32. Kapitel - Nacht und Chaos

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Ich verließ das Büro der Ärztin, doch ihre Worte schwirrten weiterhin in meinem Kopf umher. Als sie gesagt hatte, dass sie Wicked zwar nicht unterstützte, doch an die Wichtigkeit eines Heilmittels glaubte, sie alles dafür tun würde. Sie würde weiter Kinder opfern, solange ihr eigenes nicht unter ihnen wäre.
Die kleine Sally, ihre Tochter, lebte bis zum heutigen Tag beim Rechten Arm. Sie hatte sich gut eingelebt und Freunde gefunden. In all der Zeit hatte sie hin und wieder nach ihrer Mutter gefragt, doch nie hatte ich das Gefühl gehabt, als würde sie sie vermissen. Durch das Gespräch mit der Ärztin Melanie wusste ich endlich den Grund dafür; Sally hatte bei ihrer Großmutter gelebt und ihre Mutter hatte selten für sie Zeit gehabt.
Eigentlich würde mich das Schicksal von Sally und ihrer Mutter nicht interessieren, wenn es nicht unweigerlich mit dem meinen verflochten wäre. Aufgrund Melanies Hilferuf zum Rechten Arm war ich überhaupt erst gefangen genommen worden. Wicked hatte mich ins Labyrinth gesperrt und jetzt war ich hier, um sie umzubringen. Ich würde Böses aus der Welt entfernen, sodass neues folgen könnte.

Ein Teufelskreis...
Jedoch, jetzt war ich hier und an meiner Entscheidung, Paige das Leben zu nehmen, hatte sich nichts geändert.

Ich schlich durch das düstere Gebäude, während die Nacht mich mit ihrer undurchdringlichen Schwärze umhüllte. Die einzigen Lichtquellen waren das fahle Stadtlicht, das durch die Glasfassade des nächsten Ganges hereinfloss, und das diffuse Licht der Notausgangsschilder, die einen blassen Schein auf die kalten Flure warfen. Der Geruch von Nichts lag in der Luft, als ob die Schatten selbst für Wicked arbeiten würden. An Ava Paige Händen klebte viel Blut, doch sehen tat man dieses von außen nicht.
Meine Schritte waren leise, fast unhörbar. Meine Hände waren feucht vor Anspannung, und mein Herz raste wild in meiner Brust, während ich nach weiteren Soldaten Ausschau hielt. Ich war voller Wut und Verzweiflung, denn Ava Paige hatte mir und meinen Freunden unermessliches Leid zugefügt. Sie hatte uns geliebte Menschen genommen, meine Familie auseinandergerissen, Unschuldigen in den Abgrund gestürzt.
Ich hielt inne und atmete tief durch, während mein Verstand ein letztes Mal kämpfte. War ich wirklich dazu fähig, jemanden umzubringen, egal wie böse diese Person auch sein mochte?
Ja, ich hatte schon getötet.
Würde ich mich am Ende auf die gleiche Ebene wie Wicked begeben, indem ich Rache übte?
Auch ja.
Doch der Gedanke an all das Leid, das Paige mir, meinen Liebsten und vielen anderen angetan hatte, trieb mich weiter voran. Ich konnte nicht zulassen, dass sie ungestraft davonkäme.
Entschlossen setzte ich meinen Weg fort, das Ziel vor Augen. Ava Paige würde für all ihre Taten bezahlen, auch wenn ich nicht sicher war, ob es das Richtige war. Vielleicht würde ihr Tod nicht das Böse dieser Welt beseitigen, aber es würde zumindest ein kleines Stück Gerechtigkeit inmitten dieser Dunkelheit bringen.

Ich bewegte mich durch viele Gänge, doch als ich mich zu den oberen Büros bewegte, wo ich Paige finden sollte, machte ich Bekanntschaft mit dem Trubel, den die Jungs ausgelöst hatten.
Am Ende eines Ganges stehend und um die Ecke spähend, entdeckte ich eine Gruppe von Maskierten, die einen Gang entlangliefen. In meinem Bauch hauste Nervosität, als mir bewusst wurde, dass ich nicht weiter konnte, ohne mich selbst auszuliefern.
Mir wurde bewusst, dass noch mehr Chaos vonnöten wäre, um meinem Ziel näherzukommen. Aus diesem Grund führte mich mein Weg zurück den Gang und ich verschwand in einem leeren Büro.
Ich betrat dieses. Die Glasfront des Wolkenkratzers bot einen faszinierenden Ausblick auf die nächtliche Stadt, die in einem Meer aus funkelnden Lichtern versank. Die dunklen Silhouetten der Hochhäuser ragten in den Nachthimmel empor, doch im Inneren des Büros herrschte eine gespenstische Stille.
Mit langsamen Schritten schritt ich weiter ins Büro, meine Waffe immer noch in meiner rechten Hand. Die Dunkelheit verschluckte beinahe alles. Nur das fahle Licht der Stadt drang durch die Fenster und malte schwache Schatten an die Wände. Der Geruch von Papier und verblasstem Parfüm hing in der Luft. Es war ein eigentümlicher Duft, der mir nicht vertraut war. Ich hatte noch nie zuvor ein Büro betreten, auch hielt die Brandwüste nichts von lieblichen Körperdüften. Die dunklen Konturen von Schreibtischen und Stühlen zeichneten sich vor mir ab, aber alles wirkte seltsam erdrückend und unwirklich.
Ich schritt weiter durch den Raum. Die Klänge meiner Schritte hallten in der Stille wider und verstärkten das Gefühl der Einsamkeit, die mein heutiges Vorhaben mit sich brachte. Ich spürte eine gewisse Unruhe, als ob mich unsichtbare Augen beobachten würden. Ich hatte das Gefühl, dass die Dunkelheit und die Leere um mich herum eine eigene Seele besaßen.
Selbstverständlich war dem nicht so, weshalb ich im folgenden Augenblick meinen Kopf schüttelte und meinem eigentlichen Vorhaben nachging. Ich stand vorm Schreibtisch und nahm den Blick von der Stadt vor mir.
Meine Hände holten mein Tablet hervor, ich suchte mir den nächsten Sprengkörper aus. In der Zwischenzeit müsste nun auch Lawrence Gruppe für Unruhen sorgen, also machte ich Wicked ein weiteres Geschenk. Ich betätigte einen Knopf und abermals wurde das Gebäude von einem dumpfen Knall heimgesucht. Sofort folgte ein weiterer, der den Maskierten den Weg in den untersten Keller zu den Gastanks versperren würde.
Auf meinen Weg in die oberen Stockwerke hatte ich weitere Sprengkörper versteckt, weshalb ich es als eine gute Idee erachtete, im dritten Stock die Feuertreppe zu sprengen. Abermals knallte es, was mir Genugtuung brachte; Wicked sollte von Chaos überschwemmt werden.

Bis zum letzen Atemzug | Newt Ff / Teil 3 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt