19. Kapitel - Als sich alles zu formen begann

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Niemandem hätte man sagen müssen, dass es keine gute Idee war, Liv und Gally zusammen auf einen Spaziergang zu schicken. Bedauerlicherweise musste ich mitkommen; schließlich hatte ich Lawrence darum gebeten. Gut, es war eine Bedingung gewesen, würde der Rechte Arm auftauchen, würde mein Vater wissen wollen, wie die Gegend aussah.
"Also du willst frische Luft schnappen, oder wie?", fragte mich Liv, nachdem wir losgegangen waren. Wir befanden uns immer noch in Lawrences Gebäude, doch ich hatte noch etwas essen müssen. Auch hatte uns Gally, also am meisten mir, Tücher fürs Gesicht gebracht. Wicked hatte natürlich überall ihre Kameras und sehr wahrscheinlich wusste sie bereits, dass wir hier waren. Trotzdem, wir dürften nicht riskieren, dass sie uns auf Schritt und Tritt verfolgen könnte.
"Frische Luft schnappen, genau", kam es sarkastisch von Gally und wir gingen gerade die Rampe nach unten, die wir das letzte Mal gesehen hatten, als wir gestern angekommen waren.
Es war ein seltsamer Gedanke, dass wir gerade erst einen ganzen Tag hier waren und zwei Tage vom Rechten Arm entfernt. Vor drei Tagen hatten wir noch die Rettungsmission für Minho und Emilia abgehalten, heute war diese nur mehr eine Erinnerung. Jetzt waren wir hier, am Kern von Wicked und vielleicht würde alles bald ein Ende finden.

Ist das überhaupt möglich, fragte ich mich, dass alles ein Ende findet?
Ich wusste es nicht, nur, dass zumindest ich mein Ende finden würde. Sollte ich es nicht schaffen, Ava Paige umzubringen, würde ich mein Leben verlieren. Es war eine einfache Schlussfolgerung.
Die einzigen Auswege waren also der Tod, oder es zu überleben, Wicked in ihre Verdammnis zu stürzen. Diese Organisation hatte nur den Tod und alles andere verdient, was Schmerzen verursachte.

"Weißt du, du kotzt mich an, Gally."
"Dann verstehe ich nicht, warum du mitkommst."
"Aus Zwecken der Unterhaltung", begann Liv schulterzuckend, "auch würde ich gerne wissen, was hier vor sich geht. Als Rosaly gestern beschlossen hat, sie muss Anführerin des Rechten Arms spielen, habe ich mich ausgegrenzt im Raum gefühlt, in welchen uns Lawrence, dein komischer Chef, eingesperrt hat. Ich spreche jedoch nicht nur für, wenn ich behaupte, dass Lawrence an seiner Gastfreundschaft arbeiten muss", erklärte die Schwarzhaarige ihre Ansicht und ihre schwarze Kappe hüllte ihr halbes Gesicht in Schatten. Sie ging neben Gally her, der nur einen halben Kopf größer als sie war, wenn dafür doppelt so breit.
"Ich werd's ihm ausrichten, danke für deine Ehrlichkeit", feixte er und immer noch war es sonderbar, dass er am Leben war.

Er ist uns gefolgt, als wir von der Lichtung geflohen sind, ging es mir durch den Kopf, und er ist gestochen worden.
Sind nach der geplanten Opfergabe von Thomas und Teresa mehr Griewer auf die Lichtung gekommen?
Wahrscheinlich.

"Wisst ihr, ich hab' nie verstanden, warum ihr euch nicht leiden könnt", gab ich knapp von mir, weil ich auch etwas sagen wollte. Zwar konnte ich mir die Antworten, die ich nun bekommen würde, bereits denken, und so kam es auch.
Ich sah zuerst zu Liv, die ihr Gesicht verzog, und Gally sah mich so an, als wäre ich dumm. Der sozusagen Hass zwischen den beiden war doch dermaßen offensichtlich, dass eine Rosaly es nicht wagen würde, sie darauf offen anzusprechen, oder?
Nein.
"Gally ist Gally."
"Und Liv ist Liv", sprach Gally Liv nach, die ihm einen fiesen Blick zuwarf. Mein Blick ging zwischen ihnen hin und her, dann meinte ich knapp: "Ihr seid beide besondere Charaktere."
"Aha, und was bist du dann?", fragte mich die Schwarzhaarige und wir erreichten den Ort, wo wir mit den Autos hereingekommen waren.
"Die unschuldige Rosaly, die immerzu gut gelaunt war auf der Lichtung, ist jedenfalls nicht mehr deine Hauptperson", setzte sie fort. Ich verzog mein Gesicht, doch es entsprach der Wahrheit.
Gally jedoch öffnete ohne Worte ein Tor und wir kamen ins Freie. Wir schienen vorm Gebäude zu sein, wenn die umliegenden immer noch zu Lawrence gehörten, was die vielen Bewaffneten verrieten, die durch staubige Gassen schritten. Gally schien meinen Blick zu bemerken, denn er erklärte: "Diese Straße nach unten gibt es ein weiteres Tor, wo wir dann in die wirkliche Stadt kommen.", ich nickte, anschließend wandte ich mich Liv zu, die mich immer noch ansah.
"Eurer Meinung nach bin ich auf einem guten Weg verrückt zu werden. Einigen wir uns also darauf, dass wir alle drei nicht normal sind?"
Nach diesen Worten wog Liv ihren Kopf hin und her, bis sie schlussendlich mit ihren Schultern zuckte. Sie trug nur ihr Tanktop und es schien ihr egal zu sein, wenn sie einen Sonnenbrand bekommen sollte. So oder so war Liv in den letzten Monaten braun geworden, denn die Brandwüste war eine andere Hitze als im Labyrinth.
"Meinetwegen", erwiderte sie und ich nickte.

Bis zum letzen Atemzug | Newt Ff / Teil 3 ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt