Kapitel 10 Reichtum

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Am Mittwoch vor Ostern fuhren meine Eltern wieder nach Stuttgart, um meine Großeltern abzuholen, sie wollte erst am Karfreitag wiederkommen. Ab mittags waren wir alleine zuhause und ich lief direkt zu Sola in ihr Zimmer hinüber, sie saß an ihrem mittlerweile aufgebauten Schreibtisch. „Willst du dich wieder direkt umziehen?" Sie sah nicht von ihrem neuen Biobuch auf: „Das war die Idee, Mama und Papa sind ja nicht da, deswegen dachte ich, dass das passt." „Sieht ganz so aus", Sola sah auf und schlug ihr Biobuch zu: „Na dann, schauen wir mal wie dir die Sachen jetzt stehen." Sie stand auf und lief in den begehbaren Kleiderschrank, meine Sachen hatte sie in eine eigene Ecke gehängt und reichte mir diese jetzt an.

Wenig später stand ich vor dem Spiegel in Solas Zimmer und konnte meine Kleidung begutachten. Meine Haare reichten mittlerweile fast bis zu meinem Ohrläppchen, was zumindest mich freute meine Eltern allerdings weniger. Ich trug eine Weiße Bluse und den blauen Rock den ich nach Lana anprobiert hatte, darunter trug ich mein eigenes weißes T-Shirt, ein Unterhemd und einen mit Socken ausgestopften Bustier. „Deine Haare sind immer noch zu kurz, um dir eine vernünftige Frisur zu machen", Sola beäugte mich skeptisch: „Aber wir könnten zum Frisör, es gibt ja auch Damen Kurzhaarschnitte." Sie zog ihr Handy aus der Hosentasche, um mich von zu fotografieren und mir die Bilder zu schicken. Eine Minute später hielt ich schon die Fotos mit meinem Handy in der Hand und konnte meine Kleidung von außen begutachten.

An diesem Tag wurde es nichts mehr mit einem Besuch beim Frisör, Sola rief zwar an, bekam aber nur einen Termin am nächsten Vormittag. Der nächste Vormittag dauerte für mich allerdings schon zu lange bis er endlich da war. Ich trug die Kleidung, die ich gestern schon angehabt hatte und Sola gab sich alle Mühe mich dezent zu schminken. Ihr Problem war, dass sie sich nur selbst bisher geschminkt hatte. Aber immerhin wurde es für meine Augen nicht schlecht, ein leichter Lidschatten betonte meine Augen und hob deren Farbe leicht hervor. Meine Lippen leuchteten roter als normal und Sola war jetzt damit beschäftigt mir Nägel in den Farben der Transflagge zu lackieren. Morgen musste sie das Ganze zwar wieder restlos abbekommen, aber schlecht sah es auch wieder nicht aus.

„So wie finden Sie das", die Friseurin ließ von meinen Haaren ab, damit ich meine Frisur im Spiegel anschauen konnte. Meine Ohren waren wieder frei und der Scheitel war auf meine rechte Seite verschoben, die Haare waren flach auf die linke Seite gelegt, mir gefiel der Schnitt. „Sieht doch super aus", befand Sola und half mir aus dem Stuhl hoch: „Das steht dir doch schon und ist nicht zu auffällig für unsere Eltern." Sie hatte lange mit der Friseurin darüber diskutieren müssen, mir einen Damenhaarschnitt zu verpassen. Die ältere Frau war der Meinung gewesen, dass ich zu jung für eine Entscheidung für solche Schnitte war, auch wenn wir ihr mehrfach sagten, dass ich zwölf war und keine zehn. Am Ende hatte sie nachgegeben und mir die Haare geschnitten, aber immerhin ohne über meine Kleidung zu meckern. Sola bezahlte den Haarschnitt und macht ein Foto von mir im T-Shirt ohne die Bluse, um es meinen Eltern zu schicken. „Ich habe Carlos zum Haareschneiden überreden können", schrieb sie unter das Bild. „Das sieht doch klasse aus", gab meine Mutter direkt zurück: „Hoffentlich ist das schöne T-Shirt nicht eingesaut worden."

Zuhause machte dann Sola noch ein Foto von mir mit dem neuen Haarschnitt und Bluse und schickte es mir. Irgendwie kam in mir ein gewisser Stolz auf, als ich es in den Chat schickte. „Sieht klasse aus", schrieb Luan in den Chat: „Siehst aus wie ein Mädchen." Ein Lächeln huschte über mein Gesicht als ich zurückschrieb: „War mit unter @Sola's Idee mir die Haare unauffällig in einen weiblichen Schnitt zu machen und mit dem Schminken zu kombinieren." Es kamen noch einige weitere Kommentare zu meinen Fingernägeln und der Schminke von Sola, am Ende musste auch meine große Schwester Grinsen als der Kommentar flog: „Nicht übel für die zehn Tonnen Schminke bei den meisten Mädchen." „Sie muss allerdings nachher die nicht zehn Tonnen wieder abmachen, Probetraining mit der neuen Mannschaft." Sola hängte eine Menge Lach Emojis dran: „Unsere Eltern haben die Schminke nicht einmal bemerkt als wir ihnen das Foto geschickt haben. Ich seufzte, da war ja noch was, meine Eltern hatten mich in einer neuen Mannschaft angemeldet und heute war mein erstes von drei Probetrainings. Fußball an sich machte mir ja Spaß, aber ich vermisste meine alte Mannschaft jetzt schon. Besonders Lea, das immer gut gelaunte Mädchen aus unserer Mannschaft und auch unseren Trainer, aber vielleicht war die neue Mannschaft gar nicht so schlecht.

Der Verein wo meine Eltern mich angemeldet hatten, war fast drei Kilometer von unserem Haus entfernt, in einer Gegend wo offensichtlich Geld eine große Rolle. Die Häuser oder sollte man eher Villen sagen, protzten nur so vor Reichtum. Ich fuhr an mehreren Porsches, einem Lamborghini und teuren BMWs und Audis vorbei. Mitten in diesem Reichenviertel war der Sportplatz, hauptsächlich durch seine unglaublich hässlich herausragende Sporthalle unverkennbar. Ich stellte mein Fahrrad in einen Ständer vor der Halle und machte mich zu Fuß auf den Weg zu den beiden Fußballplätzen, die auf einem Hügel hinter der Halle lagen. Zwei Jungen und ein Mädchen zogen sich schon auf der kleinen Tribüne die Schuhe um. „Hey", begrüßte ich die drei in meinem Alter. „Bist du der Neue?" Das Mädchen machte einen Knoten auf ihre Schleife und baute sich vor mir auf, um mich von oben bis unten. „Bist wohl ausnahmsweise keins von den Kindern, das von den Eltern mit ihrem Reichtum eingekauft wurde." Ich musterte sie ebenfalls von Oben bis unten, sie trug ein langärmliges Wolfsburg Trikot von Alexandra Popp, eine lange dunkelblaue Hose und abgetretene Nike Fußballschuhe. Sie sah normal aus auf mich, nicht anders als ich im Gegensatz zu den beiden Jungen, die jetzt die Tribüne herunterkamen.

„So kommt mal her", ich zuckte zusammen als eine Frau auf den Platz gejoggt kam und sich alle um mich herum in Bewegung setzten. Mich hielt sie noch zurück und musterte mich kurz: „Du sollst also unser neuer Torhüter sein. Willkommen ich bin Sabrina, die Trainerin der Truppe hier, ich bin gespannt was du so leistest." Sie hielt mir die Hand entgegen, die ich schüttelte und dann mit ihr zusammen zu den anderen hinüberlief. Das Training war nicht wirklich anders als bei meinem alten Verein außer, dass mir der Reichtum meiner Mitspieler immer wieder unter die Nase gebunden wurde. Isabella das Mädchen, dass mir direkt über den Weg gelaufen war, war mit noch eine der normalsten der Truppe. Es gab noch ein andere Mädchen, das mit ihrem Zwillingsbruder hier mitspielte. Der Reichtum blitzte und blinkte rings um den Platz herum und auch in der Kleidung meiner Mitspieler, auch wenn Sabrina nicht aufhören konnte, mich und noch ein paar andere zu loben.


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