45. Kapitel - Ich weiß nicht, was ich tun soll

78 5 0
                                    

Livs Sicht:

Als der Morgen kam, fühlte die Welt sich anders an. Ich wusste nicht, was es war, doch es fühlte sich so an, als wäre alles zu einem Stillstand gekommen. Es war nicht wie auf der Lichtung, wo ich jeden Tag aufgestanden war und mit Minho ins Labyrinth gegangen war. Wir hatten pausenlos nach einem Ausgang gesucht, begonnen, eine Karte des Labyrinths anzufertigen.
Ich erinnerte mich noch gut an den Moment, als wir realisiert hatten, dass sich das Labyrinth jede Nacht veränderte. Wir hatten geglaubt, so nie den Ausgang finden zu können, trotzdem hatten wir weiter gemacht. Nach einigen Wochen hatten wir herausgefunden, dass das Labyrinth in unterschiedliche Sektoren eingeteilt war, und wir hatten uns an diese neuen Gegebenheiten angepasst. Jeden Tag, immer wieder.
Es hatte sich eine Routine entwickelt. Aus Tagen waren Wochen, Monate und schlussendlich Jahre geworden. Einmal im Monat war ein Frischling gekommen und wir hatten eine Gemeinschaft gebildet, in der jeder seinen Platz gehabt hatte. Bis zum Ende.
Über drei Jahre waren wir auf der Lichtung gewesen, dann war Thomas gekommen. Durch pures Glück hatte er einen Griewer umgebracht, als er beklonkt ins Labyrinth gelaufen war. Er war ein Strunk gewesen, war er heute noch, doch auf der Lichtung hatte dieser Moment dazu beigetragen, dass ich entschieden hatte, Thomas überallhin zu folgen. Als alle anderen vor den Toren des Labyrinths gestanden waren, dabei zugesehen hatten, wie Minho einen bewusstlosen Alby trug, hatte Thomas gehandelt.

Den Anfang vom Ende eingeleitet.

Ohne Thomas' Entschluss, ins Labyrinth zu laufen, hätte er nie den Griewer umgebracht. Wir hätten nie den Schlüssel gefunden, anschließend den geheimen Gang in Sektor 7. Wir hatten den Ausgang aus dem Labyrinth gefunden, doch dann war Wicked gekommen, als wir geglaubt hatten, sie wäre tot.
Ich erinnerte mich bis heute an den Moment, als wir nach dem Labyrinth im zerstörten Labor angekommen waren. Überall lagen Leichen, alles war zerstört und die Monitore hatten geflackert. Wir hatten realisiert, dass man uns die ganze Zeit über beobachtet hatte.
Kurz darauf hatten wir erfahren, was es mit der Welt auf sich hatte. Zwar hatten sich viele der Lichter eine Welt außerhalb der Lichtung vorgestellt, wo ihre Eltern auf sie warteten, doch ich hatte nie so geglaubt. Newt, Minho und sogar Alby hatten es ebenfalls nicht. Als einer der Ersten hatten wir irgendwann aufgehört, an eine funktionierende Welt zu glauben.
Als wir das Labyrinth verlassen hatten, war diese Vermutung zur Realität geworden, als auf einem Monitor eine Abbildung Ava Paiges begonnen hatte, uns von der zerstörten Welt zu erzählen. Die Sonne hatte die Erde verbrannt, dann war der Brand gekommen, ein Virus, das Menschen in Monster verwandelte. Die nächsten Generationen hatten angefangen, immun zu werden, und Wicked hatte nach einem Heilmittel geforscht, alles dafür getan. Auch uns Kinder geopfert.
Als ich das gehört hatte, war ich wütend geworden, gleichzeitig traurig, denn alles, was in den letzten Tagen, Wochen, Monate, gar Jahren auf der Lichtung passiert war, hatte sich unwichtig angefühlt. Die Welt außerhalb war noch verklonkter als die Lichtung gewesen. Auf der Lichtung hatten wir immerhin ein Ziel gehabt.

Entkommen.

Das hatten wir geschafft. Nach dem Labyrinth waren wir von einer fremden Organisation abgeholt worden, obwohl es nur Wicked in Verkleidung gewesen war. Man hatte uns in ein Auffanglager gebracht, wo wir erfahren hatten, dass unser Schicksal nur eines von vielen war. Es hatte mehr als ein Labyrinth gegeben.
In dieser Zeit hätte ich mich glücklich schätzen können, dass wir gerettet waren, doch ich hatte sofort Misstrauen empfunden. Ich wusste nicht, was es war, aber ich hatte mich nicht sicher gefühlt, noch eingesperrter als auf der Lichtung. Und ich hatte recht behalten.
Vor unserer Flucht hatte uns Rosaly erzählt, dass sie sich an Bruchstücke ihres Lebens erinnern konnte. Ich hatte nicht gewusst, wie ich damit umzugehen hatte, denn das unscheinbare Mädchen von der Lichtung, das ich sofort in mein Herz geschlossen hatte, hatte uns etwas verschwiegen.
Ich hatte ihr das nicht übelgenommen, doch dafür den Fakt, dass ich sie als meine Freundin angesehen hatte. Seit Rosalys Ankunft auf der Lichtung war sie mir sympathisch gewesen. Nicht, weil sie besonders war, sondern weil Newt sich für sie interessiert hatte. Auch, weil Rosaly ein Mädchen war, das sich bald als lustig und nett herausgestellt hatte, doch meine Hauptmotivation, Rosaly zu mögen, war es gewesen, weil Newt sie gemocht hatte.
Newt war nach Minho mein bester Freund, oder sogar mein bester Freund, wenn Minho als mein fester Freund nicht gleichzeitig mein bester Freund sein könnte. Seit dem Moment, als ich verängstigt auf die Lichtung gekommen war, war Newt für mich dagewesen. Er war jemand, der sich um andere kümmerte, dabei sich selbst in den Hintergrund stellte. Ein Grund, warum ich zu Anfang nicht bemerkt hatte, wie schlecht es ihm auf der Lichtung gegangen war.
Newt, der immer so gewirkt hatte, nichts könnte ihn etwas anhaben, hatte uns alle verschwiegen, dass er mit der Lichtung überfordert war, und versucht, sich selbst sein Leben zu nehmen. Nur, weil Alby ihn gefunden hatte, hatte Newt überlebt. Ich erinnerte mich, wie wir mit Newt einige Tage später gesprochen hatten und er das erste Mal seine Gefühlswelt für uns geöffnet hatte.
Seit diesem Tag waren wir durchgehend ehrlich miteinander gewesen. Ich hatte Newt sogar jeden Tag gezwungen, mit mir am Abend eine halbe Stunde über seine Gefühle zu reden. Wir hatten uns dafür ins Gras gelegt, den Sonnenuntergang beobachtet und Newt hatte gesprochen.

Bis zum letzen Atemzug | Newt Ff / Teil 3 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt