49. Kapitel - Der Tod

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Nach der Ansprache meines Vaters wurde gefeiert. Mit Thomas' Erwachen konnte ich sogar so etwas wie Freude empfinden und schloss mich meinen Freunden an, als wir zum Stein schritten. Zusammen meißelten wir einige Namen von denen ein, die wir verloren hatten.

Alby, Zart, Winston, Ben, Chuck...

Die anderen Immunen taten es uns nach, denn auch sie hatten Freunde verloren. Als ich es irgendwann geschafft hatte, Chucks Namen in den Stein zu bekommen, was mit einer gebrochenen Hand schwer gewesen war, war ich zurückgegangen. Meine Freunde hatten sich mit meinem Vater um das große Lagerfeuer versammelt. Es wurde viel gelacht, doch ich hatte Thomas im Visier, der hinten bei der Hütte saß. Minho war gerade bei ihm gewesen, doch er ging, als er mich sah. Er schien zu bemerken, dass ich mit Thomas reden wollte, warum ich ihm dankend zunickte.
"Was hast du da?", fragte ich Thomas, als ich vor ihm zu einem Stillstand gekommen war. Der Junge saß vor der Hütte auf der hölzernen Plattform, die eine Art Terrasse darstellte. Hinter ihm die größte Hütte, in der die meisten von uns schliefen.
Meine Aufmerksamkeit galt jedoch Thomas, der eine Schnur mit einem seltsamen Anhänger in seinen Händen hielt. Es schien ein Behälter zu sein, doch ich konnte es schwer erkennen. Auch konnte ich nicht wissen, dass es sich um die Kette mit Newts Brief handelte, die Newt Thomas gegeben hatte. Er hatte geglaubt, dass er sterben würde, und Thomas sollte mir die Kette geben, wenn Newt es nicht schaffen würde. Newt lebte aber noch, warum Thomas die Kette folglich in seine Jackentasche einsteckte und meinen Blick traf.
"Nichts Wichtiges."
Ich akzeptierte seine Worte und setzte mich zu ihm auf die Plattform. Meine Füße berührten den Sand, der vom Feuerschein beleuchtet wurde. Das große Lagerfeuer und einige weitere Fackeln schenkten Licht, das die Umgebung in oranges Licht tauchte. Der Himmel wurde stetig dunkler, doch es war nicht kalt.
"Ich habe mich in den letzten Tagen bei jedem entschuldigt, aber noch nicht bei dir", begann ich langsam, während ich die glücklichen Menschen musterte.
"Du musst dich nicht entschuldigen."
"Doch", widersprach ich, "ich habe die letzte Zeit nicht klar denken können. Mein einziges Ziel ist Rache gewesen, Ava Paige umzubringen. Ich habe nicht an euch gedacht, nur an mich selbst. Ihr habt an mich gedacht, deswegen muss ich mich entschuldigen."
"Rache ist ein normales Gefühl, also musst du dich dafür nicht entschuldigen", beharrte Thomas auf seine Meinung und ich sah ihn an. Ein kleines Lächeln tauchte auf seinen Lippen auf, das ich erwiderte, dann blickte ich wieder nach vorne.
"Ich habe mich nach Paiges Tod nicht besser gefühlt."
"Ich hab' auch probiert, sie umzubringen", sagte Thomas plötzlich und ich sah ihn überrascht an. Er setzte fort: "Als ich mit Newt Minho gesucht habe, stand sie plötzlich in einem Gang vor uns. In diesem Moment habe ich meine Waffe auf sie gerichtet, habe auch nur an Rache gedacht. Janson kam und hat das Feuer auf uns eröffnet, allein deshalb habe ich nicht abgedrückt. Also nein, ich werde dir deswegen nie Vorwürfe machen."
"Paige war nur eine gebrochene Frau am Schluss", erzählte ich, "Weißt du, man hat mir immer gesagt, dass man nie mit den Leuten reden soll, die man umbringen will, weil man sonst Schuldgefühle bekommt. Bei Paiges war es anders, denn sie wollte sterben. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber ich glaube, dass es mir irgendwie geholfen hat, mit Paige zu reden. Betitel' mich ruhig als verrückt."
Ich schüttelte meinen Kopf, konnte fast über mich selbst lachen.

Paige hat meinem Inneren geholfen?

Dieser Gedanke klang absurd, doch es stimmte. Das erklärte ich Thomas: "Als ich mit Paige darüber geredet habe, wie sie sich im Wunsch, ein Heilmittel zu finden, verloren hat, habe ich realisiert, dass selbst die Großen dieser Welt einmal normale Menschen gewesen sind. Ich hasse Ava Paige nicht minder, aber ich habe die letzten Tage darüber nachgedacht und bin zum Entschluss gekommen, dass ich die Personen zum Teil verstehen kann, die für Wicked gearbeitet haben. Sie hat den Menschen Hoffnung gemacht und am Anfang war die Organisation noch nicht vollkommen böse. Das ist erst mit der Zeit passiert. Du musst ja auch einen Grund gehabt haben, warum du für Wicked gearbeitet hast."
"Ich kann mich leider nicht mehr an den Grund erinnern", gestand Thomas.
"Kann es sein, dass es Teresa war?"
Eine Frage, die Thomas überraschte. Mich auch, doch plötzlich war mir der Gedanke an Teresa gekommen, und wie Ava Paige sie beschrieben hatte.
"Ich weiß nicht, ob mir der Gedanke gefällt. Ich habe Teresa nie wirklich verstanden..."
"Sie tut mir ein wenig leid", sprach ich leise und Thomas sah mich so an, als würde neben ihm nicht ich sitzen. Schließlich hatte ich die letzten Monate ausreichend kundgetan, wie sehr ich Teresa gehasst hatte.
"Ein seltsamer Sinneswandel."
"Nicht seltsam", widersprach ich, "ich habe nur nicht klar gesehen die letzten Monate. Teresas Verrat hat mir den Rest gegeben, doch Paige hat mir gesagt, dass Teresa wirklich einen Deal ausgehandelt hat, aber Paige entschlossen hat, uns abzuschlachten. Ich werde nie jemandem Verrat verzeihen können, doch ich verstehe Teresa. Sie hatte einen Grund, für Wicked zu arbeiten, nach einem Heilmittel zu suchen. Dabei hat sie die Augen vor der Wahrheit verschlossen, aber man muss ihr lassen, dass sie eine Person war, die viel Willenskraft hatte. Ich glaube also, dass sie der Grund war, warum du für Wicked gearbeitet hast. Sie hat dich überzeugt und du hast sie geliebt."
"Woher?"
"Keine Ahnung, man hat es einfach gemerkt", sagte ich und stand auf. Ich blickte Thomas von oben in seine Augen und sagte das, wofür ich hergekommen war: "Wenn du ihren Namen in den Stein schreiben willst, dann verstehe ich es. Ja, sie hat Leid verursacht, aber sie hat dich auch gerettet. Ihr Leben war nur ein weiteres, das Wicked zerstört hat. Das habe ich verstanden. Und jetzt komm, wir verpassen noch das gute Essen."
Ich reichte Thomas meine linke Hand und zog ihn auf seine Füße. Wir blickten uns einen Augenblick an und ich dachte, er wollte noch etwas sagen. Stattdessen umarmte er mich. Es war eine lange Umarmung, die sich gut anfühlte.
"Deine Worte bedeuten mir viel, danke, Rosaly. Ich werde darüber nachdenken", sprach Thomas, als wir uns lösten.
"Nur musst mir nicht danken. Ich werde dich immer unterstützen und in Zukunft will ich, dass du dich auf mich verlassen kannst."
"Du kannst dich auch auf mich verlassen."
"Das weiß ich schon", erwiderte ich und schenkte Thomas ein Lächeln. Anschließend gingen wir zu den anderen ans Lagerfeuer und genossen den Abend.

Bis zum letzen Atemzug | Newt Ff / Teil 3 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt