Kapitel 57 Reise

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Als wir durch die Braunschweiger schlenderten, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl, nicht permanent angestarrt zu werden. Es war irgendwo angenehm, dass mich niemand anstarrte, weil ich mit Mia im Mädchenbereich stand und mich von ihr beraten ließ. Meine Haare hatte ich zu einem unordentlichen Zopf gebunden, dazu ein T-Shirt, das verhinderte, dass man mir in den Ausschnitt schauen konnte. Dazu noch ein Rock der mir bis knapp über die Knie ging und normale Sandalen. Mia neben mir hatte zwar immer noch deutlich längere Haare als ich, die sie sich aufwendig geflochten hatte. Eine Verkäuferin warf uns noch einen eigenartigen Blick zu: „Braucht ihr Hilfe?" „Nein, danke der Nachfrage", antwortete Mia bevor ich überhaupt den Mund aufmachen konnte und wandte sich wieder dem Ständer mit kurzen Hosen zu.

„Zieh den mal an", Mia reichte mir einen schwarzen Badeanzug mit Beinen. Der war mir absichtlich eine Nummer zu groß, damit gewisse Details nicht mehr so auffielen. Irgendwie freute ich mich schon darauf, so im Urlaub rumlaufen zu dürfen, ohne dass sich jemand darüber beschwerte. Ich streifte mir vorsichtig den Badeanzug über die Unterwäsche, bedacht nicht nach unten zu schauen. Mia beobachtete das ganze mit verschränkten Armen: „Der steht dir, dann musst du dir nur noch einen zweiten suchen. Oder halt deine Badehosen mitnehmen." „Lieber Badeanzug", ich zog das Modell wieder aus und sah zu, wie Mia wieder in den Laden lief. Wenig später brachte sie noch eine Welle von Badeanzügen, einer davon sprang mir direkt ins Auge. Der Badeanzug, war rotorange und hatte ebenfalls Beine.

Mit den Tüten voll mit kurzen Hosen und meinen beiden Badeanzügen zogen wir weiter. Wir wollten uns in einem anderen Laden T-Shirts kaufen, der eine bessere Auswahl davon hatte. Die T-Shirts in dem Laden hatten weder Mia noch mir besonders gefallen. Also zogen wir weiter in einen anderen Laden, der mit Sommershirts für den Urlaub warb. Mit einem Grinsen zog mich Mia in den Bereich, der schon für T-Shirts ausgewiesen war. Mia bog in die Mädchenabteilung ab und griff blind in einen der Ständer. Sie zog ein T-Shirt mit einer kleinen Katze darauf hervor: „M das ist doch was für dich Luna." Ich beäugte das hellgrüne T-Shirt skeptisch: „Okay probiere ich an, aber erst noch andere suchen." Ich zog Mia ebenfalls ein T-Shirt heraus, mit Palmen darauf.

Wir verbrachten mit Sicherheit eine gute Stunde damit T-Shirts rauszusuchen und anzuprobieren. Am Ende ließ ich über 70 Euro im Laden. Mit den Tüten machten wir noch einen Abstecher über einen Burgerladen in der Nähe und fuhren dann mit der Straßenbahn zurück zum Hauptbahnhof. Den nächsten Zug verpassten wir allerdings um zwei Minuten und hatten fast eine halbe Stunde am Bahnhof. Wir verzogen uns in den Press&Books Laden, wo ich mich am Riemen reißen musste, um nicht mein Restgeld dazulassen. Fünf Minuten vor Abfahrt suchten wir uns dann doch einen Sitzplatz im schon stehenden Zug. Erstaunlicherweise bekamen wir sogar einen und besondere Gesellschaft. Abgesehen von zwei Männern aus der Bundeswehr saß zwei Reihen weiter ein bekanntes Gesicht, mit kurzen braunen Haaren.

Luan schien aber in sein Handy vertieft zu sein und bemerkte uns nicht, bis ich aufstand und ihm auf die Schulter tippte. „Oh Luna", er blinzelte: „Mit dir habe ich ja so gar nicht gerechnet. Warst du einkaufen, oder was machst du in Braunschweig?" „Wir waren shoppen", ich deutete mit dem Kopf auf Mia, die immer noch auf dem Fensterplatz saß. „Ah ui", Luan setzte sich ein wenig aufrechter hin: „Ich habe mich mit Robert getroffen. Du weiß schon dem Dude vom CSD Hannover letztes Jahr. Du warst ja dieses Jahr nicht da." „Ja, da war meine Situation auch ziemlich Scheiße", ich zuckte mit den Schultern und musterte den Admin der Transgruppe in der ich war. Er sah immer noch so aus wie beim Letzten Treffen.

Mein Geld für meine Kleidung bekam ich logischerweise zurück, auch wenn es deutlich über 100 Euro insgesamt waren. Aber ich war vernünftig und komplett für den Sommer und meinen Urlaub auf Hawaii eingekleidet. „Zeig mal!" Marie wühlte in meinen Tüten und bewunderte die beiden Badeanzüge in meiner Tasche. „Boah ist euer Zeug Cool, dass ihr gekauft habt." „Jaja", ich warf einen Blick zu Julius, der in diesem Moment zur Tür hereinkam und mir einen bösen Blick zuwarf: „Aber in meinem Zimmer bitte." Marie nickte mit einem spöttischen Lächeln in Julius Richtung und hob die Tüte mit meinen T-Shirts vom Boden auf. „Wir machen das aber anständig", meinte sie dann, als ich fast alles von meinen Sachen vorgezeigt hatte und mein Lieblingsshirt und einen Rock trug.

Das zeigte sie mir auch an dem Tag, in dem sie mir die Nägel lackierte und mehr Schminke bei mir auftrug, als ich es mich je getraut hätte. Laut ihr stand mir das aber auch. Am Tag von meiner Abreise stand sie aber auch um Viertel vor sieben mit mir gemeinsam auf und lackierte mir die Fingernägel in den Farben der Transflagge. Vor dem Lippenstift scheute ich mich allerdings ein bisschen, auch wenn ich nicht mehr duschen musste. Gestern Abend hatte ich das schon erledigt, sodass ich erst wieder auf Hawaii musste. Mithilfe des Spiegels in meiner Schranktür trug ich ein Hauch Lidschatten auf. „Das passt so", entschied ich bevor Marie noch etwas dagegen sagen konnte: „Ich fliege immerhin über zehn Stunden, das muss nicht passen."

Mias Eltern holten mich um acht mit meiner Reisetasche und meinem Rucksack vor dem Eingang zur Wohngruppe ab. Unser Flug ging in drei Stunden und wir mussten auch noch durch die Sicherheitskontrollen und nach Hannover fahren. Mit einem Umstieg in Frankfurt ging der ganze Spaß aber trotzdem noch. Zumindest wenn wir nicht schon im Inlandsflug Verspätung hatten. Es machte mich trotzdem unglaublich nervös. Noch nie vorher hatte ich den festen Boden unter meinen Füßen verlassen. Aber für alles gab es ein erstes Mal schien es zumindest nach meinem Gefühl. Heute würde ich das erste Mal vom Boden verlassen und hoffentlich gegen 22 Uhr auf Hawaii landen. Allerdings waren es bis dort 12 Stunden Zeitverschiebung, wir würden um 10 Uhr Ortszeit dort landen.

Die Sicherheitskontrollen und der Check-In dauerten nicht besonders lange, es zog an mir vorbei, wie in einem Traum. Dann endlich konnten wir in das Flugzeug gelassen und durften uns mit dem Handgepäck auf unsere Plätze für den Flug nach Frankfurt setzen. „Viel Spaß", Mia überließ mir den Fensterplatz und vergrub die Nase in einem Magazin über verschiedene Schauspieler. Ich starrte, schon während das Flugzeug zur Startbahn rollte, fasziniert nach draußen. Es war ein großartiger Anblick, während das Flugzeug immer schneller wurde und wir dann schließlich vom Boden abhoben. Ich war absolut fasziniert davon, wie Hannover immer kleiner unter uns wurde. „So spannend", Mia stupst mich an, als ich immer noch nach unten starrte, obwohl unter uns nur noch Wolken zu sehen waren. „Ja ist es."

Der Umstieg in Frankfurt ging wesentlich schneller, war aber mitten in einem gewittrigen Schauer. Der Abflug war weniger spannend als der in Hannover. Noch bevor wir Reiseflughöhe hatten war ich schon eingeschlafen. Mia dachte zum Glück daran mir ein Glas Fanta mit zu bestellen, was ihre Eltern bezahlten. Ich wachte aber erst wieder auf, als wir schon bei klarem Wetter über den Atlantik flogen. Mia neben mir las, ihre Mutter schlief ebenfalls und ihr Vater hörte Musik.


Schatten der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt