28. Kapitel - Die Uhr beginnt zu ticken

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Rosalys Sicht:

Nachdem wir uns von Emilia und Pfanne getrennt hatten, lag es an Brenda und mir, den nächsten Teil des Plans auszuführen. Wir bewegten uns durch einige dunkle Seitengassen. Die meisten Fenster waren stockfinster, was daran lag, dass wir uns gerade in einer Gasse befanden, die irgendwelche Geschäfte beherbergte.
Die dunklen Schaufenster wirkten noch seltsamer als die leuchtenden Hochhäuser. In der Dunkelheit wirkte das Glas schwarz, gleichzeitig fungierte es als Spiegel. Ich sah die Wolkenkratzer sich reflektieren, ihre vielen Lichtpunkte, aber auch ich war im Glas zu sehen. Ein braunhaariges Mädchen blickte mir aus dunklen Augen entgegen. Ihre dunkelblauen Augen wirkten schwarz und ihr Gesicht lag im Schatten ihrer Kapuze. Die schwarze Weste war geschlossen und das Mädchen hielt an den Trägern seines Rucksacks fest. Eine dunkelgraue Cargo-Hose und dicke Stiefel rundeten das Bild ab.
Vor dem Mädchen ging ein weiteres Mädchen. Brenda Reflexion ging vor der meinen. Ihre kinnlangen Haare waren neben ihrem Gesicht hinter ihre Ohren gestrichen und ihre lange Weste war geöffnet. Brenda trug eine enge Hose, die die Bewegung ihrer Beine bei jedem Schritt betonten.
Zusammen schritten die zwei Mädchen durch die Nacht, behielten ihr Ziel stetig im Auge. Wickeds Tower ragte in den Himmel wie eine Statue eines Todesengels. Starr, ohne sich zu bewegen. Trotzdem hatte Wicked alles unter Kontrolle. Sie kontrollierte unsere Welt, ohne überhaupt anwesend sein zu müssen. Mit einem Fingerschnippen entschied sie über Leben und Tod.

Sie denkt, sie ist Gott, aber Ava Paige ist nur ein Mensch. Menschen kann man umbringen.

Das ging mir durch den Kopf, als ich meinen Blick vom Tower nahm. Über uns ein dunkler Nachthimmel, doch wir bewegten uns inmitten einer beleuchteten Stadt. Hier war das Leben anders als in der Brandwüste, aber das würde sich bald ändern; während die anderen Minho retteten, würde ich mich darum kümmern, dass sich die Welt verändern würde, wenn auch nur für eine kurze Zeit. Das Böse konnte man nicht vollends vernichten. Brendas vorherige Worte hatten mir das abermals ins Gedächtnis gerufen.
"Jetzt wird's ernst...", murmelte Brenda vor mir.
Wir schritten die letzte Gasse entlang. Auch diese war leer und die geparkten Autos wirkten unwirklich. Sie waren alle neuwertig und ihre Lackschicht funkelte in der Nacht. Die Autos in der Brandwüste konnte man alle mit einem Wunder gleichsetzen; man wunderte sich nämlich immer wieder, dass sich Schrott irgendwie auf vier Räder fortbewegen konnte.
Von Wickeds Tower ging das meiste Licht aus. Es war kalt, tot, doch immer noch unser Ziel. Diesem kamen wir näher, Schritt für Schritt.
Mein Herzschlag beschleunigte sich, während ich mich an den Trägern meines Rucksacks stärker festklammerte. In diesem befand sich der Sprengstoff, von welchem nur Lawrences Gruppe sowie der Rechte Arm wusste. Den anderen hatte ich nur erzählt, dass Ava Paige sterben würde, doch nicht, dass heute der Tower Wickeds in sich zusammenstürzen würde.
Sie mussten es jedoch nicht wissen, denn es würde erst passieren, wenn Minho und alle anderen in Sicherheit wären. Erst dann würde ganz Wicked vernichtet werden.
Das waren die Gedanken, die mich antrieben, auch wenn ich wusste, dass ich von Rache geleitet wurde, doch es war mir egal. Ich müsste Paige umbringen, ganz Wicked zerstören.

"Gut, das ist unser Ziel", meinte ich wenig später, als wir die offene Garage entdeckten. In den inneren Teil würden wir nicht kommen, zumindest auf zwei Beinen.
Brenda und ich waren zu einem Halt gekommen, befanden uns gerade außerhalb eines großen Parkplatzes. Bei jedem meiner Atemzüge strömte frische Nachtluft in meine Lunge. Die Luft schmeckte anders als in der Brandwüste, weniger natürlich, dreckig.
Zusammen schlichen wir uns auf den großen Parkplatz, der sich an der Rückseite des Towers befand. Mein Herz hatte indessen sein Tempo beschleunigt und das bekannte Gefühl einer startenden Mission loderte in meinen Venen auf. Adrenalin rauschte durch meine Blutgefäße, treib mich an, während ich mich auf meine Atmung konzentrierte.
Selbstverständlich war der Parkplatz bewacht und vom Tower und der Garage fiel Lampenschein auf den Platz. Nicht sonderlich viel, doch genug, dass es eine heikle Angelegenheit war, einen Bus zu kapern. Die Fahrzeuge waren von einer blauen Farbe und im nächsten Moment drückte ich meinen Rücken gegen eine steile Motorhaube. Brenda neben mir tat es mir nach. Ich hielt meinen Atem an, als weiter links von uns zwei Wachen Wickeds ihren Weg schritten. Langsam marschierten sie an uns vorbei und ich atmete langsam aus.
Meine Augen beobachteten angespannt die Umgebung, bis aus dem Funkgerät, welches Brenda mit sich führte, Thomas' Stimme, von Brenda absichtlich leise gestellt, erklang: "Brenda, was ist euer Status?", fragte er.
Das braunhaarige Mädchen nahm das Gerät von seinem Gürtel und meinte: "Der Status ist, wir arbeiten daran."
Nach diesen Worten spähte Brenda noch einmal zu den Bussen, dann erklang eine Antwort von Thomas: "Verstanden. Sorgt dafür, dass ihr bereit seid."
"Keine Sorge, du weißt, dass wir da sein werden."
Mit diesen Worten verschwand das Funkgerät an seinen vorherigen Platz, und Brenda deutete mir, ihr schnell zu folgen. Wir liefen zu einem Bus, wobei mir auffiel, dass viele von ihnen nicht verschlossen waren. Einige hatten sogar ihre Anzeigetafel erleuchtet, doch ich machte mir keine weiteren Gedanken darüber, denn es war unwichtig. Wichtig war, dass Brenda mit dem Bus zum Treffpunkt käme und die Kinder mit Minho gerettet würden.
Allein der Gedanken an Minho und an alles, was wir heute erreichen wollten, ließ mich daran denken, dass die Welt seltsam war. Wir waren Jugendliche, dennoch gingen wir gerade gegen eine Organisation vor, die sich die Welt untertan gemacht hatte. Wicked war böse und musste vernichtet werden.

Bis zum letzen Atemzug | Newt Ff / Teil 3 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt