Bis zum letzen Atemzug | Newt Ff / Teil 3 ✔

27. Kapitel - Das Spiel um Leben und Tod

"Sprich!", forderte mich Liv auf und war an mich herangetreten. Wir standen im kargen Treppenhaus, ich hatte mich von der Gruppe abgewandt. Bei jedem Atemzug rasselte meine Lunge leicht, zusätzlich lag ein grässlicher Druck auf ihr. Es fühlte sich so an, als würde eine große Hand meinen Oberkörper zusammendrücken.
Ich blinzelte gegen die schwarzen Flecken vor meinen Augen an, weil ich durch den Husten zu wenig Luft bekam. Sie verschwanden langsam und ich fasste mich ein wenig.
"Was?", stellte ich mich auf dumm, atmete versucht ruhiger. Ein weiterer Hustenreiz wollte sich formen, doch ich unterdrückte ihn.
Ich blickte Liv entgegen, die fast so groß wie ich war, deswegen perfekt in meine schuldigen Augen blicken konnte. Die Schwarzhaarige hatte ihre Arme vor ihrer Brust verschränkt, im Hintergrund hörte ich das Werken von Gally. Teresa neben ihm spähte neugierig zu uns herüber, aber Livs Worte bekamen meine Aufmerksamkeit: "Tu' nicht so!", hisste sie, "Mir fällt es schon die letzte Zeit auf. Du bist anders, schaust müde aus, krank... Auf dem Weg in die Stadt, aber auch schon seit heute in der Früh."
Ihr letztes Wort ließ mein Herz schneller sagen; ich wollte es auf alle Fälle vermeiden, den anderen von meiner Infektion mit dem Brand zu erzählen. Eine Infektion, von der ich heute erst erfahren hatte.

Die Schwere dieses Geheimnisses ist dermaßen erdrückend, dass ich mich so fühle, als hätte ich meine Freunde über Monate hinweg schon angelogen.

Ich erinnerte mich wieder daran, dass ich ein schlechter Lügner war, grottenschlecht. Liv wusste das, alle wussten es.
Während der Blick des Mädchens vor mir also deutlich intensiver wurde, bekam Gally den Sicherheitskasten auf. Thomas kam von unten herauf und fragte Pfanne über Funk: "Hallo, wir sind drin'. Wie läuft's bei euch, Pfanne?"
Dieser sprach eine Antwort ins Funkgerät, doch ich hörte sie nicht, denn Liv wedelte mit ihrer Hand vor meinem Gesicht. Im Hintergrund trat Thomas an Gally heran, der meinte: "Das funktioniert", sagte er, als Thomas Brenda und Rosaly anfunkte.
"Brenda, wie ist euer Status?"
"Der Status ist, wir arbeiten daran", ertönte, die Antwort. Mein Blick war starr auf Thomas gerichtet. Dieser sprach mit Brenda, die zu diesem Zeitpunkt mit Rosaly unterwegs sein müsste. Nur der Gedanke an sie ließ mein Herz schwer werden. Ich fühlte mich scheiße, dass ich ihr nichts erzählt hatte, doch sie war schon genug mental aufgekratzt. Da müsste ich ihr nicht noch erzählen, dass ich vielleicht am Brand sterben, ein Crank werden würde.
"Verstanden. Sorgt dafür, dass ihr bereit seid."
"Keine Sorge, du weißt, dass wir da sein werden."
Nachdem Brendas Worte verhallt waren, hisste Liv mich abermals an: "Ich wiederhole mich: Was ist? Sprich!", forderte sie mich auf, gab mir einen Stoß gegen meine Brust, "Und lüg' mich verdammt noch 'mal nicht an!"
"Es ist nichts!", gab ich zurück, rieb die Stelle auf meiner Brust, die sie geschlagen hatte. Ich überlegte angestrengt, was ich Liv erzählen sollte, denn sie wusste bereits, dass ich log. Ich müsste mir also schnellstmöglich eine graue Lüge überlegen.
Zu meinem Leidwesen kam ich nicht dazu, denn im nächsten Augenblick erklangen Worte von Gally, die mein Herz zu einem Stillstand zwangen: "Genau, es ist nichts. Newt hat sich nur mit dem Brand infiziert, kein großes Ding."
Nach seinen Worten schnellte nicht nur mein Kopf zu Gally. Liv und Teresa blickten ebenfalls zum Jungen, der Wickeds System haken würde, sodass Lawrence Gruppe Zugriff bekommen würde. Jedoch, auch Rosaly würde Zugriff bekommen.

Ich habe mich verhört, oder?!
Nein, das hatte ich nicht, ganz und gar nicht...

"Was?!", fragte Liv schockiert und ich blickte zu Thomas, der sein Gespräch mit Brenda beendet hatte. Zum Glück blieb Teresa still, sodass ich Thomas' vorwurfsvoll ansehen konnte.
"Ich hab's zumindest einem erzählen müssen. Während wir Minho holen, kümmern wir uns um ein Serum. So wie ich auch Lawrence Zeit versprochen habe. Ich werde nicht zulassen, dass du draufgehst, Newt", erklärte Thomas sein Handeln.
Meine Lippen wurden zu einer dünnen Linie, während Livs Gesicht einschlief. Sie musterte Thomas eingehend, dann Gally und zu guter Letzt mich.
"Hat er recht?"
Ich nickte widerwillig.
"Du bescheuerter Strunk!", ging Liv mich im nächsten Atemzug an, wenn auch leise, da wir nicht laut sein dürften, "Ich würde dich am liebsten umbringen!"
"Au!", beschwerte ich mich, als ich einen Schlag auf meinen Kopf bekam, doch ich wusste, dass Liv Sorge als Wut auslebte.
"Du elendiger Neppdepp! Warum bist du überhaupt hier? Meiner Meinung nach hätte dich Rosaly mit Jorge zum Rechten Arm bringen müssen!", hisste sie mich an, als ihr etwas einfiel, denn sie fragte vorwurfsvoll: "Du hast es Rosaly nicht erzählt, oder?"
Ertappt blickte ich ihr entgegen, während sich Liv durch ihr Gesicht fuhr. Meine Aufregung legte sich etwas, denn jetzt könnte ich nichts mehr daran ändern. Thomas, aber auch Liv hatten recht; ich hätte es den anderen erzählen sollen, vor allem Rosaly, die mich zweifelsohne mit Jorge zum Rechten Arm entsendet hätte. Nun, zumindest hätte ich in diesem Szenario überlebt, denn jetzt hing unser aller Überleben am seidenen Faden.
"Seit wann?"
"Ich beschuldige den Crank-Tunnel", antwortete ich Liv, doch sie meinte: "Du bist nicht gebissen und gekratzt worden."
"Der Brand kann sich auch über die Luft verbreiten, vor allem in Gegenden, die schlecht belüftet sind", erklärte Teresa neben Gally kleinlaut. Sie stand an der Wand gelehnt, während Gally angefressen erwiderte: "Niemand hat dich nach deiner Meinung gefragt, geschweige denn zum Sprechen aufgefordert."
"Aber ich kann helfen!"
"Thomas und ich haben einen eigenen Plan, danke, aber nein danke, kleine Teresa", spottete Gally und klebte eine metallene Box in den Sicherheitskasten. Er schloss die Tür, dann funkte Thomas Lawrence an, der ihm sagte, dass sie im System waren. Teresa wollte noch einmal etwas erwidern, wurde abermals unterbrochen und Liv sah mich kopfschüttelnd an.