Kapitel 80

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Y/n:

Ich spürte es.

Die Luft wurde kälter und der Raum veränderte sich auf irgendeine Weise.
Obwohl ich nicht zu Katsuki starrte und mich ganz und gar Shoto hingab, fühlte ich seinen schmerzerfüllten Blick auf mir.

Er bereute es, da war ich mir sicher.
Aber das hieß nicht, dass ich ihm verzeihen würde.
Ich werde dir niemals vergeben.
Und das wusste er auch.

Ich wärmte Shotos kalte Hand mit meiner und wartete bis er aufwachte.
Die Sekunden zogen sich in die Länge und ich fühlte mich mit Katsuki in einem Raum immer unbehaglicher.

Am liebsten hätte ich ihn einfach angeschrien, geschlagen oder irgendetwas getan, was ihn dasselbe spüren ließ, was er mir angetan hatte.
Ich wollte etwas sagen, ihn vielleicht fragen, wieso er das getan hatte, aber ich konnte nicht. Nicht jetzt, sonst würde ich komplett austicken.

Plötzlich würde unsere Kabine geöffnet und Midnight schaute mit einem neutralen Gesichtsausdruck rein, bevor sie Katsuki darin erkannte.

Ihre Atmung hörte sich für einen Moment abgehackt an, aber ihr Blick blieb wie in Stein gemeißelt, als sie sagte: "Katsuki Bakugou, der Direktor wartete vor der Tür. Können Sie bis dahin laufen?"

Ich hörte nur ein zustimmendes Murmeln, bevor das Bett qietschte und er sich wackelig erhob.
Nachdem Katsuki und Midnight die Tür hinter sich schlossen, ließ ich meinen unterdrückten Tränen freien Lauf.

Mein Herz verkampfte sich immer wieder, während meine Lunge sich so eng zuschnürrte, dass ich kaum atmen konnte.
Shoto wäre fast gestorben.
Kyoka wäre fast gestorben.
Ich wäre fast gestorben.

Aber das war nicht nur wegen Katsuki. Größtenteils schon, doch es war auch meine Schuld. Ich hätte Shoto einfach in Ruhe lassen sollen, wie ich es zuvor immer getan habe.

"Es tut mir so leid.", schluchzte ich und mein Tränenüberströmtes Gesicht verschwamm meine Sicht.
Zum ersten mal schämte ich mich dafür nicht.

Ich war kurz davor ihn zu schütteln, irgendetwas zu tuen, um ihn aufzuwecken, weil ich es einfach nicht mehr ertragen konnte ihn bewusstlos zu sehen.
Die Angst, dass sein Herz nicht mehr schlagen würde, war überwältigend groß. Ich hasse mich. Aber ich hasse Katsuki mehr.

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"Y/n."

Ich öffnete meine Augen und spürte gleich den Kater auf meinem ganzen Körper. Fuck, ich bin auf dem Stuhl eingeschlafen.

Ich rieb mir über den Nacken und massierte ihn, bis Shotos Stimme mich wieder aufschreckte. "Y/n"

Leise, nicht mehr als ein Wispern, doch es reichte mein Adrenalin sofort in die Höhe schießen zu lassen.
"Shoto!" Ich stand abrupt auf und ging hastig auf ihn zu, bevor ich ihn leicht in meine Arme schließ.

"Geht es dir gut?"
Er nickte und ich atmete erleichtert aus. Ich war kurz davor ihn zu fragen, wieso er überhaupt high gewesen war, bis die Kabinentür geöffnet wurde und ein großgewachsener, stämmiger Mann mit roten Haaren den Raum betrat.

Endeavor.
Ich schnappte nach Luft und versuchte meine verschmierte Mascara so schnell es ging wegzuwischen.

"Shoto." Seine grobe und kratzige Stimme drang tief in meinem Bauch ein. In dem Wort lag keine Sorge, keine Trauer oder Mitgefühl, sondern Scham. Ich ging aus dem Weg, weil seine Aufmerksam nur auf seinen Sohn lag.

Er musterte ihn von oben bis unten und weitete beim Anblick von Shotos verunstalteter Haut seine Augen. Endeavor berührte sie leicht, zuckte dann aber wieder zurück und sein Gesichtsausdruck drehte meinen Magen um. Er ist von seinem eigenen Sohn angeekelt. Wow.

"Er wird wieder genesen.", presste ich aus reiner Hoffnung heraus, dass es
ihn überhaupt interessierten würde.
"Und seine Haut wird auch schon bald heilen. Das hat mir Recovery Girl gesagt."

Endeavor drehte sich langsam zu mir um und musterte mich bis ins kleinste Detail. Er versuchte nicht einmal seinen strengen Blick zu verstecken.
"Und du bist?"

Reflexartig streckte ich meine rechte Hand vor und sagte: "Y/n L/n, ich bin Shotos Freundin."

Endeavor nahm sie nicht an, sondern blickte überrascht mit zusammengezogenen Brauen zu Shoto. "Du hast eine Freundin?"

In dem Moment zuckte ein gewaltiger Schmerz durch mein Herz.
Okay, das tut verdammt weh.
Und es tat noch mehr weh, als Shoto nicht antwortete.

Ohne darüber nachzudenken ließ ich die beiden stehen und verließ den Raum. Lügen. Alles Lügen. Ich weiß nicht mal mehr, was der Wahrheit entspricht.

Katsuki:

Ich hörte Schreie.

Sie drangen unaufhaltsam in mein Ohr ein, während ich wackelig über den Flur humpelte. Und dafür bin ich Schuld.

Wer von den Schülern lag dort wohl von schmerzerfüllt auf der Krankenstation und schrie so laut, dass man es bis hierher hörte?
Mir wurde übel.

Jeder Schritt wurde immer schwerer und ich war regelrecht in einer Blase gefangen. Alles fühlte sich unreal an, obwohl ich mir sicher war, dass zuhause die Hölle ausbrechen würde und mich wieder aufwecken würde.
Ich wurde einfach für drei Wochen suspendiert und habe einem Verweis bekommen. Das wird lustig.

Der Direktor hatte mir gesagt, dass sie von Shotos Betrug erfahren hatten, ich allerdings trotzdem von der Schule verwiesen wurde, weil meine Explosion zu stark war und es nicht mehr als Selbstverteidigung galt.

Er erzählte mir noch, dass er auch bestraft werden und einen Verweis bekommen würde, wobei ich glaubte, dass das eine Lüge war.
Es war allen bekannt, dass Shotos Zukunft bereits in Stein gemeißelt war. Perfekt und Makellos.

Seine Schullakte durfte ja keinesfalls mit solchen Dingen verschmutzt werden. Was man alles mit Geld auf der Welt tuen kann. Das ist einfach nur abscheulich.

Ich spuckte draußen das Blut auf den Boden, welches sich in meinem Mund angesammelt hatte, während ich aus reiner Nervosität zu hart auf meiner Innenbacke rumgekaut habe.
Es brannte leicht, aber es war nichts im Gegensatz zu dem Schmerz in meinem Herzen.

Ich war alleine.
Jeder aus meiner Klasse hasste mich jetzt komplett.
Kiri hasste mich.
Und Y/n hasste mich.

Ich hatte niemanden mehr.
Aber es war besser so.
Ich habe es nicht verdiehnt gemocht oder geliebt zu werden. Schon von ganz Anfang an habe ich alles vermasselt, weil ich aus reinem Egoismus gehandelt habe.
Ich hasse mich so sehr.

Als ich das Schulgebäude langsam verließ, blickte ich in den Himmel.
Immer bin es ich. Wieso kann ich nicht normal sein, wie jeder andere hier? Wieso kann ich nicht normal fühlen und mich auch so verhalten??
Wieso, wieso verdammt nochmal ich?

Ich ballte meine Hände unmerklich zu Fäusten und meine Knie zitterten leicht. Tränen wollten hochschießen, doch ich unterdrückte sie.
Ich hatte es nicht verdiehnt zu weinen, oder schwach zu sein.
Denn das hier ist alles wegen mir passiert.

Ich lehnte mich gegen ein Gitter und betrachtete die vorbeirasenden Autos.
Die Lichter verschmolzen und das Hupen klang so hohl, wie mein Innerstes. Ich hasste dieses Gefühl.
Dieses Gefühl der Leere und wenn man nicht wusste, was man mit sich selber anfangen sollte.

Ich stand auf einem Gehweg, alles tat weh und die Sonne war dabei unterzugehen. Der Gedanke daran nachhause zu gehen machte mir Angst. Drei Wochen. Nein.

Ich starrte regungslos geradeaus und schnaubte. Egal. Es ist aus.
Und dann ging ich einfach los, ohne überhaupt zu wissen, wo mein Ziel war. Irgendwie kam mir das bekannt vor.

Ich rannte, aber wusste nicht wo das Ende war. Es war ein endlos langer Weg, der mich einfach ermüdete.
Und immer dann wenn man glaubte ein Licht zu sehen, landete man in einer noch dunkleren Ecke, als vorher. Das war ich.
Mein Leben, war ein endlos langer Tunnel.

Bakugou x Reader (Bevor Ich Falle)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt