Kapitel 30 Anfang

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Der erste Schultag nach den Ferien kam leider eindeutig zu früh, der Donnerstag an dem die Schule wieder begann, war eindeutig viel zu warm. Mein Schultag begann allerdings auch erst um halb zwölf und wir hatten nur einen Block Organisation, der erste normale Schultag war erst Morgen. Sola und ich fuhren gemeinsam zur Schule und trennten uns auf dem Weg durch das Gebäude, ich musste hoch in den zweiten Stock des einen Gebäudes, während Sola in den anderen Gebäudeteil musste. Vor unserem Klassenraum standen schon einige meiner Mitschüler und starrten größtenteils auf ihre Handys. In einer Ecke stand noch ein fremdes Mädchen, das ich nicht kannte, ich warf ihr einen neugierigen Blick zu und gesellte mich dann zu Mia und Mira in unserer üblichen Ecke. Einem kleinen Loch in der Wand, wo man gerade so zu dritt Platz hatte.

„Lang nicht gesehen", Mia umarmte mich und sah zum Lehrer, der gerade unseren Klassenraum aufschloss. Das musste unser neuer Klassenlehrer sein, ich kannte ihn nicht, im Gegensatz zu Mia und Mira, die ihn wohl nicht zum ersten Mal sahen. „Sagte ich dir doch, Mil. ist Herr Milanow", triumphierte Mira: „Der ist gar nicht gut für dich Mia, den musst du jetzt zwei Jahre lang aushalten." Sie sah vage in meine Richtung: „Wir hatten ihn in der fünften Klasse in Physik, Mia und er haben sich gehasst wie die Pest. Am Ende hat sie allerdings eine so gute Note geschrieben, dass er ihr eine vier geben musste, trotz der sechs, die er ihr mündlich reingedrückt hat."

Der Lehrer wirkte im ersten Moment zwar noch sympathisch auf mich, als wir uns in die zweite Reihe setzten und unsere Zeugnisse auf den Tisch setzten. Dann warf er allerdings Mia einen giftigen Blick zu und begann ohne eine Begrüßung die Unterschriften unserer Eltern zu kontrollieren. „Na immerhin fälschst du keine Unterschriften", knurrte er und hakte Mira auf seiner schrecklichen Liste ab, um sich dann mein Zeugnis anzusehen: „Du warst aber noch nicht hier in der fünften oder?" Ich schüttelte den Kopf: „Ich bin nach den Osterferien hergewechselt, weil wir umziehen mussten." „Achso na gut", der Lehrer hakte meinen Namen auf seiner Liste ab und warf einen Blick auf Miras Zeugnis, was er einfach nur wortlos abhakte.

Herr Milanow war bisher noch nett zu mir gewesen, auch noch als er mich am Ende des Blocks zu sich winkte. „Dein Vater ist nicht zufällig Jakob Schmitz oder", wollte er von mir wissen und ich nickte: „Das ist ein Freund von mir, deswegen war ich bei der Unterschrift von ihm so verwirrt." Ich zuckte mit den Schultern: „Irgendjemand muss ja mein Zeugnis unterschreiben und Eltern haben ja auch Freunde." Mein Klassenlehrer nickte und entließ mich dann ebenfalls in meinen freien Nachmittag, Mia wartete schon an den Fahrradständern auf mich. „Der Typ ist so ein Idiot, die neue Mitschülerin stellt man ja natürlich nicht vor", beschwerte sie sich und ich verstand, warum die beiden sich nicht mochten.

Mia hatte einfach auch ganz andere Vorstellungen vom Umgang mit Menschen, unser Klassenlehrer war etwas gröber vom Charakter her. Die beiden kamen dadurch nicht miteinander aus und die schlechten Noten schürten wohl daher, dass sie immer über alles diskutieren musste und ihren Unmut über den Lehrer immer auch kundtat. Wir fuhren gemeinsam mit den Fahrrädern nach Hause, auch wenn wir uns kurz davor trennen mussten. „Ich bin wieder da", rief ich durchs Haus als ich die Treppe hinauflief und warf meinen Rucksack an die Treppe in den zweiten Stock, bevor ich ins Wohnzimmer lief. Mein Vater saß vor dem laufenden Fernseher und tippte etwas ins seinen Laptop: „Hallo Carlos, wie war die Schule?"

Abends erfuhr ich allerdings auch erst, was mein Vater an seinem Laptop gemacht hatte, er war dabei gewesen, einen Text für das Pflegeheim für meinen Opa zu schreiben. Es war ein Platz freigeworden, den er, wenn auch widerwillig, bald beziehen würde. Mein Vater hatte als Altenpfleger natürlich auch Ahnung von irgendwelchen Berichten und Vorfällen und konnte alles an Verhalten dokumentieren. Mit der Heimleitung wollte er nach seiner Nachtschicht über einen Termin für den Einzug reden, auf dem Weg zu dieser brachte er mich zu einem Testspiel, für die nächste Saison, die wir eine Liga in den Jugendmannschaften höher spielen. Ich hatte mit den letzten Spielen auch mit zum sicheren Aufstieg beigetragen, wir spielten heute gegen eine Mannschaft aus eben dieser Liga. Allerdings mit einigen neuen, die in diesem Sommer dazu gekommen waren.

Sabrina hielt mal wieder eine lange Rede in der Kabine, der ich halbwegs aufmerksam lauschte, sie hatte hohe Ansprüche an das was heute passieren sollte. Sie wollte einen Sieg von uns, aber nicht um jeden Preis, wir sollten sie nicht totkloppen und einfach unser Bestes geben. Ein Lächeln huschte über meine Lippen, als sie mich in ihrer Taktik aufführte und noch einmal alles hervorhob, was gut gelaufen war, im Finale des Aufstiegskampf. Irgendwo freute ich mich auf das Spiel, die Vorbereitung auf meine erste Saison bei meinem neuen Verein, den ich eher unfreiwillig wählen musste. Julian, einer meiner Mitspieler riss mich aus meinen Gedanken: „Wir sollten mal so langsam anfangen oder? In einer halben Stunde geht's los."

Das Spiel ging am Ende mit einem sagenhaften 1:1 zu Ende, das Spiel hätten unsere Gegner allerdings bis zur 80. Minute gewonnen. Dann zeigte jedoch Julian, was er konnte und schoss einen Freistoß aus über zwanzig Metern ins Tor und ging dann mit uns anderen auf dem Feld feiern. Ich hielt das Unentschieden fest und am Ende konnten die Gegner sich einfach nur über uns ärgern. Ich grinste breit und warf mich Julian lachend in die Arme, als wir einen Kreis bildeten und feierten mit Sabrina, während sich die Gegner rasch in die Umkleidekabinen verzogen. „Super gemacht", Sabrina grinste wie ein kleines Kind an Weihnachten, als wir in die Umkleide zurückkamen: „Die waren deutlich stärker als wir und trotzdem haben wir nicht verloren."

Meine Mutter holte mich wenig später wieder ab und wir fuhren wieder nach Hause. Draußen lief mein Opa leise vor sich hinmurmelnd hin und her und sah sich verwirrt um, meine Mutter seufzte und schickte mich schonmal ins Haus. Sie kam erst wieder als wir schon begonnen hatten Abendbrot zu essen. Mein Opa hatte sich laut ihr schon in sein Bett verzogen. „Das müssen wir ja nicht mehr lange aushalten", murmelte mein Vater, wie um sie zu trösten, meine Mutter zuckte mit den Schultern und nahm sich mehr von dem Salat. Unten rappelte es die halbe Nacht durch, bevor mein Opa endlich auch mal schlafen ging und ich schlafen konnte. Meine Träume kamen in dieser Nacht fast sofort.

Ich konnte mich selbst sehen, mit wirklich langen Haaren, sie fielen mir bis über meine Schultern und verdeckten die Schultern meines grauen Hoodies. Mein Gesicht hatte sich deutlich verändert, aber nicht wie in meinen Albträumen, sondern viel weicher, es konnte sicherlich nicht einen besseren Traum geben.


Schatten der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt