10. Kapitel - Die Stadt und ihre Überraschungen

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"Der Tunnel, durch den ihr gefahren seid, war die letzte Sperre vor der Stadt", erklärte Jorge und der Jeep fuhr weiter. Der Schotterboden knirschte unter den Reifen und der Mann am Steuer sprach weiter: "Ich bin dafür, dass wir euren Freund retten, aber wenn der Tunnel bereits von Cranks überrannt ist, dann wird es die Stadt höchstwahrscheinlich auch sein. Vielleicht hat Wicked inzwischen ein neues Versteck und die Suche wird komplizierter."
"Oder sie haben eine andere Möglichkeit gefunden, die Cranks 'rauszuhalten", meinte Newt, der neben mir saß. Ich saß in der Mitte auf der Sitzbank, er links von mir. Rechts neben mir war Liv, die anderen drei auf der anderen Rückbank. Zwar mochte ich Newt wieder, doch immer noch war ich aufgewühlt.

Seine stetigen Berührungen mit seiner Schulter helfen nicht weiter!

Ich war genervt, dass mein Körper mit innerer Aufregung auf Newt reagierte. Um genau zu sein, benahm sich mein Körper bereits so, nachdem Newt und ich das erste Mal miteinander geschlafen hatte.
Ja, bezeichnet mich als schwach, aber ich war schließlich nur ein pubertierendes Mädchen.

Nein, Rosaly, du bist ein wütendes Mädchen und willst Minho retten, also reiß dich zusammen, entschloss die Stimme in meinem Kopf und ich gab ihr recht.
Gut gesprochen, Stimme.

Mit einem überzeugten Nicken, das den anderen meine geistige Instabilität offenbart hätte, kam ich zurück in die Gegenwart, in der niemand mitbekommen hatte, dass ich eine Diskussion mit der Rosaly in mir geführt hatte.
Ich sah mich um und Newts Worte über eine andere Möglichkeit ergaben keinen Sinn, ja, vorerst, denn plötzlich weiteten sich meine Augen. Ich konnte nicht glauben, was ich in der Weite sah, Jorge dem Anschein nach auch nicht. Schnell hielt er und mit den Berggipfeln rechts von uns, traten wir auf die Straße.
Unglaube war die beste Beschreibung der Emotion, die unsere Gruppe in diesem Moment befiel; es war kaum zu glauben. In der Ferne erhoben sich hohe Gebäude, die, anders als in den verlassenen Städten, noch ihre Glasfassade trugen. Es waren zu viele Gebäude, als dass ich sie hätte zählen können, und die Stadt erschien grau. Auch die riesige, nein, gigantische Mauer, die man um die Stadt herum gebaut hatte.

Das kann jetzt nicht wahr sein...

"Witzig...", murmelte Newt und Liv meinte: "Wir sehen eh alle gerade eine fette Stadt, oder? Ich bilde mir es nicht ein?"
"Nein, hermana...", murmelte Jorge eine Antwort. Der Mann mit der dunklen Haut und beginnenden grauen Haaren konnte seinen Augen keinen Glauben schenken.

Ist es wirklich echt, oder bloß eine Projektion von Wicked?
Vielleicht ja auch eine Fata Morgana?

"Drei Jahre waren wir hinter solchen Mauern, haben versucht, auszubrechen. Und jetzt wollen wir einbrechen. Es wirkt absurd", erhob Newt abermals seine Stimme und er hatte seine Arme in die Hüfte gestemmt. Seine Augen waren aufgrund der Sonne zusammengekniffen und sein blondes Haar schimmerte golden.
Seine braune Jacke, mit Felskragen, war offen und ich erkannte ein graues Shirt und einen ledernen Brustgürtel darunter, an welchem Newts Messer befestigt war. Newt trug eine graue Hose, mit einem braunen Gürtel um seine Hüfte, und passend dazu auf seinem linken Oberschenkel den Holster für seine Waffe.
"Ja, kaum zu fassen", gab Pfanne eine Bestätigung von sich.
Neben ihm stand Emilia, die sich das einzig Logische fragte: "Wie wollen wir da hinein?"
"Das ist die Preisfrage", Livs Blick fiel auf den Ältesten unter uns, "Jorge?"
"Oh, da fragst du den Falschen, wirklich. Diese Mauern sind mir neu, und das wird wohl Wickeds Antwort auf alles sein. Sie scheint sich ihren alten Ärzte-Hintern nicht ausgeruht zu haben."
Während dem Sprechen hatte sich Jorge seine ledernen Handschuhe ausgezogen und er schien immer noch nicht zu wissen, wie wir in diese verdammte Stadt kommen sollten. Ich wusste es selbst nicht einmal.
"Auf jeden Fall werden wir es nicht von hier oben herausfinden, also lasst uns weiterfahren!", Brenda sah uns bestimmt an und ging zurück zum Fahrzeug. Die anderen folgten und Thomas und ich waren die Letzten, die den Wagen erreichten.
"Hast du so 'was schon einmal gesehen?", fragte er mich, aber ich konnte nur mit meinem Kopf schütteln.
"Nein, das ist etwas Neues."
"Hm."
"Wir müssen nach Minho suchen", setzte ich fort, "jedoch, jemand anderes wird ebenfalls in dieser Stadt sein..."
Ich musste nicht erwähnen, von wem ich sprach, denn Thomas' Lippen wurden zu einer dünnen Linie. Still stand er einen Augenblick neben mir und ich musterte ihn. Die Sonne schien links in sein Gesicht, ließ sein Auge auf dieser Seite hellbraun wirken. Unter seiner braungrünen Jacke trug er sein blaugraues Shirt und allein Thomas' Gesichtsausdruck verriet mir, dass er an die richtige Person dachte: Teresa.
In meinem Inneren spürte ich Wut aufflammen. Seitdem uns Teresa verraten hatte, waren zwar schon Monate vergangen, doch ihren Verrat würde ich nie vergessen. Damals, als wir vor Wicked gekniet, sie sich als Verräterin zu erkennen gegeben hatte, hatte ich mir geschworen, dass ich Teresa umbringen würde, würde ich sie das nächste Mal sehen. Ihr Name stand neben Ava Paige und Janson auf meiner Liste. Michal hatte ich bereits von dieser Welt fortgeschafft. Inwiefern das für Teresas Überlebenschancen sprach, darüber sollte jeder selbst nachdenken.
"Ich weiß...", erwiderte Thomas flüsternd, anschließend stiegen wir zusammen ins Fahrzeug.

Bis zum letzen Atemzug | Newt Ff / Teil 3 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt