42. Kapitel - Kämpfe gegen die Schwärze an

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Livs Sicht:

Ich war eine Person von vielen Worten, aber jetzt konnte ich nichts sagen.
Die ganze Situation wirkte unwirklich, war sie auch. Ich wusste nicht, woran ich denken sollte, als wir uns mit dem Berk vom eingestürzten Tower Wickeds entfernten. Niemand kümmerte sich, sofort die Heckklappe zu schließen. Stattdessen wurden wir in die warmen Flammen der Explosion eingehüllt.
Es waren eine Unmenge an Sprengkörpern, die im Tower Wickeds ausgelöst wurden. Es hörte sich beinahe wie unendliches Donnern an. Ein Weltuntergang. Meine Ohren waren taub, sodass der letzte Knall nur mehr stumpf klang.
Das eingestürzte Gebäude riss den Tower mit sich und vergrub die ganze Welt unter sich. Zurück blieb Schutt und Asche. Es war ein absurdes Bild, das verschwand, als sich die Heckklappe schloss.

War's das...?

"Thomas?!", fluchte Minho und ich kehrte in die Realität zurück.
Im Berk herrschte Chaos, denn Thomas war bewusstlos. Der Gedanke, dass er nur aufgrund Teresa hier war, passte nicht in meinen Kopf hinein. In diesen passte jedoch auch nicht der Gedanke hinein, dass Rosaly nicht bei uns war. War sie tot? Sie und Sara?
Nein, nein...
Ich zwang mich, an etwas anderes zu denken, und kniete neben Thomas. Es war dunkel im Berk ohne geöffnete Heckklappe, doch es kam genug Feuerschein von der brennenden Stadt zu uns nach oben. Die Flugmaschine summte und entfernte sich immer weiter.
"Hilft mir, ihn dorthin zu legen", keuchte Gally, der zusammen mit Minho und Pfanne den bewusstlosen Thomas an den Rand legte. Vince war indessen aufgestanden und suchte gerade in einigen metallenen Schränken nach etwas. Von den Immunen hatten sich einige auf die eingelassenen Sitze im metallenen Berk gesetzt. Sie waren verschreckt, doch schienen erleichtert zu sein, Wicked entkommen zu sein, und beim Rechten Arm würden viele von ihnen mit ihren Freunden aus den anderen Labyrinthen wiedervereinigt werden.
Wir waren aber noch nicht beim Rechten Arm an der Küste. Wir flogen über eine brennende Stadt, die Wickeds Reich gewesen war. Ich sagte es gerne noch einmal, all das war unwirklich.
"Hier, drückt das gegen seine Wunde!", kommandierte Vince und kniete neben dem bewusstlosen Thomas. Minhos Hände waren voller Blut, als er den Verband nahm und weiter gegen Thomas Wunde drückte.
"Seht nach, ob es ein Durchschuss ist!"
"Nein, nein, kein Durchschuss, verdammt!", fluchte Minho, als sie sich weiter um Thomas kümmerten. Brenda neben Minho half, Thomas zurück auf seinen Rücken zu legen.
Ich fühlte mich unnütz, auch konnte ich nichts sagen. Es kam mir so vor, als würde sich die Welt in die falsche Richtung drehen.

Bin ich wirklich hier, fragte ich mich, oder habe ich mir einfach den Kopf gestoßen?

Hätte man mir in diesem Moment gesagt, dass ich immer noch auf der Lichtung und von einem Griewer gestochen wäre, hätte ich diesem jemanden sofort meinen Glauben geschenkt. Lag ich gegenwärtig in der Stadt und war angeschossen worden?
Nein, das hier war die Realität.
Eine Realität, in der ich neben Thomas hockte. Rechts neben mir eine schockierte Emilia, welche ich sofort an mich zog. Ich legte meinen rechten Arm um sie und zusammen starrten wir das Bild vor uns an, das für mich wie in Zeitlupe ablief. Erst in diesem Moment wurde mir bewusst, was heute alles passiert war.
Das hier war erst die zweite Nacht, seitdem wir vom Rechten Arm an der Küste aufgebrochen waren, um Minho zu retten. Jetzt hatten wir Minho, doch das Leben von Newt und Thomas hing am seidenen Faden. Rosaly war wahrscheinlich tot; niemand hätte die Explosion von beiden Hochhäusern überleben können.
Wir konnten nicht einmal wissen, ob Sara Rosaly überhaupt gefunden hatte. Die Frau hatte Thomas das Funkgerät von Vince gegeben, als sie zusammen in den Tower gegangen waren. Wenn sie Thomas mitgeteilt hätte, dass etwas nicht nach Plan verlaufen war, würden wir es erst wissen, wenn Thomas überlebte.

Ja, wenn...

"Ihr drückt jetzt so fest, wie ihr könnt!", wies Vince an.
Das gebräunte Gesicht vom Anführer des Rechten Arms war mit einer dünnen Schweißschicht überzogen. Seine blonden Haare befanden sich in einem Zopf in seinem Nacken, sein Bart wies einige weiße Haare auf. Vinces blaue Augen waren die von Rosaly. In diesem Moment waren sie weit geöffnet und starr.
Rosalys Vater hatte schon einmal geglaubt, seine Tochter verloren zu haben. Damals war die Aussicht auf eine Rückkehr von Rosaly unmöglich erschienen. Jetzt ebenfalls.
"Thomas!", Pfanne probierte noch einmal, den Bewusstlosen wachzubekommen.
"Es bringt nichts", meinte Gally und Pfanne hörte auf, Thomas gegen seine rechte Wange zu schlagen.
"Liv, sag' mir, dass ich träume...", murmelte Emilia neben mir.
Sofort hielt ich sie ein Stück stärker fest, flüsterte: "Du träumst gerade. Mach' deine Augen zu. Wenn du sie wieder öffnest, wirst du feststellen, dass es nur ein Traum war..."
Natürlich brachten meine Worte keinen Trost. Emilias Hände lagen weiterhin auf ihren Wangen, während sie zitternd neben mir hockte. Der Anblick vor unseren Nasen war auch schrecklich. Neben Pfanne, der neben Thomas' linken Seite hockte, lag noch ein bewusstloser Newt. Immer noch war sein Gesicht voll dunkler Adern.
"Mit dem Berk sind wir schnell an der Küste. Thomas muss bis dahin überleben", sprach Vince, doch ihn verließ seine Stimme, als er an Thomas' Hüfte das Funkgerät entdeckte, das Sara ihm gegeben hatte.
Vince nahm es Thomas ab, hielt es mit zitternden Händen fest. Er starrte es an und schien zu überlegen, ob er Sara anfunken sollte. Noch waren wir nahe genug an der Stadt. Außerhalb der Stadt würde man das andere Gerät nicht mehr erreichen können.
In diesem Moment sah man Vince seine Sorge zum ersten Mal an, auch wenn er sich immer noch gegen den Gedanken, seine Tochter wäre tot, sträubte. Jedoch, auf diesen Knopf zu drücken, würde bedeuten, sich damit zu befassen. Vince müsste den Gedanken zulassen, dass etwas mit Rosaly passiert war.
Schlussendlich stand Vince kopfschüttelnd auf. Er drückte den Knopf und fragte ins Gerät: "Hört wer?"
Nicht nur in Vince wuchs Anspannung; auch unter uns. Wir alle starrten Rosalys Vater an, der bewegungslos auf die geschlossenen Heckklappe starrte. Hinter dieser die Stadt, von der wir uns stetig entfernten.
"Sara, kannst du mich hören?"
Wieder keine Antwort.
"Das bringt nichts!", ging Vince in die Höhe. Angst und Verzweiflung sprachen aus ihm.
Unter uns wurde es bedrückend still. Das Summen des Berks wurde lauter, das Ruckeln spürte man deutlicher. Die Explosionen und Schüsse von unter uns in der Stadt hallten in der brennenden Nacht wider. Ich spürte den metallenen Boden des Berks in meine Knie drücken. Emilias Zittern war deutlich wahrzunehmen, und jeder meiner Atemzüge fühlte sich unwirklich an.
"Was jetzt?"
Eine Frage von Pfanne, die leer klang, doch sie bewirkte, dass Vince zu uns sah. Er umklammerte das Funkgerät stärker, sprach: "Wir fliegen zur Küste. Thomas wird behandelt, wir beobachten Newt, ob er sich in einen Crank verwandelt, dann geht's zum Sicheren Hafen. Morgen in der Früh machen wir uns für den Aufbruch über See fertig und übermorgen verlassen wir diese verkorkste Gegend."
Wir alle schienen an dasselbe zu denken, als Vince zu Ende gesprochen hatte.

Bis zum letzen Atemzug | Newt Ff / Teil 3 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt