6. Kapitel - Vertraute Gesichter

91 12 0
                                    

Als es sicher genug war, richtete ich mich auf. Die Aussicht war atemberaubend. Ich saß auf meinen Knien, während der Wind mit meinen Haaren spielte.
Jeder aus unserer Gruppe freute sich, dass unser Plan funktioniert hatte. Liv umarmte Thomas, was mich zum Lächeln brachte. Mein Blick ging in die Weite der Welt. Von hier oben wirkten die zerstörten Gebäude des nächsten kleinen Dorfes unwichtig. Die vielen Schrottautos waren nur kleine Punkte, wirkten wie Steine in dieser eh schon trockenen Welt.
"Es ist schön, die Aussicht."
"Gewiss ist sie das...", hörte ich eine spottende Stimme links neben mir. Sie kam von Newt, der immer noch am Wagon lag.
Er hatte sich auf seinen Rücken gelegt, sein Blick ging starr nach oben zum Flugzeug, Berk wurde es genannt. Neben dem Berk war ein blauer Himmel, doch mein Blick fiel auf Newts Gesicht.
Zwar sah man ihm an, dass er erleichtert und glücklich war, unter sich die geretteten Immunen zu haben, trotzdem war sein Gesicht sehr weiß.
Ich musterte ihn, wie er auf seinem Rücken lag. Seine braune Jacke, mit Fellkragen versehen, war offen und zeigte sein dunkles Shirt. Es hob sich mit Newts Brust bei jedem Atemzug, der über seine Lippen kam. Um seinen Hals konnte ich eine Schweißerbrille und ein rotes Halstuch sehen. Newts linkes Bein war angewinkelt und auf seinem Oberschenkel über seiner hellen Hose war ein Holster für seine Pistole.
Ich konnte nicht anders, als Newt anzulächeln, denn auch in dieser Situation fand ich ihn attraktiv. Ebenfalls war ich froh, ihn an meiner Seite zu haben, vor allem in diesem Moment.
"Du musst dich freuen, wir haben es geschafft, ohne zu sterben!", erklärte ich Newt, während ich meine linke Hand auf seinen linken Handrücken legte.
"Ich freu' mich ja...", murmelte er, schielte kurz zu mir herüber. Um seinen Worten Kraft zu geben, gingen seine Mundwinkel in die Höhe, doch immer noch sah er so aus, als würde er sich gleich übergeben, ohnmächtig werden.

Er ist aber ein tapferer Newt, dachte ich, während ich meinen Blick umherschweifen ließ.

Ich sah Sara, die neben den anderen Mitgliedern des Rechten Arms saß. Liv und Thomas knieten nebeneinander und starrten glücklich in die Ferne, wo die Küste auf uns wartete.
Mein Vater kontrollierte die Gurte, war der Einzige, der am Dach stand. Kurz warf er einen Blick auf Newt, dem man sofort ansah, was mit ihm nicht stimmte. Sagen, tat er zum Glück nichts, nun, zumindest bis wir am Boden waren.
"So, wir sind sicher am heiligen Erdboden, den der liebe Newt so gern hat."
Newt bekam den Fuß meines Vaters zu spüren, dann setzte er sich auf und fand sich in unserem Lager wieder.
"Schon 'mal überlegt, diese Angst vor Höhen zu bekämpfen?", fragte mein Dad weiter, doch selbst er erkannte an Newts folgendem Blick, dass er keine Witze machen sollte. Ich glaubte sogar, dass es der erste tödliche Blick war, den Newt meinem Vater geschenkt hatte.
Deshalb blieb dieser still, ließ Newt von der Leiter klettern. Ich stellte mich neben meinen Dad, der an mich gewandt sprach: "Ich hab' gar nicht gewusst, dass dein Freund so fies schauen kann."
"Ja, das kann er gut."
"Hm", begann mein Vater, "gefällt mir."
Nach diesen Worten lachte er auf und auch wir anderen stiegen vom Wagon ab. Zuvor schüttelte ich jedoch meinen Kopf, denn mein Dad würde für immer mein Dad bleiben.

Der Wagon wurde aufgeschweißt und wir warteten angespannt. Als dieser offen war, brach Thomas die Tür auf und er war der Erste, der nach drinnen stürmte. Hinter ihm folgten Newt und Liv, dann Harriet, die beim Kapern des Berks mitgeholfen hatte. Ich hingegen blieb kurz bei Pfanne draußen stehen.
Ich blickte in seine dunklen Augen. Wir schienen beide an dasselbe zu denken, denn noch gestern hatte ich mit ihm darüber gesprochen, dass wir nicht wissen konnten, ob diese Mission uns unsere Freunde wiederbringen würde.
"Dann lass uns einmal 'reinschauen", sagte er.
Von mir bekam er ein Nicken. Zusammen verschwanden wir im Wagon und drinnen wartete ein schreckliches Bild auf uns. Die Kids wirkten verschreckt. Sie saßen alle auf Sitzen, waren gleichzeitig an ihnen mit Ketten festgebunden.
Die Immunen hatten Angst, doch Thomas redete ihnen gut zu: "Ihr seid jetzt in Sicherheit!", rief er, während er durch ihre Reihen schritt, anschließend fiel sein Blick auf einen ganz bestimmten Jungen.
"Aris!", meinte er und auch ich entdeckte bekannte Gesichter.
"Sonya, Aris!", stieß Harriet aus und umarmte die beiden glücklich. Es gab also die ersten Wiedersehen, aber als Thomas, Newt und Liv den Wagon abgegangen waren, gefiel mir ihr Gesichtsausdruck ganz und gar nicht. Liv fuhr sich durch ihre Haare und sie schien fluchen zu wollen.

Bis zum letzen Atemzug | Newt Ff / Teil 3 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt