17. Kapitel - Was war denn schon richtig?

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Newts Sicht:

Am nächsten Tag erwachte ich früher als sonst. Im Raum, den wir zugeteilt bekommen hatten, schliefen alle anderen noch. Auch schien die Sonne erst aufzugehen, doch ich bekam kein Auge mehr zu. Ich richtete mich auf, streckte mich. Ein Gähnen öffnete meinen Mund und während ich mir durchs Gesicht rieb, stand ich langsam auf.
Im Stehen streckte ich mich noch einmal. Mein Rücken schmerzte, denn von Lawrence hatten wir dünne Matten und eine Liege bekommen. Mehr hatte er nicht auftreiben können, doch ich war bereits dankbar, dass wir überhaupt etwas bekommen hatten. Die Liege hatte Jorge für sich beansprucht und es mit seinem Alter argumentiert; sonst würde er Rückenschmerzen bekommen. War ja nicht so, als würden wir anderen keinen steifen Rücken bekommen, doch bei unserem Alter würden die Schmerzen nur wenige Stunden anhalten, und einen humpelten Jorge konnten wir nicht gebrauchen.

Heute wollen wir Minho retten, wenn alles nach Plan läuft. Besser gesagt, wenn wir einen Plan überhaupt auf die Beine stellen können.

Mit diesen Gedanken ließ ich meinen Blick durch den Raum gleiten. Langsam wurde es wärmer, wenn die dicken Wände auch tagsüber die Hitze davon abhielten, in den Raum zu strömen. Warm wurde es trotzdem.
Ein interessantes Konzept, denn die Brandwüste war in der Nacht eine Eiswüste und am Tag wurde sie ihrem Namen gerecht. Rosaly hatte mir zwar erzählt, dass es noch andere Gegenden gab, in denen es auch kälter war, doch viel hatte ich mir darunter nicht vorstellen können. An den Polen unserer Erde sollte es noch Eis und Schnee geben, wenn auch weniger als vor dem Sonnensturm. Eine absurde Vorstellung, sowie, dass die ganze Welt zerstört sein sollte.
Oftmals fragte ich mich, ob in anderen Ländern die Menschen ebenfalls wie wir lebten, ob es dort auch eine Organisation wie Wicked gab, oder ob die Menschen auf sich gestellt waren. Verhielten sich die Cranks an allen Orten gleich? Breitete sich das Virus anders aus, mutiert es?

Keine Ahnung.

Es waren Fragen, zu denen vielleicht nicht einmal Wicked selbst die Antworten hatte, also verabschiedete ich sie aus meinem Kopf. Stattdessen blickte ich zu Rosaly.
Links neben mir schlief sie, friedlich. Ihr Gesicht war nur ganz leicht zu sehen; sie hatte sich eine Decke bis zu ihrer Nase gezogen und ich konnte nicht verhindern, dass mir warm ums Herz wurde, wenn ich sie ansah. Schon seit der Lichtung, gleich als ich sie bei ihrer Ankunft umgerannt hatte, hatte sie mir gefallen. Es war Rosalys Ausstrahlung, die sie für mich interessant gemacht hatte; sie war ehrlich. Nie war es mir so vorgekommen, als würde sie nicht sie selbst sein. Klar, sie hatte uns allen verschwiegen, dass sie sich erinnern konnte, doch könnte ich sie deswegen verurteilen?

Nein, ich verschweige ihr ebenso etwas...

Gerade, als meine Gedanken auf dieses Thema kamen, spürte ich abermals ein Ziehen in meiner rechten Hand. Sie ballte sich zu einer Faust und ich sah dabei zu, wie sie sich verkrampfte. Das Gefühl entsprang meiner Armbeuge und Unterarm. Mit meiner linken Hand umschloss ich die Stelle.
In diesem Augenblick ging das Gefühl der Erkenntnis durch meinen Körper, hinterließ eine kalte Spur der Angst. Darauf verließ ich den Raum, denn ich musste allein sein. Ich glaubte, das Geheimnis meines Zustands gelüftet zu haben, und wenn ich die Wahrheit herausfinden würde, wollte ich allein sein.
Mein Weg führte mich wieder aufs Dach und als die Tür hinter mir zufiel, fuhr ich mir durch mein Gesicht. Mein Herz schlug schneller und ich entschied, mir meinen Arm anzusehen. Ich krempelte den Ärmel meiner Jacke und das darunterliegende rote Hemd nach oben, und obwohl ich es in meinem Inneren gewusst hatte, blieb mein Herz trotzdem stehen. Ich musterte die dunklen Adern und Venen, die sich auf meiner Armbeuge befanden, gestern noch nicht dagewesen waren. Virusartig breiteten sie sich aus, wie ein Monster unter meiner Haut.
Als ich meine Hand zu einer Faust ballte, zogen sich die Gefäße zusammen. Meine Hand krampfte wieder und ich verstand. Ich verstand, dass ich mich mit dem Brand infiziert hatte...

Bis zum letzen Atemzug | Newt Ff / Teil 3 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt