Die Zeit bis zu den Herbstferien verflog im Nu, dieses Jahr war das erste Jahr wo auch der 31. Oktober ein Ferientag war. Meine Eltern hatten nichts für uns geplant in den Ferien, als wir am ersten Ferientag nach Hause kamen, waren sie mal wieder bei meinem Opa im Heim. Sola war mit ihren Freundinnen verabredet, ich hatte dagegen keine Pläne für den Tag und war bis mindestens 16 Uhr alleine. Meine Eltern waren immer sehr lange bei meinem Opa, weil sie ihn meist erst am Wochenende besuchen konnten und er unter der Woche alleine war. Meiner Mutter ging es davon natürlich noch deutlich schlechter, weil sie eigentlich nicht ihren Vater alleine lassen wollte. Sola hatte schon Sorge, dass sie Depressionen bekam oder schon hatte, wenn das so weiterging.
Unseren Vater interessierte das herzlich wenig, er arbeitete und arbeitete und arbeitete, als sei nie etwas geschehen. Teilweise übernahm er auch noch extra Schichten, einfach damit er seine Ruhe hatte, vor meiner Mutter die immer noch regelmäßig weinte und um ihre Eltern trauerte, die nicht mehr in der Nähe lebten und das verloren, was sie einst gewusst hatten. Das war die Härte von Demenz, hatte mein Vater ihr schon viele Male erklärt. Das brachte allerdings nicht viel, das war uns allen klar, auch ihm, auch wenn er nach außen hin, nicht viel dazu preisgab und das nicht so deutlich meiner Mutter gegenüber äußerte und ständig unzufrieden war. Meine Mutter weigerte sich in letzter Zeit oft etwas zu essen und wollte häufiger in Ruhe gelassen werden, was ihr dumme Sprüche von meinem Vater einbrachte.
Ich nahm mir seufzend einen Teller aus dem Schrank und zwei Scheiben von schon abgeschnittenem Brot. Morgen würde ich zu Johanna fahren zu unserem Wiedersehen, nachdem ich vor einem halben Jahr weggezogen war. Jasons Mutter wollte mich am Bahnhof abholen und mit Jason zur Übernachtungsparty fahren. Bis dahin musste ich aber noch das Chaos zuhause abhalten, mein Zug Morgen fuhr erst um kurz vor zehn ab. Ich öffnete die Schublade mit den Messern, um mir ein Buttermesser zu nehmen, als mein Blick auf ein kleines spitzes Messer fiel. An dessen Spitze klebte etwas trockenes dunkelrotes, irgendwas von einer Tomate oder Paprika, das in der Spülmaschine nicht abgegangen war? Ich nahm es heraus um es in der Spüle abzuwaschen, als mir klar wurde, dass es nicht ein Stück Haut von einer Paprika oder einer Tomate sein konnte.
Das dunkelrote war Blut am Messer, aber wer hatte daran Blut geschmiert? Meine Mutter wurde mir plötzlich klar, ich wischte mit einem Lappen das Blut vom Messer und legte es dann zurück in das Besteckfach. Die Situation mit meiner Mutter war noch schlimmer als Sola und ich es gedacht hatten, dann nahm ich mir endlich mein Messer und schmierte mir das Brot mit Butter und einem Frischkäse. Mit meinem Teller verzog ich mich nach oben in mein Zimmer und schaltete YouTube an, mit Minecraft YouTube Videos versuchte ich mich abzulenken davon was meine Mutter getan hatte. Wie lange sie das schon machte? Ich wusste es nicht, niemand hatte es bisher bemerkt, meine Mutter war als Psychologin natürlich erfahren darin, sie behandelte auch depressive Jugendliche, daher wusste sie natürlich wie das funktionierte.
Ich verschwieg natürlich was ich gefunden hatte, auch als ich am nächsten Morgen von meiner Mutter zum Zug gefahren wurde. Sie starrte Schweigend auf die Straße vor uns und verabschiedete sich von mir am Auto, bevor ich mich auf den Weg zum Bahnsteig machte. In meinem großen Wanderrucksack, fanden sich auch heimlich eingepackt meine selbstgekauften Sachen. Ich hatte mich bei meinen Freunden von damals geäußert, was teilweise nicht einmal eine große Überraschung gewesen war. Johanna hatte es ihren zum Glück ziemlich LGBTQ+ freundlichen Eltern erzählen müssen, die damit kein Problem hatten. Als ich in meinem ICE von Hannover saß ging ich auf die Zugtoilette, um mich umzuziehen.
Meine Kapuzenjacke und die Jeans verschwanden in meinem Rucksack, darunter trug ich schon ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift „I am proud to be me!". Darunter zog ich mit etwas Mühe noch den Bustier den Sola mir überlassen hatte und stopfte ihn mit zwei alten Handtüchern von meiner Oma aus. Über meine schwarze lange Unterhose zog ich mir einen Rock und über mein T-Shirt eine Bauchfreie Jacke, die ich mir von Sola geliehen hatte. Die Leute im Zug starrten mich ein wenig zu dumm an als ich mich wieder auf meinen reservierten Platz setzte und mein Buch herauskramte. Mein Sitznachbar, ein älterer Mann sah mir beim Lesen die ganze Zeit über die Schulter, was mir irgendwie unangenehm war.
Die Fahrkartenkontrolle rettete die unangenehme Situation zu meinem Glück, eine Frau Mitte zwanzig ließ sich zuerst mein ausgedrucktes Ticket zeigen. Sie nickte zufrieden und wandte sich dann an meinen Sitznachbarn, der schon seit sie zwei Reihen hinter uns gewesen war in seinen Taschen wühlte. Irgendwie war mir die Situation ziemlich unangenehm und ich steckte mir meine Kopfhörer in die Ohren, um meine Ruhe zu haben. Ich bekam nur am Rande mit, dass der Mann wohl schwarzfuhr, und von der Zugbegleiterin am nächsten Bahnhof rausgeschmissen wurde. Ich zuckte mit den Schultern, ich hatte ja mein Ticket gehabt und musste nicht noch einmal kontrolliert werden. In meinen Ohren dröhnte ein Lied von Two steps from hell, eine meiner Lieblingsbands und ich konzentrierte mich auf die Story von meinem Buch.
Die Sonne ging schon unter als ich von Jasons Mutter und meinem besten Freund abgeholt wurde und wir uns auf den Weg machten. Johanna wohnte in einem relativ reichen Gebiet und wir mussten ein wenig nach ihrem Haus suchen, da Jasons Mutter noch nicht hier gewesen war. Johannas Vater empfing uns an der Tür und brachte uns ins Wohnzimmer wo schon Johanna und Jakub saßen und unser Knabberzeug auspackten, ich stellte meine Schale Nudelsalat auf den Wohnzimmertisch und begrüßte unsere beiden Freunde. Dann warfen wir uns aufs Sofa und diskutierten über den Filmemarathon den wir vorhatten zu machen. Wir wollten mit dem Hobbit anfangen und schauen wie weit wir kamen und ob wir auch noch bis Herr der Ringe kamen, in der Zeit die wir hatten. Das waren immerhin über 24 Stunden auf die wir uns schon seit langem freuten und seit dem Sommer planten.
Wir gingen auch tatsächlich erst um halb drei ins Bett nachdem wir auch den ersten Herr der Ringe Film geschaut hatten. Wir waren von Johannas Eltern und ihrem Bruder für eindeutig verrückt erklärt geworden. Die schliefen schon längst tief und fest, als wir unsere Isomatten ausrollten und schlafen gingen. Die Nacht war schon ziemlich lang gewesen und wir schliefen gerade einmal bis halb elf und machten uns dann über die gekauften Brötchen her, die Johannas Eltern für uns geholt hatten. Wir feierten unser Wiedersehen, bis das Telefon klingelte und Johannas Mutter mit dem Telefon zu mir kam: „Dein Vater ist am Telefon."
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Schatten der Vergangenheit
Teen Fiction,,Warum machst du einen Unterschied zwischen einem Mädchen und einem Jungen?" Klischees sind ein Problem, dass der 12jährige Carlos von einer ganz anderen Seite kennt. Gibt es einen Ausweg? Vorgeschichte zu: Ein Licht in der Dunkelheit Diese Story...