46. Kapitel - Die Hoffnung stirbt zuletzt

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Rosalys Sicht:

Als ich das Meer in der Abendsonne schimmern sah, wusste ich nicht, wie ich mich fühlen sollte. Sara fuhr den Weg zum alten Hafen und sie wirkte erleichtert, auch glücklich. Ich fühlte nichts von dem, doch immerhin spürte ich etwas. Angst, wenn ich an Newt dachte und daran, ob es den anderen gutging. Hatte es Thomas aus dem Tower geschafft und waren sie gut zum Hafen gekommen? Ging es Liv gut, von der ich am längsten nichts mehr gehört hatte? Was war mit Minho? Hatte Wicked ihn innerlich zerstört?
Ich wusste, was es bedeutete, einige Monate in Wickeds Fängen zu verbringen. Mich hatte man für Informationen gefoltert. An Minho und den anderen Immunen waren Experimente durchgeführt worden. Eine andere Art der Folter.
Ich hoffte, dass meine Freunde wohlauf waren, es für Newt noch nicht zu spät war. Immerhin müsste ich ihm noch vorhalten, dass er mir etwas vorgespielt hatte. Zwar könnte ich auf Newt nie wütend sein, doch an irgendwem müsste ich meine Gefühle auslassen.
Newt hatte die letzten Monate gewollt, dass ich mit ihm über meine Gefühle spräche, also müsste er ertragen, von mir als Strunk bezeichnet zu werden.

Wenn ich es denn tun kann...

Mit jedem Meter, den das Auto zurücklegte, stieg meine Angst. Mir wurde übel und ich sehnte mich nach der Taubheit, die ich bis vor kurzem gespürt hatte. Jetzt fühlte sich mein Körper nur träge an, träge vor Angst. Am liebsten wäre ich so schwer, um das Auto zu einem Stillstand zu zwingen. Ich könnte mich in irgendeinem Gebüsch verkriechen. Ich müsste mich nicht mit all den Möglichkeiten auseinandersetzen, in denen ich verletzt werden würde.
Da das Leben kein Wunschkonzert war, ich nicht einmal am Steuer saß, rollte das Auto weiter. Beide Fenster waren offen und ließen angenehmen Fahrtwind ins Auto. Die Luft schmeckte salzig. Ein vertrauter Geruch, der in den letzten Monaten Heimat symbolisiert hatte, und er würde es auch in Zukunft tun.
Bald wäre es vorbei mit der Brandwüste; wir würden zum Sicheren Hafen segeln. Eine Inselkette, die mein Vater mit seinen Vertrauten schon lange im Blick hatte. Sie befand sich im Pazifik und wurde bereits einmal vom Rechten Arm ausgekundschaftet. Auf der Insel gab es Süßwasser, einen großen Wald und selbst eine kleine Bergkette. Der Boden war fruchtbar, man hatte das Festland im Blick und es gab keine Cranks.

Ein Zufluchtsort.

Mein Blick fiel noch einmal zu Sara. Die braunen Haare der Frau wehten im Fahrtwind, doch sie befanden sich wieder in einem Zopf. Sara hatte im Kofferraum des Autos Kabelbinder gefunden, die für sie ausreichend gewesen waren. Auch hatte sie einen hässlichen grünen Fischerhut gefunden, mit vielen Ansteckern und Fischköder. Sara hatte ihn sich auf den Kopf gesetzt und gemeint, dass sie ihn fortan immer tragen würde. Passend, weil sie im Sicheren Hafen jeden Tag fischen wollte.
Mit diesen Worten hatte sie es zumindest geschafft, mir ein kleines Lächeln ins Gesicht zu zaubern; der Hut sah mehr als dämlich aus. Er war potthässlich. Gleichzeitig passte er nicht zu Sara, die eine Soldatin war. Mit etwas Glück müssten wir jedoch die nächsten Jahre nicht mehr kämpfen müssen. Ein seltsamer Gedanke.
Seltsam war auch das Gefühl, als wir in den Hafen fuhren. Unser Näherkommen war bereits von einigen Wachtposten bemerkt worden, die das ganze Camp alarmierten. Zu sagen, dass es eine Selbstverständlichkeit war, dass Sara und ich unversehrt zurückkamen, war falsch. Nie war es eine Selbstverständlichkeit, denn wir lebten in einer Welt, in der man jeden Tag sterben könnte.
Ich sah viele bekannte Gesichter, als Sara ins Camp fuhr. Die Mitglieder des Rechten Arms wirkten ausgeglichen. Etwas, das ich lange nicht mehr gesehen hatte, doch die Zerstörung Wickeds und die Aussicht auf den Sicheren Hafen stimmte viele glücklich. Zusätzlich waren Sara und ich zurück. Eine Sorge weniger, denn ich wollte mir nicht vorstellen, wie die Nacht für meinen Vater und Freunde gewesen war. Immerhin hatten sie zuletzt Wickeds Tower einstürzen sehen.
"Geschafft", seufzte Sara erschöpft, als wir neben dem Eingang zu einem Stillstand kamen. In der Ferne schimmerte das Meer in der Abendsonne, das vielen verrosteten Schiffswracks ein Zuhause schenkte. In der Ferne im offenen Meer befand sich das große Schiff, mit dem wir in den Sicheren Hafen fahren wollten.
Sara und ich standen dort, wo wir die letzten Monate die Jeeps für den Zug-Überfall verstärkt hatten. Die grauen Hafengebäude hatten sich nicht verändert, auch nicht die ausgebleichten Sonnentücher, die im Wind des Abends flatterten.
Ich nickte auf Saras Worte nur knapp. Während die Frau ausstieg, atmete ich noch einmal durch. Ich fühlte mich müde, hatte Angst und Schmerzen. Die Tabletten verloren langsam ihre Wirkung. Aus diesem Grund öffnete ich die Autotür mit der linken Hand.

Bis zum letzen Atemzug | Newt Ff / Teil 3 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt