Mia und ich trafen uns am Bahnhof, meine Mutter hatte mich schon wieder dahingebracht samt Geld für Kino, Zugticket und vielleicht ein Kleidungsstück. In meinem Rucksack war neben einer Flasche Apfelschorle auch eine Transflagge vergraben, die meine Mutter logischerweise nicht gesehen hatte. Mia wartete schon geduldig am Bahnsteig, als ich aus der Unterführung kam und auf sie zulief. „Guten Morgen", begrüßte sie mich und gähnte ausgiebig: „Ihr seid ja reichlich spät dran heute, der Zug kommt schon in drei Minuten." „Ja", ich rückte meine Brille zurecht: „Mein Vater hat heute ewig das Bad besetzt, weil er nebenbei telefoniert hat." „Typisch Eltern", Mia nieste und putzte sich die Nase: „Ich habe glaube ich eine Pollenallergie, meine Mutter wollte mich auch schon zum Arzt bringen."
Während wir durch Braunschweig spazierten machte ich mir die ganze Zeit Gedanken wie ich Mia davon erzählen konnte, dass ich Trans war. Das kam dann doch allerdings einfacher als ich dachte, wir liefen in einen Buchladen, wo ich mir ein Buch kaufte. Als ich es unauffällig in meinen Rucksack schieben wollte, kippte dieser einfach um und meine Flasche kullerte über den Boden. Während ich der Flasche hinterherlief, richtete Mia meinen Rucksack wieder auf und stellte legte mein Buch hinein. Dabei hatte sie aber natürlich meine Flagge entdeckt, das war auch an ihrer Reaktion zu erkennen. Jedoch sprach sie mich nicht an, bis ich meine Flasche wieder im Rucksack hatte und wir den Buchladen verließen.
Sie sah sich um während wir die Straße hinunterliefen, gerade als wir uns unter ein Dach verzogen hatten, fing es an zu regnen. Mia lehnte sich an die Hauswand: „Du hast eine Transflagge im Rucksack, ist dir das nicht aufgefallen?" Ich seufzte: „Doch, das ist ja mein Rucksack, die hat da nicht irgendwer reingestopft, um mich zu ärgern. Ich habe gelogen, als ich gesagt habe, dass ich nicht viel mit LGBTQ+ zu tun habe, meine Eltern sind trans- und homophob. Du weißt ja was das ist, ich wollte nur nicht, dass das meine Lehrer an meine Eltern irgendwann weitererzählen oder Mitschüler." Mia sah mach lange an, ihre braunen Augen verrieten rein gar nichts darüber was sie dachte, oder gleich sagenwürde, ich spannte mich an.
„Verstehe ich schon", fing sie langsam an: „Bleibt nur, warum du es wörtlich niemandem gesagt hast." „Niemandem habe ich es nicht gesagt", korrigierte ich sie: „Ich habe es nur meiner Schwester gesagt. Bedenke wir kennen uns erst seit etwas mehr als zwei Monaten, weil ich ja die Schule gewechselt habe." Meine Freundin seufzte: „Gut das stimmt dann auch wieder und wenn kommt man ja auch nicht einfach auf so ein Thema. Aber woher hast du eigentlich die Fahne?" Ich zog die Schultern hoch: „Ganz einfach, ich war doch mit Sola im Zoo Hannover, also nicht so wirklich viel. Hauptsächlich war ich mit Sola auf dem CSD Hannover als der war, da haben wir die Flagge gekauft, die war nicht so teuer."
Später im Kino war dann auch endgültig der Ärger darüber, dass ich es Mia verschwiegen hatte, endgültig verflogen. Wir hatten uns den Film schon gestern vorgebucht und mussten nur noch die ausgedruckten Tickets vorlegen, schon konnten wir durchlaufen und uns mit Snacks ausstatten. Wir setzten uns zwar zehn Minuten vor Start mit Popcorn, Getränken und Nachos in den Saal, aber wir waren eindeutig nicht die ersten, denn die Plätze neben uns waren auch schon belegt. Ich stellte die Nachospackung auf den Boden und stopfte meinen Rucksack unter meinen Sitz, bevor ich ihn wieder aufhob. Der Saal wurde abgedunkelt und das Murmeln um uns herum wurde auch endlich weniger, Mia knisterte mit dem Popcorn: „Na endlich."Achtung!!! Ab hier gilt die Triggerwarnung, wenn ihr damit nicht klarkommt überspringt das Kapitel an dieser Stelle. Das Wichtigste wird noch einmal im darauffolgenden Kapitel erklärt.
Erst zu spät bemerkte ich, dass der Junge neben mir perfekte Sicht auf den Inhalt meines Rucksacks hatte, als ich die restlichen Nachos einpackte. Er warf mir einen dämliches Grinsen zu und schlug mir ihn fast aus den Händen: „Kleiner Nuttensohn." „Lass sie in Ruhe", fauchte Mia und packte mich am Handgelenk, um mich möglichst schnell aus der Gefahrenzone zu ziehen. „Na kann das kleine Schwanzmädchen nicht selber reden", rief der Typ uns hinterher, als wir aus dem Kinosaal rannten. Ich hielt die Schultergurte meines Rucksacks fest umklammert, vorallem als jemand hinter uns hergetrampelt kam. „In die Toiletten", zischte Mia und rannte mir voraus in die Damentoilette, wo unser männlicher Verfolger zum Glück von abgehalten wurde. Wir konnten hören wie er draußen von einer Frau davon abgehalten wurde und mit ihr lautstark diskutierte. Dann wurde es abrupt still.
Dann ging die Tür zu den Toilettenräumen auf und wir hörten Schritte über die Fliesen schlurfen. Dann: „Na Nuttenmädchen hast du dich zum Heulen verzogen?" Ich biss die Zähne fest zusammen und antwortete nichts, er trat stattdessen gegen die Tür hinter die sich Mia verzogen hatte. Sie warf daraufhin irgendwas nach ihm, was dumpf auf den Fliesen aufschlug. „Deiner niedlichen Freundin solltest du auch mal zielen beibringen", fuhr der Typ fort: „Aber lange ist sie sicher nicht mehr deine Freundin. Mit einer Transe hält man es nicht so gut aus, wenn man nicht so auf deinen ach so verhassten Pimmel steht. Stimmts kleine Hure oder warum antwortest du nicht?" „Halt die Fresse", brüllte Mia zurück: „Du hast keine Ahnung wie asozial du dich gerade aufführst, in deinem Alter sollte man das besser wissen. Asoziales Schwein!"
Draußen blieb es nach den Worten lange Zeit still und ich rechnete eigentlich damit, dass er bald ging. Doch dann kam auch schon das nächste transphobe: „Was verstehst du niedlich kleines Würstchen davon? Bist du etwa auch eine Transe? Ist hier Transen-Clubtreffen im Kino oder was ist euer Problem. Gibt's nicht Orte wo ihr die Leute weniger mit eurer bloßen Anwesenheit anekelt, hier stört ihr psychisch Kranken." Mia schwieg jetzt auch, ihr schienen die Worte für diese Aussagen zu fehlen. Ich konnte sie in ihrer Kabine mit ihrer Jacke rascheln hören, kramte sie ihr Handy heraus? Sie hörte auf zu rascheln und man konnte ihr Handy tuten hören, wen rief sie an?
„Hallo hier ist Mia Winter", hörte ich sie sagen: „Ich bin im Astor Cinema in Braunschweig, wir werden hier von einem Typen die ganze Zeit beleidigt und in den Toiletten im Erdgeschoss eingesperrt." Sie redete noch eine ganze Weile weiter, während mir auffiel, dass sie einen falschen Namen genannt hatte. Sie hieß doch Diemann mit Nachnamen? Fakte sie einen Anruf bei der Polizei, um den Typen zu vertreiben? Wenn es das war, wirkte es anscheinend denn kaum sagte Mia: „Vielen Dank, bitte beeilen Sie sich." Keifte der Typ: „Bist du wahnsinnig geworden? Du wirst noch für die Polizei büßen dumme Hure!" Die Toilettentür knallte so heftig, dass ich zusammenzuckte und Schritte entfernten sich von der Tür.
Wenig später lagen Mia und ich uns vor den Toilettentüren in den Armen, nachdem sie mir versichert hatte, dass mit ihr alles in Ordnung war und der Anruf nur ein Fake gewesen war.
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Schatten der Vergangenheit
Teen Fiction,,Warum machst du einen Unterschied zwischen einem Mädchen und einem Jungen?" Klischees sind ein Problem, dass der 12jährige Carlos von einer ganz anderen Seite kennt. Gibt es einen Ausweg? Vorgeschichte zu: Ein Licht in der Dunkelheit Diese Story...