Freitagmorgen saßen wir wieder im Auto, ohne meine Großeltern und meine Mutter, die passte auf die beiden fast schon auf. Sola und ich waren davor geflohen und bestimmten stattdessen die Musik die im Auto lief, auf der Fahrt in Richtung Osnabrück. Mein Vater beschwerte sich nicht über unsere Songauswahl, stellte nur irgendwann NDR 1 an, als wir nicht mehr genug heruntergeladen hatten. Dann wurde im Auto zu den Liedern die gerade liefen, dass weder Sola noch ich sonderlich gut singen konnten, störte niemanden. Nur mein Vater konnte so wirklich singen und kannte das Meiste was in dem kleinen Kasten im Auto lief. Schließlich hielten wir dann doch hinter dem Wagen der neuen Mieter in der Auffahrt unseres neuen Hauses.
„Schön, dass es heute geklappt hat", Joline die neue Mieterin gab meinem Vater und uns die Hand: „Mein Mann ist schon mit dem Umzugswagen unterwegs hierher." „Das klingt gut", mein Vater schloss das Auto ab und nahm die beiden Hausschlüssel aus der Jackentasche: „Dann dürfen Sie sich auch schonmal selbst reinlassen." Joline sperrte die Haustür auf und wir folgten ihr nach drinnen, wo es absolut leer war und ein wenig muffte. „Hat sich nichts verändert", Joline steckte den Schlüssel in ihre Hosentasche: „Bezahlt haben wir den ersten Monat schon oder?" „Ja ihr habt richtig bezahlt", mein Vater reichte ihr den zweiten Schlüssel: „Ihr seid offiziell jetzt Mieter, wir freuen uns auf gemeinsame Jahre." Joline lächelte meinen Vater an: „Freut mich, man sieht sich ja sicher mal ab und zu und vielleicht kommt ihr auch nochmal auf einen Kuchen vorbei, auch wenn ihr jetzt so weit weg wohnt.
Als dann endlich Merlin mit der Tochter Marie samt des Umzugswagens auftauchte wurde uns das Ausmaß des Wetters bewusst. Die Büsche um unser Haus verloren so einiges an Zweigen, der Wind verzauste uns die Haare und verpasste meinem Vater die kurzen Haare. Merlin hatte sich eine Mütze aufgesetzt und trug mit Sola, meinem Vater und mir die Kartons die das Unternehmen rausstellte nach drinnen. Am Ende stapelten sich Tonnenweise Kartons und Kisten im Flur und oben im ersten Stock. Dort wo bei uns im Wohnzimmer der Fernseher gestanden hatte, stapelten sich jetzt die Einzelteile eines Regals und eines Kinderkleiderschranks. Das Haus war im Moment echt vollgestopft, auch als wir dann die Mieter alleine ließen und uns auf die Rückfahrt machten.
Weit kamen wir allerdings nicht über die Autobahn, bevor wir den ersten Blitz sahen, der meinen Vater fast blendete. Er bremste und Sola hielt sich die Ohren zu als der Donner aus nächster Nähe krachte, wir waren ziemlich direkt in die Gewitterfront gefahren. Es fing heftig an zu schütten und mein Vater musste seine Geschwindigkeit weiter drosseln, es bildete sich vor uns ein Stau. Mein Vater schaltete den Warnblinker an, um die Hinterfahrer zu warnen, die jetzt auch anfingen zu hupen. Wir fuhren an den Rand, um eine Rettungsgasse zu bilden, die Sicht verschlechterte sich immer weiter, bis es mangels Sicht nicht mehr weiterging. Durch die Regenschleier konnten wir immer wieder die Blitze sehen die über uns ziemlich dicht hin und her zuckten.
Mein Vater zog seine Handy aus der Tasche und versuchte in dem schlechten Internet einen Wetterbericht aufzumachen. „Wir sind im Zentrum des Gewitters, das könnte noch eine Weile dauern, bis wir hier wegkommen", er zeigte uns seinen Bildschirm, der größte Teil um unseren Marker war violett von Gewitterzellen. „Wir kommen sowieso hier nicht weg, seht", Sola zeigte nach vorne, wo sich ein Baum gefährlich zur Seite neigte und die Leitplanke schon verbog. Die Autos, die dort gestanden hatten, wichen hektisch über den Standstreifen nach vorne aus und kamen sich mangels Sicht gefährlich nahe. „Na hoffentlich passiert da nichts", mein Vater begutachtete den Baum skeptisch, dessen Blätter beinahe den Teer der mittleren Spur berührten. Es fing draußen an zu hageln, wir waren jetzt offenbar genau im Zentrum der Gewitter.
Es dauerte noch einige Zeit bis der Baum endgültig über Standstreifen, rechte Spur und Mittelspur fiel. Dann dauerte es noch eine Weile bis die Feuerwehr soweit kam und die linke Spur zur Stauauflösung freigab. Trotzdem war es schon halb acht an dem Freitagabend, als wir endlich zuhause ankamen. Meine Mutter hatte schon gekocht, einfach nur eine Art Gemüsepfanne aus dem Supermarkt aus der sie die Pilze gekratzt hatte, die keiner in der Familie außer meinem Opa wirklich mochte. „Die Pilze habe ich meinem Vater gegeben", meine Mutter knallte etwas zu forsch den Löffel mit Reis auf Solas Teller. Der isst die jetzt zu den Bratwürstchen die meine Mutter für sie unten gekocht hat. „Soll er doch", mein Vater nahm sich von der Gemüsepfanne und ließ sich von meiner Mutter Reis geben: „Dann schmeißen wir die nicht weg."
Die Laune meiner Mutter war eindeutig nicht die beste an dem Abend, was auch bei ihren Berichten über meine Großeltern recht verständlich war. Die beiden hatten sie ganz gewaltig auf Trapp gehalten, seit wir nicht mehr da gewesen waren. Erst hatte sie trotz Regens meiner Oma beim irgendeine Blume einpflanzen helfen müssen, dann hatte sie bei uns die Küche und den Flur gesaugt und dann auch noch bei meinen Großeltern. Das Ganze war nicht einmal die Schuld meiner Oma gewesen, die da schon bei einem Doppelkopftreffen des Seniorenvereins gewesen war. Das Problem war mein Opa, der nicht einmal gewusst hätte wo man den Stecker einstecken musste. Das Manöver hatte die Nerven meiner Mutter dann endgültig getötet.
Der Abend endete für die Nerven meiner Mutter zum Glück beruhigend, meine Oma kam nicht einmal die Treppe hochgestiefelt. Sie schrieb stattdessen in der Hausgruppe, dass sie wieder da war, um halb neun an dem Abend. Dann ging allerdings auch schon der Fernseher an, in einer Lautstärke, die uns im ersten Stock die Ohren wegfetzte. Zumindest bis mein Vater nach unten lief und offenbar ziemlich genervt den Fernseher leiser stellte. Meine Mutter bekam davon nicht allzu viel mit, da sie kurz zuvor noch joggen gegangen war und dementsprechend danach entspannter war als wir. Mir klingelten davon eher reichlich die Ohren, weswegen ich Musikhören dann doch lieber bleiben ließ. Mit meinem Handy in der Hand verkroch ich mich um kurz vor neun unter meine Bettdecke und las eine Story auf Wattpad.
Das Drama ging allerdings am nächsten Morgen weiter, als wir von Joline angerufen wurden, worauf meine Mutter gleich erstmal einen Schreck bekam. Am Ende stellte sich aber nur heraus, dass sie einen Dachdecker rufen wollte, da das Haus in dem Sturm gestern ein paar Ziegel verloren hatte. Sie schickte meiner Mutter über WhatsApp ein Foto von den Dachziegeln auf der Wiese, die teilweise auch komplett in Einzelteile zerbrochen waren. Meine Mutter empfahl ihr daraufhin einen Dachdecker der gute Preise in der Gegend machte. Die Rechnung würde dann an uns gehen, schließlich war es noch unser Haus.
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Schatten der Vergangenheit
Teen Fiction,,Warum machst du einen Unterschied zwischen einem Mädchen und einem Jungen?" Klischees sind ein Problem, dass der 12jährige Carlos von einer ganz anderen Seite kennt. Gibt es einen Ausweg? Vorgeschichte zu: Ein Licht in der Dunkelheit Diese Story...