Kapitel 33 Psyche| TW Suizid

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„Carlos bist du dran?" Ertönte die zittrige Stimme meines Vaters, so hatte ich ihn noch nie gehört: „Ja ich bin da, was ist passiert?" Mein Vater schob irgendwas mit dem Fuß beiseite: „Deine Mutter hat vorhin versucht sich umzubringen." „Was", ich zerquetschte gefühlt mit der linken Hand das Telefon, das Plastik knackte: „Wie?" „Sie hat ihr Auto vor einen Baum gefahren", mein Vater putzte sich die Nase, während Johanna mir den Arm um die Schultern legte: „Zum Glück hat der Motoblock das Schlimmste verhindert, sie hat sich nur den Mittelfußknochen und das Nasenbein gebrochen und hat durch den Airbag ein Knalltrauma. Im Moment ist sie noch im Krankenhaus, wo sie schon zugegeben hat, dass es ein Suizidversuch war, dann wird sie wohl in die Psychiatrie überwiesen werden."

Johannas Mutter goss mir Tee in meine Tasse während mein Vater fortfuhr: „Es wäre super, wenn du ein wenig länger nicht zuhause bist, hier ist nur Chaos. Die Eltern von Johanna waren schon damit einverstanden." Ich sah zu Johanna die mir ein leichtes Lächeln schenkte und legte den Kopf auf ihre Schulter: „Ich halte das hier schon aus Papa, haltet mich aber bitte auf dem Laufenden." „Das machen wir", mein Vater putzte sich noch einmal die Nase: „Tschüss mein Schatz, ich rufe dich heute Abend auf dem Handy an." „Danke und tschüss", krächzte ich ins Telefon als bei mir auch die Tränen in die Augen schossen, ich hörte kaum wie mein Vater sich verabschiedete und auflegte.

Johanna und Jason führten mich zum Sofa, wo ich mich an Johanna kuschelte und mir Jason ein Taschentuch nach dem anderen reichte. Der Taschentuchberg wuchs, während ich mir die Augen ausheulte an der Schulter meiner besten Freundin. „Es ist glaube ich besser, wenn die Party zu Ende ist", murmelte Jason: „Ich kann nach Hause fahren und dir ein paar Unterhosen und eine meiner Badehosen für duschen holen." Ich war eindeutig nicht in der Lage, ihm darauf zu antworten, das übernahm Johannas Vater: „Schreib deinen Eltern, ich bringe dich, damit es schneller geht." Mein bester Freund umarmte mich noch einmal fest und ging sich dann seine Jacke und Schuhe anziehen.

Als Jason gut eine Stunde später wiederkam hatten wir uns keinen Millimeter bewegt, nur der Tee war inzwischen leer und der Taschentuchberg war im Müll. Er legte mir eine Tasche auf den Schoss: „Hier, da ist alles drin, Johanna kann mir die sicherlich wiederbringen, wenn wir uns das nächste Mal sehen." Johanna nickte: „Mache ich keine Sorge, das sollte nicht dein Problem sein Carlos, wir sollten dir jetzt erstmal die Gästematratze aufbauen. Soll Jason bleiben oder gehen?" Ich sah zu meinem dunkelhaarigen besten Freund auf: „Er soll bleiben bitte." „Klar warte kurz, dann geht meine Mutter jetzt einkaufen", Jason lief aus dem Wohnzimmer und kurz zur Haustür hinaus, während wir schon in den ersten Stock zu Johannas Zimmer liefen. Sie wohnte im rechten Flügel der U-förmigen Villa und hatte ein eigenes Bad und Spielzimmer.

Wir bauten zu dritt mir ein Matratzenlager auf dem Fußboden von Johannas Zimmer auf und wir legten nach kurzer Diskussion auch Johannas Matratze auf den Boden. Johannas Eltern nahmen mich kurzerhand als eigenes Kind auf, zum Mittagessen gab es selbstbelegte Pizza, die wir wenig später auch schon mit Genuss verspeisten. „Bis wann habt ihr Ferien", Johannas Vater schob sich ein Stück Pizza in den Mund: „Ich habe das schon wieder aus den Augen verloren, mit der ganzen Arbeit." „Bis zum 15. Oktober", Johanna zerlegte konzentriert ihre Pizza: „Und dann ist am 31. Oktober nochmal ein Feiertag." Ihr Vater zuckte mit den Schultern: „Du kannst so lange bleiben wie du magst Luna, nur am 16. musst du wieder zur Schule." „Danke", murmelte ich und spießte ein Stück Pizza auf meine Gabel: „Hängt ja von meinem Vater auch ab." „Das stimmt", der Vater meiner besten Freundin warf seiner Tochter einen kurzen Blick zu: „Das wird schon."

Mein Vater rief mich noch vor dem Abendessen an diesem Tag an gemeinsam mit Sola. „Hallo Carlos", er atmete hörbar in sein Handymikrofon aus: „Wie geht es dir denn gerade?" „Ganz in Ordnung", gab ich zurück: „Wir essen gleich Abendbrot, ich habe von Jason Sachen zum Anziehen bekommen, wie geht es euch?" „Passt schon", rief Sola aus dem Hintergrund: „Wir kommen schon irgendwie zurecht, auch wenn Mama uns glaube ich allen fehlt." „Natürlich", antwortete ich und ließ mich auf meine Matratze sinken: „Wisst ihr denn schon was neues?" „Nein", jetzt sprach wieder mein Vater: „Sie muss nur nicht operiert werden ist der aktuelle Stand bisher, aber sie ist immer noch im Krankenhaus logischerweise."

Wir telefonierten noch eine Weile weiter, bis ich von Johanna zum Abendessen gerufen wurde, es gab bei ihnen nur Salat zum Abendessen. „Möchtest du noch etwas anderes essen? Es gibt ja immer unterschiedliche Dinge zum Abendessen in unterschiedlichen Familien", Johannas Mutter tat mir Salat auf den Teller, es war Tomatensalat mit Zwiebeln und Käse. Ich schüttelte den Kopf, bei uns gab es meistens auch zusätzlich Salat und von nur Salat lebte man auch nicht schlecht. Tomaten mochte ich auch recht gern, das war kein schlechtes Abendessen. Ich schaufelte mir ein paar Tomaten auf meine Gabel und sah kurz zu meinen Gastgebern: „Ich müsste heute Abend duschen, ginge das?" „Natürlich", Johanna grinste mich an: „Ich kann dir ein Handtuch und Duschzeug geben, alles andere hast du ja."

Wenig später prasselte heißes Duschwasser auf mich ein und ich konnte mich ein wenig entspannen, erst jetzt merkte ich, dass meine Schultermuskulatur komplett verhärtet war. Ich duschte wie zuhause auch in Badehose und nahm zum ersten Mal ein Frauenduschzeug, es duftete leicht nach Orangen. Als ich fertig war duftete auch das Bad nach Orangen, ebenso wie ich am Körper, ich zog etwas widerwillig meine Badehose aus und trocknete mich ab. Dann streifte ich den Schlafanzug von Jason über, einen dünnen Stoffschlafanzug mit Star Wars Motiv in schwarz. Dann hängte ich mein Handtuch und die Badehose auf und lief mit einem zweiten Handtuch um den Kopf in Johannas Zimmer, wo ich direkt gekuschelt wurde.

„Hat sich das eigentlich angekündigt, dass deine Mutter Suizid begehen wollte", wollte Johanna von mir wissen, als wir wenig später in unseren Betten lagen. „Schon irgendwie", ich drehte mich im Dunkeln in ihre Richtung: „Sie hat sich vorher schon selbst verletzt. Ich habe ein Messer mit ihrem Blut dran in der Küchenschublade gefunden, Solas Unterarme habe ich schon so oft gesehen, dass sie es nicht gewesen sein kann. Bei meinem Vater würde ich es auch nicht glauben, er ist nicht psychisch nicht in so einer schlechten Lage." „Das glaube ich dir", Johanna raschelte mit ihrer Bettdecke: „Wegen des Todes von ihrer Mutter, oder wieso macht sie das?" „Wahrscheinlich, aber ich weiß es halt auch nicht genau", ich gähnte: „Sie ist ja noch nicht einmal in der Psychiatrie, aber wir sollten schlafen. Gute Nacht."


Schatten der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt