen hatten wir noch etwas Zeit. Also dachten wir uns, dass wir mal schauen was unsere Prinzessin so treibt.", antwortete Elias. Nina nickt nur und ein leichtes Lächeln bildet sich in ihrem Gesicht. „Wie gehts dir?", fragt nun Mika etwas ernster und Linas Lächeln fällt von ihrem Gesicht. Ich könnte Mika gerade den Hals umdrehen. „Gut.", gab sie nur zurück. „Sicher? Was deine Trainer gerade gemacht haben sah nicht wirklich gesund aus.", gibt Mika von sich und verschränkt seine Arme vor der Brust. „Es ist nichts, was ich nicht schon kenne.", antworte sie und wendet sich von uns ab, um etwas aus ihrem Spind zu holen. „Ich würde mich ja noch liebend gerne mit dir unterhalten Prinzessin, aber ich habe Hunger und will noch was vor dem Training essen. Man sieht sich.", sagt Josh winkend und geht an ihr vorbei. „Ich gehe ihn mal nach, sonst legt er sich wieder mit Maria an.", damit verabschiedet sich auch Elias.
Mika und ich schauen uns an, solange Lina etwas aus ihrem Spind holt. Als sie alles gefunden hat, dreht sie sich wieder zu uns: „Ihr könnt ruhig gehen, ich will euch nicht aufhalten." Mika atmet hörbar aus und macht genau das, womit ich niemals gerechnet hätte. Er ist eher der Stille und zurückgezogene bei uns. Klar gibt es hier und da mal ein Kommentar von ihm, aber im allgemeinen ist er der am zurückhaltendste von uns.
Er zieht Lina in eine Umarmung. Sie ist überrascht, mindestens genau so doll wie ich. Doch trotzdem legt sie ihre Arme um ihn. Er flüstert ihr etwas zu, was ich nicht ganz verstehen kann und ließ sie dann wieder los. Er schaut sie noch einmal an, woraufhin sie zögerlich nickt.
Er nickt ihr zu und geht dann auch. Lina und ich schauen ihn verwundert hinterher.„Gehts dir wirklich gut?", frage ich und breche somit das Eis. Sie atmet hörbar aus: „Es wird schon. Ich bin trotz deines Kaffees müde. Übrigens, danke nochmal." Ich lächle sie an: „Habe ich gerne gemacht. Aber entspann dich lieber etwas. Du hast bestimmt bald wieder Training. Nina meinte, dass ihr zusammen Training habt. Und sie wird schon in 2 Stunden da sein." Sie nickt wissend: „Ich weiß, ich lege mich gleich in der Kabine etwas hin und versuche bisschen zu schlafen." „Und was ist mit essen?", ich schaue sie verdutzt an. Sie zickt nur mit ihren Schultern: „Mein Schlaf ist mir gerade wichtiger." Nun muss ich mit dem Kopf schütteln: „Was steht heute bei dir auf dem Plan?" sie schaut mich verwirrt an: „Wie du bereits gesagt hast, ich habe in 2 Stunden Training." Hetzt konnte ich mir kein Lachen verkneifen und sie schaut mich nur weiterhin verwirrt an. „Ich meine deinen Essensplan.", sagte ich als ich mich etwas beruhigt habe. „Das weiß ich nicht. Meinen Plan hat Maria.", antwortet sie. „Na gut. Leg dich dann mal etwas hin. Sonst bekommst du ja gar keinen Schlaf mehr.", sie nickt und winkt mir noch zum Abschied zu, bevor sie an mir vorbeigeht.
Damit ging ich in die Kantine und nahm mir was zu essen. Kurz bat ich noch Maria darum das Essen für Lina einzupacken, damit ich es ihr vorbeibringen kann. Erst schaute sie überrascht, doch als ich es ihr erklärte schlich sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. Sie strahlt wirklich eine mütterliche Wärme aus, wenn es um Lina geht. Zu allen anderen ist sie die strenge Kantinenmitarbeiterin.
Mit meinem Tablett in der Hand und Linas eingepackten essen setzte ich mich zu den Jungs. „Nimmst du was zum Essen mit?", fragte Elias als er Linas essen sieht. „Nop, das ist Linas. Sie hat sich hingelegt und wollte nicht zum Essen kommen.", antworte ich und fange an zu essen. Mika, der neben mir saß, schaut mich ruckartig und mit einem wütenden Gesicht an. „Was? Unsere Prinzessin wird nicht mit uns essen?", fragt Josh enttäuscht. Manchmal frage ich mich echt, ob er wirklich schon 22 ist. Sein Verhalten entspricht dem Verhalten eines Kleinkindes.
Auf seine Frage nicke ich bloß. „Was hat's du vorhin Lina eigentlich zugeflüstert?", fragte ich schließlich Mika. Ich kann nicht anders, als etwas eifersüchtig zu sein. Ich hatte Lina noch nicht umarmen dürfen. Ich war ihr noch nicht so nah, und doch hat es Mika vor mir geschafft. Mika wendet sich mir zu: „Entspann dich. Ich werde sie dir schon nicht ausspannen. Ich sagte nur, dass sie sich melden kann, wenn sie reden möchte." „Warum sollte sie sich bei dir melden?", fragte Josh mit vollem Mund. „Weil ich das Gefühl habe, als ob sie meine kleine Schwester ist.", er atmet hörbar aus, „Als ich heute auf dem Eis gesehen habe, konnte ich mir vorstellen unter welchem Druck sie steht. Bei meinen Eltern damals war es nicht anders. Also kann ich etwas nachvollziehen was bei ihr los ist, auch wenn es ein anderer Sport ist. Ich habe ihr nur ein offenes Ohr angeboten und damit sie auch nicht auf Falsche Gedanken kommt habe ich sie auch auf Russisch Schwesterchen genannt." „Du kannst Russisch?", fragt Elias. „Gott, ihr hört wirklich nur die Hälfte.", sagt Mika kopfschüttelnd. „Danke", brachte ich nur hervor. Ich kannte seine Geschichte. Seine ganze Geschichte. Ich, als einziger. Elias und Josh wussten nur Bruchteile.
Ich verstand seinen Standpunkt und bin auch etwas froh, dass Mika sie wie eine kleine Schwester sieht, auf die er aufpassen muss. Damit ist Lina nicht mehr alleine, sondern hat Mika und mich zu 100%, die hinter ihr stehen und sie unterstützen.Nach dem Essen ging ich noch schnell zu Lina um ihr das Essen zu bringen, doch als ich die Kabine öffnete schlief sie auf der Bank. Leise kramte ich einen Stift hervor und schrieb auf die Tüte, dass sie bitte noch etwas essen sollte und das Maria sie grüßt. Sie wünscht ihr viel Kraft für den restlichen Tag.
Damit unterschreibe ich noch mit meinem Namen und stelle das Essen neben ihrer Wasserflasche ab. Ich schaue sie noch einmal an und kann nicht in Worte fassen, wie perfekt sie aussieht. Zudem auch noch so ruhig und friedlich.
Ich wende meinen Blick von ihr ab und verließ die Kabine um schlussendlich zu meinen Training zu gehen.

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Hell on ice
RomantizmLina Koschenko ist 19 und Eiskunstläuferin seit dem sie denken kann. Nie gab es etwas anderes in ihrem Leben, sie kennt nichts anderes. Was einmal ihre Leidenschaft war, ist jetzt ihre persönliche Hölle. Trainer, Sponsoren und Eltern sehen nur ihren...