„Bist du bereit Luna", Frau Timmerlahn hielt vor dem Gebäude. Hier saßen so einige Ärzte und verschiedener Fachrichtungen. Einer davon war der Endokrinologe, den ich seit einigen Wochen besuchte. Heute war es soweit, ich würde mein Rezept für die Hormonblocker bekommen. Mit diesem war schon geplant, dass wir direkt zur nächsten Apotheke fuhren. Dort sollte das Rezept dann eingelöst werden. Aber ich musste mich auch erst einmal trauen aus dem Auto auszusteigen und in das Gebäude zu gehen. Die Leiterin der Wohngruppe würde mich dort hinein begleiten. Sie würde allerdings außerhalb des Raums warten, bis der Endokrinologe mit mir fertig war. Das würde für immer ein regelmäßiger Termin für mich bleiben. Es würde mir auch gleich noch ein letztes Mal vor den Blockern Blut abgenommen werden.
Danach würde es aber auch in regelmäßigen Abständen wieder sein. Man musste die Anteile von Testosteron in meinem Blut regelmäßig überprüfen. Ich nickte als Frau Timmerlahn mich weiter fragend ansah: „Ja ich bin bereit." Damit schnallte ich mich ab und nahm meine Tasche und kletterte aus dem Auto. Frau Timmerlahn folgte mir zum Eingang, wo ich bei der Praxis klingelte. Der Summer wurde betätigt und drückte die Tür auf. Von drinnen schlug mir schon der Geruch nach Desinfektionsmittel entgegen. Ich stieg die Treppen hinauf in den vierten Stock, wo der Endokrinologe war. Ich schob die Tür auf und stellte mich an der Schlange an. Während des Wartens wühlte ich schonmal meine Krankenkassenkarte aus meinem Portemonnaie. Es beruhigte immerhin meine Nerven wieder.
„Carlos Schmitz", ich reichte der Dame an der Anmeldung meine Karte: „Ich habe einen Termin bei Herrn Doktor Phillips für halb drei." „Dann sind sie ja fast perfekt pünktlich", die Arzthelferin nahm mir meine Karte ab. „Dann kannst du kurz noch im Wartezimmer Platz nehmen." Sie reichte mir meine Karte zurück und ich ließ mich im Wartezimmer nieder. Versuchte das Zittern meiner Hände zu verbergen, indem ich sie in meinen Schoß klemmte. Fünf Minuten, Zehn Minuten dann wurde ich endlich aufgerufen. „Carlos Schmitz bitte, in Sprechzimmer zwei." Ich stand zögerlich auf und lief aus dem Raum. Im Flur wartete auch schon die Arzthelferin, die mich zu dem Raum führte. Ich setzte mich auf die Behandlungsliege und wartete dann mal wieder. Das konnte hier teilweise länger dauern.
„Hallo Luna", Doktor Phillips gab mir die Hand: „Wie geht's wie stehts heute?" Ich verkrampfte mich ein wenig bei dem Gedanken an einen Vorfall von heute Morgen. Ich hatte das bekommen, was man wohl Morgen-Erektion nannte. Kein besonders angenehmer Vorfall. Frau Timmerlahn hatte von dem Vorfall auch schon gehört. Ich zögerte trotzdem es dann endlich zuzugeben was passiert war. Aber ich beichtete es trotzdem. „Das kommt leider davon, dass du in die Pubertät kommst, dein Körper schüttet schon viel Testosteron aus. Das sehe ich leider auch stark in deinen Blutwerten, du hättest eigentlich schon deutlich früher anfangen können. Aber genau deswegen bist du ja hier, wir nehmen dir nochmal Blut ab und du bekommst dein Rezept für die Hormonblocker." Er deutete auf den Zettel auf dem niedrigen Tisch.
Ich reckte meinen Kopf, als der Endokrinologe mein Blut abnahm. Ich hatte mich an den Pieks und den Anblick des Bluts schon gewöhnt. Der Arzt nahm mir zwei Röhrchen Blut ab und reichte mir dann ein Glas Apfelsaft. Das gab es hier für alle Patienten nach einer Blutabnahme, damit der Kreislauf nicht absackte. Ich trank das Glas leer während Doktor Phillips meine Blutprobe schon wegbrachte und dann wieder in den Raum kam. „Setz dich am besten da auf den Stuhl, jetzt reden wir ja nur noch." Er deutete auf den Stuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches. Ich gehorchte und setzte mich hin. Von dem was mir der Arzt als nächstes erzählte verstand ich aber nicht viel, es war medizinischer Kram.
Das Einzige was ich davon verstand, war, dass es bei den Medikamenten auch von meinen Körperwerten abhing. Ich war mittlerweile 1,78 m groß und wog 65 Kilogramm. Das war ein seltsames Gefühl so groß zu sein und endlich Therapie mit Medikamenten zu bekommen. „Na dann das Wichtigste", Doktor Phillips reichte mir mein Rezept. Da stand zwar immer noch mein Deadname drauf, aber glücklicher als ich in dem Moment konnte man kaum sein. Ich konnte endlich Hormonblocker nehmen, ich würde sie zumindest gleich bestellen können. Mit etwas Glück konnte ich sie auch gleich mit abholen. Das hing aber von meinem reinen Glück ab, was in der Apotheke da war. „Dankeschön", ich lächelte den dunkelhaarigen Endokrinologen schüchtern an, als ich das Rezept entgegennahm: „Bis zum nächsten Mal."
Mit meinem Rezept in der Hand machte ich mich auf den Weg nach draußen. Frau Timmerlahn lehnte an der Wand vor dem Eingang und schaute auf ihr Handy. „Hast du es endlich bekommen?" Ich wedelte mit dem Rezept vor ihr herum: „Ich habe es wirklich!" „Na dann, gehen wir es mal einlösen", die Leiterin der Wohngruppe lief mir voraus die Treppe nach unten. Wenig später saßen wir im warmen Auto und waren unterwegs zur Apotheke. Kaum da ging es unglaublich schnell, Frau Timmerlahn fragte nur kurz nach dem Medikament, wenig später stand es auch schon vor mir. Ich gab mein Rezept ab und die Wohngruppenleiterin bezahlte. Keine zehn Minuten später waren wir schon auf dem Weg nach Hause. Ich war in gut zwanzig Minuten zu Hause mit meinen Hormonblockern.
Dann war es endlich so weit, ich war pünktlich aufgestanden, für meine erste Dosis Hormonblocker. Es würden noch viele Male folgen.
To be Continued...
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Schatten der Vergangenheit
Fiksi Remaja,,Warum machst du einen Unterschied zwischen einem Mädchen und einem Jungen?" Klischees sind ein Problem, dass der 12jährige Carlos von einer ganz anderen Seite kennt. Gibt es einen Ausweg? Vorgeschichte zu: Ein Licht in der Dunkelheit Diese Story...