13. Kapitel - Die Stadt

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Newts Sicht:

Zu dritt kletterten wir in den Tunnel und kurz fiel mein Blick noch einmal auf Rosaly. Sie stand da, sah uns zu, dann verschwanden wir in die Tiefe. Meine Hände hielten sich an der Leiter fest und meine rechte Hand fühlte sich seltsam an. Ich wusste nicht, warum, aber sie verkrampfte sich ohne Grund oder wurde taub.
Ich dachte mir nichts dabei, hätte sowieso keine Zeit gehabt, um darüber nachzudenken. Ebenfalls wollte ich die Wahrheit nicht wissen, nicht jetzt in diesem Moment.

Ich darf nicht vergessen, dass es hier um Minho geht, nur um ihn.

Zusammen stiegen wir in den Tunnel, anschließend kam ich als Letzter am Boden an. Wir befanden uns in der Kanalisation und nach oben in den Schacht sehend, erkannte ich die Gesichter von den anderen. Sie blickten in die Tiefe, aber Gally war nicht auf einen letzten Abschiedsblick aus. Er ging einfach weiter, machte eine Taschenlampe an. Ich musterte seinen Rücken, hatte immer noch nicht komplett begriffen, dass er wieder hier war.
Obwohl die letzte Zeit mit Gally auf der Lichtung kompliziert gewesen war, war er dennoch einer von uns gewesen. Ich erinnerte mich, wie er jeden Frischling begrüßt hatte, wie Rosaly ihn eine verpasst hatte. Eine Erinnerung, die mich zum Grinsen brachte, während ich Gally folgte.
Ich wollte jedoch nicht weiter über die Zeit auf der Lichtung nachdenken, denn sonst würden auch schlechte Erinnerungen hochkommen; nicht nur Liv hatte schlechte Erinnerungen in Bezug auf Gally, die hatten wir alle. Er hatte sich auf der Lichtung nicht gerade beliebt gemacht, obwohl seine Wutausbrüche interessant gewesen waren. Natürlich hatte ich in den Jahren auf der Lichtung Gallys normale Persönlichkeit ebenso kennengelernt, doch diese hatte man selten zu Gesicht bekommen.

Es schmerzt trotzdem, über die Lichtung nachzudenken...

"Boah, ist das ekelig", sagte ich, da ich meine Gedanken nicht aussprechen wollte. Wir waren indessen tiefer in den Tunnel gekommen und riechen tat es nicht berauschend. Ich hielt mir die Nase zu. Thomas vertrat meine Meinung.
"Gott...", stieß er aus, "ist echt toll hier."
Sarkasmus war aus Thomas' Stimme herauszuhören, aber Gally beachtete uns zwei nicht. Er ging voraus und sein grauer Kapuzenpullover war das Einzige, was ihn als Schatten abhob. Er wurde langsamer, betätigte links an der Wand einen Knopf. Darauf ertönte das Summen von einem startenden Generator und auf der Seite des Knopfes gingen Lichter an. Es war eine selbst gebaute Lichterkette aus Glühbirnen und der Tunnel erschien in einem warmen Licht vor uns.
Gally schenkte diesem Moment keine Aufmerksamkeit, sagte aber: "Bleibt bei mir, ist ein ziemlich weiter weg.", er sah nicht einmal zu uns nach hinten, sondern stampfte durchs Abwasser, das in der Mitte des Bodens floss. Wir folgten.

Der Weg verging in Schweigen. Gally hatte recht behalten, denn es wurde ein langer Weg. Ich wusste nicht, wie lange, doch da es Richtung Abend zugegangen war, als wir in den Tunnel gestiegen waren, schätzte ich, dass der Himmel bereits dunkel sein müsste. Sehen taten wir diesen nicht, noch nicht zumindest.
Nach einem langen Marsch kamen wir in eine Gegend des Tunnels, an der Leitern begannen, sich nach oben zu strecken. Die Lampen hatten wir hinter uns gelassen und Gally hatte seine Taschenlampe wieder angeknipst.
"So, wir befinden uns schon eine längere Zeit unter der Stadt", erklärte Gally, sein Blick ging zu den Leitern. Bei einer bestimmten blieb er stehen, dann gab er mir die Taschenlampe.
"Ich geh' voraus, ihr kommt nach, leuchte nach oben."
Ich nickte, dann sprang der Blondhaarige auf die Leiter, die ich beleuchtete. Thomas und ich wechselten einen Blick.
"Wie sehr können wir ihm vertrauen?", fragte der Junge neben mir leise, der Gally nachblickte. Thomas hatte schlechte Erinnerungen an Gally und auch mich bekümmerte der Tod von Chuck, denn dieser hätte nicht sterben müssen. Gally war jedoch dazu verurteilt gewesen, mit dem kleinen Jungen in den Tod zu gehen. Er hatte nur durch Glück und den Fakt, dass er immun war, überlebt. Für mich sollte er deswegen tot sein.

Bis zum letzen Atemzug | Newt Ff / Teil 3 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt