19.

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Lina

Mich morgens aus dem Bett zu quälen ist das schlimmste. Morgens war kein Training angesetzt, nur der Wettkampf und erst danach findet das Training ganz normal statt. Ich konnte heute ausnahmsweise mal ausschlafen. Trotzdem wäre ich lieber liegen geblieben als aufzustehen.

Nachdem ich mich fertig gemacht habe und meine Waage sagte, dass ich 48,5 kg wog, machte ich mich für den Wettkampf fertig.
Haare, Make- up und nur einfache Sportkleidung.
Als ich in die Küche ging, lief ich am Wohnzimmer vorbei und sah meine Eltern wieder auf dem Sofa liegen. Die bewegen sich eigentlich keinen Zentimeter, es sei denn, sie gehen Einkaufen, in ihr Zimmer zum schlafen oder in die Küche zum essen.
Ich beachtete sie nicht weiter und machte mir mein tägliches Frühstück, schnappte mir noch einen Apfel und ging zur Haustür um in das Zentrum zu fahren.

Dort angekommen waren die Parkplätze bereits voll, wahrscheinlich sind es alles Zuschauer zum Eishockeyspiel.
Ich ging in die Halle und setzte mich in eine Kabine um zu frühstücken. Ich könnte kurz zu Lukas, aber er ist wahrscheinlich mit seiner Mannschaft zusammen. Auf mehr Begegnungen habe ich gerade vor dem Wettkampf wenig Lust, weswegen ich ihm schrieb. Die hatten gerade Essenspause.
Ich schrieb mit ihm eine Weile, wünschte ihm Glück und als ich auf die Uhr sah, war es für mich an der Zeit mich aufzuwärmen.

Nach dem Aufwärmen ging es direkt ans umziehen. Das Kleid hat einen wunderschönen Verlauf aus grau ins babyrosa. Perfekt für das lange Program.
Ich zog meine Schlittschuhe an und ging wieder in die Halle, wo Katja wieder auf mich wartete.

Wieder 5 Minuten Einlaufszeit. Katja steht an der Bande und schaut zu. Hin und wieder schrie sie Korrekturen zu mir rüber, doch es störte mich. Katja ist so unnatürlich nett heute. Alle müssten eigentlich sehen, dass ihre Nettigkeit aufgesetzt ist.

Mein Program fing an, alles lief sauber. Jeder Sprung jede Pirouette. Ich gab mir auch nicht wirklich Mühe. Was ich mir aber selbst eingestehen musste, war, dass das ganze Training es einfacher machte Wettbewerbe zu laufen. Es lastet kein enormer Druck auf meinen Schultern. Ich wusste was ich kann und wie viel Kraft ich für etwas einsetzten musste.
Es kommt zur letzten Pirouette, die Bielmannkombination. Ich konnte sie blind. Ich war gerade dabei die Pirouette zu beenden. Beim runterlassen meines Beines schnitt ich, durch den scharfen Schliff, in meine Hand. Ruckartig ließ ich mein Bein unkontrolliert los, aus schock.
Das brachte mich dazu, dass ich einen recht unsicheren Auslauf hatte. Und doch konnte ich dennoch die Kür sauber beenden.

Als ich vom Eis ging, starrt Katja mich bereits an, wütend um genau zu sein. Das was ich in ihren Augen lese. Wir warteten nicht einmal auf die Rückmeldung der Preisrichter. Ich wurde in den Flur gezogen, wo niemand mehr war, da ich die letzte Läuferin des Wettkampfes war. „Kannst du dein Bein nicht mehr halten oder sind sie dir zu schwer?", zickte Katja mich an. Ich bin alles andere als schwer. Ich bin zu leicht.
Ich blieb leise. Als sie merkte, dass sie keine Antwort von mir bekam drehte sie sich um und ging. „In einer Stunde hast du Trockentraining!", schrie sie noch in den Flur, bevor sie diesen verließ.

Nach einer Stunde war ich in der Halle zum Trockentraining. Ich war darauf eingestellt wieder endlos lange zu laufen, doch hatte sie wieder andere Pläne. Sie legte eine Matte vor mir ab und deutete darauf. Ein stilles Kommando, dass ich mich da hinsetzten muss.
Sie fing an mich zu dehnen. Mit kalten Muskeln. Ich betete dafür, dass ich mich nicht verletzte. Aber diese Gebete wurden nicht erhört. Ich saß gerade im Männerspagat, als Katja sich auf meinen Rücken setzte und mich somit nach unten zwang. Eigentlich ist es kein Problem, dich unaufgewärmt ist es schmerzhaft.
Sie stand auf legte etwas hohe Blöcke unter meine Füße, für den Überspagat. Die Prozedur wieder hinter sie zwei mal. Mittlerweile zog es in meinen Beinen, es half auch nicht, dass Katja sich dazu entschieden hat sich wieder auf meinen Rücken zu setzten.
Es knackte. Meine Hüfte hat geknackt. Ich spürte den Schmerz und musste mir auf die Zunge beißen nicht hier und jetzt anzufangen zu weinen.

Als Katja sich von mir löste und das Training beendete, damit ich mich für das Eistraining fertig machen konnte, stand ich vorsichtig auf. Meine Hüfte schmerzte bei jeder Bewegung. Meine Musikern drum herum taten weh. Meine Hüfte bewegen, war vor Schmerz kaum möglich.
Irgendwie rappelte ich mich auf und schaffte es zum Spind. Direkt warf ich mit eine starke Schmerztablette ein und nahm die Salbe raus.

Nachdem ich die Hüfte eingecremt habe und die Schmerzmittel wirkten, ging es einigermaßen. Ich stand wieder auf dem Eis, leicht humpelnd, aber ich stand. Ich lief mich warm, damit heute nichts schlimmes mehr passiert und dann fing das Training auch schon an. Wieder ein Sprung nach dem anderen. Und gerade heute wollte Katja, dass ich den vierfachen Flip übe.

Zum geplanten Ende des Trainings war ich müde. Meine Schmerzen kamen wieder und es wurde stärker und stärker. Gerade der Flip machte die Schmerzen nicht aushaltbar. Mittlerweile fiel ich nur noch. Katja schrie immer mehr und mehr. Sie rief mich zu sich. „Was soll der Müll? Das ist ein Witz, DU bist ein Witz. Jeder könnte besser laufen als du. Du bist nur eine Spielfigur. Nur jemand den man angucken kann. Du selbst kannst nichts. Wäre ich nicht da, wärst du ein Niemand!", schrie sie mich an. Meine Schmerzen sind nicht aushaltbar und ich spüre wie sich Tränen in meinen Augen ansammeln und nur darauf warten freigelassen zu werden. „Wie du es hier hin geschafft hast ist ein Wunder. Sie dich doch mal an. Zu fett für den Sport. Zu hässlich zum zusehen. Nichtmal die simpelsten Sachen kannst du.", drückte sie noch nach. Damit war es um mich geschehen. Ich weinte. Ich weinte wie schon lange nicht mehr. Ich kann mich eigentlich nicht mal daran erinnern, wann ich das letzte mal weinte.

Ich wusste was mir alles wehtat. Nicht nur meine Hüfte tat weh. Durch die ganzen Stürze, tut auch mein Steißbein weh. Meine Ellenbogen sind Blutig, sich das auffangen der Stürze. Meine Hand mit der Schnittwunde brennt, wegen der Nassen Handschuhen. Meine Füße müssen bluten, da ich jede Blase am Fuß spüre.

„Auf dein Geheule habe ich keine Lust. Nochmal!", schrie sie wieder. Ich konnte nicht. Ich konnte mich nicht bewegen. Mein Körper hörte nicht auf meinen Kopf. Ich war wie in einer Starre, nur vor Schmerz.
Katja bemerkte auch dies und nahm mit einem festen Griff meine Hand. Ich wehrte mich nicht. Mein Körper reagierte noch immer nicht.

„Ich will dieses Kindergetue nicht sehen.", zischte Katja durch zusammengebissenen Zähnen. Mein Gesicht war nur Zentimeter von ihren entfernt. So wütend, wie sie gerade ist, hätte es mich nicht gewundert, wenn sie mir mehr antun wollen würde.

Hell on iceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt