Kapitel 24 Klettern

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Am nächsten Morgen brachte uns unsere Mutter um neun zum vereinbarten Treffpunkt an einer Kletterhalle. Sie musste für mich noch eine Vereinbarung unterschreiben, dass ich klettern durfte, weil ich noch unter 14 war. Wir hatten beide unsere eigenen Klettersachen dabei, die wir uns vor der letzten Freizeit gekauft hatten. Draußen regnete es in Strömen, weswegen die erste Veranstaltung in der Halle stattfand, das Ganze wurde über eine WhatsApp Gruppe kommuniziert. Meine Mutter ließ uns dann auch wieder bei den beiden Betreuern alleine und fuhr ins Hotel zurück, wo der Rest unserer Familie auch schon aufgestanden war und wahrscheinlich auch schon frühstückte.

Nach und nach trudelte dann auch schon der Rest der 14köpfigen Gruppe ein, teilweise allerdings noch ohne Ausrüstung die dann ausgeliehen wurde von den Eltern. Die beiden Betreuer befanden Sola und mich für schon etwas erfahren, weswegen wir als Team zusammenarbeiten würden beim Klettern. Wir hatten auch einige erfahrenere Jugendliche, die den weniger erfahreneren zugeteilt wurden. Dann ging es in zwei Gruppen mit je vier Kletterpaaren an die Wand, wir wurden zu der Gruppe die von Jakob geleitet wurde zugeteilt. Die Routen waren anders abgesteckt als in der Halle wo wir ab und zu klettern waren, es war allerdings auch ein anderes Land in dem wir jetzt

Ich streifte meinen Klettergurt über und kontrollierte Sola und sie mich, damit wir uns nicht gefährdeten. Jakob kontrollierte uns dann nochmal nach, bevor er den Anfängern helfen ging und uns mit dem Sicherungsseil alleine ließ. Die Knoten hatten wir zu unserem Glück beide noch drauf und waren innerhalb von wenigen Minuten fertig und mussten nur noch auf die anderen warten. Die Gruppe von Benjamin kletterte schon an den Griffen hoch. Immer zwei Teams waren gleichzeitig, die anderen warteten unten, Sola zappelte unruhig hin und her, bis auch schließlich die letzte, das elfjährige Mädchen ausgerüstet war. Dann endlich durfte Sola als erste die Wand hoch, es war eine nicht besonders schwierige Route, aber gut zum warm werden mit den Bedingungen.

Gerade als ich von Sola wieder heruntergelassen wurde gab es hinter mir aus der Richtung wo das zweite Paar gerade kletterte einen dumpfen Schlag und jemand fluchte laut los. Sola konnte mich schlecht schneller herunterlassen und überließ Jakob die Arbeit, als ich festen Boden unter den Füßen hatte konnte ich mich dann auch endlich umdrehen. Das elfjährige Mädchen, Sonja hieß sie war offensichtlich heruntergestürzt nachdem ihr deutlich größerer Mitkletterer einen Fehler gemacht hatte. Jakob war in dem Moment mit den anderen beiden Teams beschäftigt gewesen, die als nächstes dran waren. Sonja hielt sich den linken Arm während Sola und ich zu ihr rannten und Sola sich vorsichtig vor sie kniete.

„Was ist denn passiert", wollte Jakob von Sonjas Kletterpartner Tim wissen: „Wieso ist sie gestürzt." Während Tim die Story ausführlich erzählte, sprang Sola auf, um den Verbandskasten und eine Person aus dem Hallenteam zu holen. „Hey", ich nahm Solas Platz ein, dankbar für den erste Hilfe Kurs für den Sola und ich uns vor den Sommerferien angemeldet: „Sonja richtig?" Das kleinere Mädchen nickte mit großen braunen Augen: „Wer bist du denn nochmal?" Ich überlegte nicht lange und nannte ihr fast schon ohne drüber nachzudenken meinen selbstgegebenen Namen: „Luna heiße ich, allerdings nicht auf dem Papier." Sola kam schon wieder mit einem älteren Mann und dem Verbandskasten angerannt, der ältere Mann telefonierte hektisch, vermutlich mit dem Rettungsdienst.

Wenig später wurde Sonja vom Rettungsdienst und ihrer panischen Mutter abgeholt und ins nächste Krankenhaus gebracht. Wir anderen sahen zu, dass wir trotz des Schocks weiterkletterten, Tim musste sich trotzdem bis zur Mittagspause erstmal an den Rand setzen, um sich von dem Schock des Unfalls zu erholen. Mittagessen taten wir in außerhalb der Halle beim Eingang mit unserem mitgebrachten Zeug. Es war auch das erste Mal das ich an mein Handy ging und meinen Eltern eine Nachricht schickte, dass es uns gut ging. Während wir noch aßen kam ein fremde Frau zu uns herüber und winkte die Betreuer zu sich heran. Was sie sagte konnten wir nicht hören, aber etwas Schlimmes schien es nicht zu sein.

Später erfuhren wir dann, dass sich Sonja den Unterarm gebrochen hatte und wohl nicht weiter an dem Kurs teilnehmen würde. Die Mutter war die, die vorhin hereingekommen war, sie wollte sich für unser Handeln bedanken und da war noch etwas anderes was Sola und ich erst erfuhren, als der Kurs fast zu Ende war und die ersten Eltern schon kamen. Jakob zog uns in eine ruhige Ecke wo uns nicht das Getöse störte und lehnte sich an die Wand: „Ihr braucht mich nicht anzulügen, ich habe nichts gegen LGBTQ+. Aber die Mutter meinte, dass eine Luna ihrer Tochter sehr geholfen hat, als sie sich verletzt hatte." Er sah mich an, seine blauen funkelten: „Du bist Luna oder? Du heißt eigentlich Carlos, weil du deinen Namen noch nicht geändert hast."

Ich sah wie Sola zögerte bevor sie antwortete: „Da haben Sie Recht, der Punkt ist allerdings, dass unsere Eltern LGBTQ+ nicht so wirklich anerkennen, heißt Luna hat keine Chance im Moment." „Oh", war das Einzige was Jakob dazu einfiel, dann schwieg er lange: „Aber sie hat ja immerhin dich. Wir können ja versuchen das Morgen zu erklären, damit du zumindest hier nicht mehr gedeadnamed wirst Luna." Sola überlegte ich konnte es daran sehen, dass sie zwischen ihren Augenbrauen eine Falte bildete und sie ins Leere starrte. „Wär eine Option, was meinst du Luna", meinte sie und warf mir einen kurzen Blick zu während ich noch nachdachte. „Solange sich alle sicher sind, dass man nichts davon weitergibt."

Schließlich hatten wir uns darauf geeinigt, dass wir morgen mit den anderen, wenn die Eltern weg waren, über Transgender bei Jugendlichen sprechen wollten. Dann sollte ich entscheiden ob ich das wirklich wollte, dass die Anderen es wussten. Noch war ich mir nicht so wirklich sicher, ob ich das wirklich wollte. Draußen wartete schon meine Mutter unter dem Vordach, um sich vor dem Regenwetter zu schützen: „Wo wart ihr so lange?" „Haben uns noch ein bisschen unterhalten", Sola zuckte mit den Schultern: „Die Leute im Camp sind sehr nett." Zu unserem Glück kamen Jakob und Benjamin mit dem letzten aus dem Camp, Simon nach draußen. Die drei winkten uns zum Glück zu und stiegen in den einen Ford mit Kitzbüheler Kennzeichen und fuhren weg.

Auf der Autofahrt zurück ins Hotel erzählten wir unserer Mutter dann von unserem Tag, wofür sie uns beneidete. Sie war in einem Hallenbad mit meinen Großeltern gewesen und war dort mehr Kilometer geschwommen als sie heute gegangen war. Mein Großvater war heute erstaunlich friedlich gewesen und hatte nicht das ganze Schwimmbad zusammengeschrien. Stattdessen war er ein paar Bahnen geschwommen und hatte sich dann in das Schwimmbadrestaurant gesetzt. Dumme Kommentare hatte er meinen Eltern zum Glück erspart und hatte nur Kaffee für alle ausgegeben.


Schatten der VergangenheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt