Sola war ähnlich entsetzt wie ich, als sie erfuhr, was der Typ im Kino getan hatte, wir beschlossen allerdings das Ganze für uns zu behalten. Immerhin hatte der Typ auch Mia bedrängt in der Damentoilette. Seine Worte wollten mir allerdings partout nicht aus dem Kopf gehen, auch nicht als wir uns in dem gemieteten VW-Bus auf den Weg in Richtung Alpen machten. Ich schloss schließlich seufzend meine Kabelkopfhörer an mein Handy und stellte Musik an, um meine ständig um seine Worte kreisenden Gedanken loszuwerden. Meine Eltern in der ersten Reihe bekamen davon nicht viel mit, meine Mutter fuhr, mein Vater suchte im Radio nach einem neuen Sender. Meine Oma in der Reihe vor uns schlief schon Seelenruhig an die Fensterscheibe gelehnt, mein Opa schien friedlich mit seinem Buch beschäftigt.
Ich zog ebenfalls ein Buch aus meinem Rucksack und vergrub meine Nase in den Seiten, um mich nicht von dem Gelaber im Radio ablenken zu lassen. Die Story der Geschichte war echt spannend und auch nicht das was einfach jeder las, wie Harry Potter oder Star Wars. Sola war neben mir so langsam auch eingeschlafen und nahm ihre Jacke als Kopfkissen, sie gab damit ein recht süßes Bild ab. Sonst wirkte sie immer so hart, aber im Schlaf war auch sie ein weiches Wesen, dass sich nicht auf irgendetwas konzentrierte. Auch ich konnte meine Müdigkeit aufsteigen spüren, als in meiner Playlist ein getragenes Lied kam, aber ich unterdrückte es.
Als wir nach Bayern kamen, fuhren wir in ein Sommergewitter hinein, bei Temperaturen um die dreißig Grad auch kein Wunder. Meine inzwischen recht langen Haare klebten in meinem Nacken und an den Seiten meines Kopfes. Ich hätte mir liebend gern wie meine Mutter und Sola einfach einen Zopf gemacht, aber dafür waren meine Haare dann auch wieder zu kurz. Einen Vorteil hatte es aber keine Oberweite zu haben, in unserer ersten Pause auf einem kleinen Rastplatz nach gut drei Stunden konnte ich einfach mein gestreiftes T-Shirt ausziehen und mich Oberkörperfrei in das Auto setzen, was zumindest mein Schwitzen reduzierte. Dafür brauchte ich dann allerdings die erste Flasche Apfelschorle, die ich fast innerhalb von einer Minute entleerte.
Als wir das erste Mal einen Blick Nürnberg werfen konnten, saß mein Vater zum zweiten Mal am Steuer. Eine Vollsperrung hatte uns fast zwei Stunden gekostet und auch danach war es nur schleppend vorangegangen. Meine Mutter las sich gerade noch einmal den Wetterbericht für das Bundesland Tirol durch und ging damit meinem Vater auf die Nerven. Meine Oma war inzwischen wach und sah meiner Mutter über die Schulter. Mein Opa las immer noch sein Buch, hatte es allerdings fast zu Ende, nebenher kommentierte er das was im Radio lief, was meinen Vater dazu brachte es auszuschalten. Stattdessen ließ er Sola das Handy mit dem Bluetooth System verbinden und unsere Familienplaylist anstellen.
In Nürnberg waren wir in einem kleinen Hotel untergekommen, das nicht so besonders viel gekostet hatte. Mein Vater bezahlte den Spaß und trug auch den größten Teil unserer Taschen die Treppen hinauf, die wir für die eine Nacht brauchen würden. Als Revanche lud uns unsere Oma allerdings dann zu einer Pizza ein, die wir schließlich nur bestellten und uns damit außerhalb des Hotels niederließen, um sie in Ruhe essen zu können. Meine war wie eigentlich immer mit Salami und Paprika belegt. Der Abend wurde für die sonstigen Verhältnisse in meiner Familie echt ruhig, wir hatten drei Doppelzimmer, was hieß, dass ich mir mit Sola ein Zimmer teilte.
Die restliche Fahrt nach Österreich verlief ziemlich ruhig am nächsten Morgen, meine Eltern fuhren. Wir spielten mit meinen Großeltern über einen zurückgeklappten Sitz erst Uno, dann Doppelkopf und zum Schluss noch Rommé. Als Siegerin im Rommé ging Sola schließlich nach vier Spielen hervor, meine Oma gewann im Doppelkopf, ich im Uno, mein Opa ging dann leider leer aus. Meine Mutter gab und als Belohnung Kekse nach hinten, die aber innerhalb von Minuten allerdings leer war. Mein Handy zeigte wenig später auch schon den Wechsel nach Österreich an und ich musste es neu starten, damit mein Internet wieder anging.
Wir waren in einer Art Hotel untergebracht mit Halbpension, wo wir auch uns etwas für das Mittagessen mitnehmen. An diesem Mittag hatten wir noch eine kleine Wanderung vor, ein wenig durch den Ort zu einer Seilbahn, um auf einen Berg zu fahren und dort die Aussicht zu genießen. Meine Eltern wollten dann noch mit Sola und mir auf den benachbarten Berg wandern, meine Großeltern wollten sich in ein Café in der Nähe der Seilbahn setzen. Sola und ich besaßen noch von einer Freizeit vom letzten Sommer gute Wanderstiefel, die wir letzten Sommer gekauft hatten. In der Freizeit waren wir in den Deutschen Alpen gewesen mit zwölf Leuten klettern und wandern. Meine Eltern hatten nur noch Sportschuhe keine guten Wanderstiefel, weswegen sie damit mit uns wanderten.
Der Weg war nicht allzu weit, bis wir auf dem Vorgipfel standen und nach unten sehen konnten, wir nahmen uns kurz Zeit, um etwas zu trinken und die Aussicht zu genießen. Meine Mutter hatte eine Karte mitgenommen und analysierte mit Sola die Berge die wir sahen, mein Vater machte Fotos, bevor wir weitergingen. Oben auf dem Gipfel war es dann doch recht windig, ich zog meine Jacke an und zog mir die Kapuze über den Kopf während meine Mutter Brote und Saft verteilte. Dann schoss sie noch ein Familienselfie mit uns und schickte es an meine Großeltern die immer noch in dem Café saßen. Auf dem Abstieg beeilten wir uns noch einmal, damit sie nicht mehr so lange alleine dort saßen und mein Opa nicht wieder aggressiv wurde.
Gegen 16 Uhr fuhr meine Mutter Sola und mich zu dem Treffpunkt des Camps, auf einem Parkplatz im Inntal waren schon einige Autos geparkt und zwei junge Männer standen etwas abseits, umringt von einer Gruppe Kinder und Jugendlicher. Meine Mutter stellte sich und uns kurz vor und verabschiedete sich dann. Wir sahen dem VW-Bus hinterher, jetzt waren wir alleine mit einer Gruppe fremder Kinder, die Stimmung lockerte rasch auf. Das Alter lag zwischen elf und sechzehn Jahren, ich war also nicht die jüngste der Gruppe, das war ein kleines Mädchen, das deutlich zierlicher und verschreckter schien als ich im Camp gewesen war letztes Jahr.
Wenig später saßen wir an einer Art Gebäude um ein Lagerfeuer und die beiden Betreuer stellten sich vor. „Ich bin Jakob Bach und das ist Benjamin Timino", stellte sich der größere der beiden vor, er hatte kurze nussbraune Haare und dunkelblaue Augen, der andere sah ein wenig südländischer aus, mit schwarzen Haaren, dunkelbraunen Augen und dunklerer Haut. Dann ging es an uns mit der Vorstellung, Sola neben mir war als erste dran: „Ich heiße Sola, ich bin 15, komme aus Deutschland und komme nach den Ferien in die elfte Klasse." Sie sah mich an und ich stellte mich auch vor, das ich trans* war ließ ich weg, das konnte eine witzige Freizeit werden.
DU LIEST GERADE
Schatten der Vergangenheit
Teen Fiction,,Warum machst du einen Unterschied zwischen einem Mädchen und einem Jungen?" Klischees sind ein Problem, dass der 12jährige Carlos von einer ganz anderen Seite kennt. Gibt es einen Ausweg? Vorgeschichte zu: Ein Licht in der Dunkelheit Diese Story...