Kapitel 67

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Pov. Jamie

„Möchtest du wirklich nichts essen?" Meine kleine Schwester schüttelt den Kopf und starrt auf die Tischplatte. Das tut sie seit einigen Minuten und weder Louis noch ich kommen an sie ran. Ich sehe meinen besten Freund traurig an, woraufhin dieser einen weiteren Versuch startet „Sollen wir einen Film schauen?" Indi murmelt ein leises „Keine Lust auf einen Weihnachtsfilm" vor sich hin und legt ihren Kopf dann auf die Tischplatte. Louis sieht mich hoffnungsvoll an „Zoe kommt gleich. Vielleicht kann die sie etwas aufmuntern?" Die Braunhaarige hebt den Kopf und sieht dabei plötzlich viel fröhlicher aus „Zoe kommt?" Verwirrt über ihr Verhalten nicke ich zaghaft und sehe dann dabei zu, wie die Jüngere nun glücklich grinsend an Tisch sitzt „Perfekt!" Ich sehe sie verwirrt an. Was ist denn jetzt in sie gefahren? Gerade wollte sie nichts essen und jetzt schiebt sie sich ein Croissant nach dem anderen in den Mund. Ich wusste, dass Weihnachten keine einfache Zeit für Indi werden wird. Heute Nacht hat sie sich in mein Zimmer geschlichen, ist in mein Bett gekrochen, hat sich an mich gedrückt und ist so eingeschlafen. Das hat sie seit dem Tod unserer Eltern nicht mehr gemacht. Heute Morgen hatte sie dann halbwegs gute Laune, bis diese dann beim Frühstück abgeflacht ist. Es ist eine Achterbahnfahrt ihrer Gefühle. Mir geht es nicht wirklich anders, aber ich reiße mich für die Teenagerin zusammen. Es bringt nichts, wenn es uns beiden schlecht geht.

Die Türklingel reißt mich aus meinen Gedanken. Indi springt sofort auf und rennt zur Tür. Louis und ich folgen ihr und sehen, wie sie Zoe breit grinsend empfängt und ihr um den Hals fällt „Da bist du ja endlich." Meine Freundin umarmt sie schmunzelnd und sieht sie prüfend an „Du hast gute Laune, das gefällt mir." „Teilweise zumindest." Meine Schwester macht eine Pause, ehe sie nach Zoes Hand greift „Du hast mir doch etwas versprochen, lass uns das jetzt machen!" Sie zieht die Ältere an der Hand durch den Flur zum Badezimmer, in dem sie gemeinsam verschwinden. Verwirrt starre ich die geschlossene Tür an. „Was ist denn da gerade passiert?" Auf die Frage meines besten Freundes zucke ich mit den Schultern „Keine Ahnung." Der Blondhaarige geht auf das Badezimmer zu und klopft an der Tür. „Kein Zutritt für nicht-binäre Menschen und Männer!" Bei den Worten meiner Schwester zucke ich zusammen. Mein bester Freund hingegen schüttelt grinsend den Kopf „Wie es aussieht, wollen die beiden uns gerade nicht dabei haben. Wie wäre es, wenn wir stattdessen den Küchentisch aufräumen." Unschlüssig sehe ich zum geschlossenen Zimmer. Worüber die beiden wohl reden? Hat Indi Probleme? Braucht sie Hilfe? Louis kommt auf mich zu und tippt mir auf den Arm „Du wirst keine Antwort bekommen, ehe die beiden fertig sind. Du weißt doch, dass Indi sich gut mit Zoe versteht. Wenn es Indigo hilft, etwas mit Zoe zu machen, sollten wir den beiden ihre Zeit geben." Er hält mir auffordernd eine Hand hin, die ich zaghaft ergreife.

Pov. Zoe

Im Badezimmer angekommen verschließt Indigo die Tür hinter uns und lässt dann meinen Arm los. Sie geht an eine Schublade und holt einen Kulturbeutel heraus, den sie auf das Waschbecken stellt „Es ist alles da." Ich greife nach dem Beutel, während es an der Tür klopft. „Kein Zutritt für nicht-binäre Menschen und Männer!" Die Braunhaarige kommt auf mich zu und sieht mich auffordernd an. Ich öffne den Beutel und hole jede Menge Haargummis, Spangen und eine Bürste hervor. Die Braunhaarige geht wieder an die Schublade und holt nun auch ein Magazin heraus. Sie schlägt eine Seite auf und zeigt sie mir „Die hier." Ich sehe auf das Bild einer Frau in einem wunderschönen Kleid und passender Frisur. Es ist eine aufwendige Flechtfrisur, für die ich sicherlich ein paar Anläufe brauchen werde. Rechts daneben steht eine Anleitung darüber, wie diese Frisur gemacht wird. „Okay, ich kann es versuchen. Aber du weißt, dass ich keine Friseurin bin, richtig?" Die Jüngere nickt und stellt sich grinsend vor den Spiegel „Es muss nicht perfekt sein."

Ich greife nach drei braunen Haarsträhnen und beginne damit, diese zu flechten. Indigo sieht mir im Spiegel gespannt zu. „Wie kommt es eigentlich, dass du dir ausgerechnet das wünschst? Wir hätten alles machen können, aber du wolltest, dass ich dir eine Flechtfrisur mache." Die Teenagerin zuckt mit den Schultern „An Weihnachten waren wir jedes Jahr mit dem Bekanntenkreis meines Vaters essen. Er hat darauf bestanden, dass ich mir Löckchen mache und ein hässliches Sommerkleid trage." Sie macht eine kurze Pause, die sie mit Würgegeräuschen untermalt. „Jamie musste übrigens einen Anzug tragen und seine Haare gelen, was er ebenfalls nicht sonderlich mochte." Sie macht wieder eine Pause, in der sie bei dieser Erinnerung kichert. „Er sah unglaublich vornehm und erwachsen aus, auch wenn er das nie sein wollte. Während dieser Feiern haben wir heimlich Grimassen gezogen, um uns immer wieder zu zeigen, wie doof der andere aussah." Bei ihrer Erzählung beginne ich zu schmunzeln. Ich kann mir Jamie in so festlichen Sachen nicht vorstellen, aber ich kann mir die Grimassen bildlich vorstellen, die er gemeinsam mit seiner Schwester gezogen hat. „Auf jeden Fall haben wir diesen Tag jedes Jahr gehasst. Zuerst wollte ich dieses Jahr einfach nur auf dem Sofa liegen und diesen Tag an mir vorbeiziehen lassen. Jamie und Louis haben viele Ideen gebracht, die ich alle nicht hören wollte. Als du mir dann angeboten hast, dass du mir ein Umstyling anbieten könntest, kam mir der Gedanke, dass es ganz lustig sein könnte, an Weihnachten endlich einmal die Frisur zu tragen, die mir gefällt."

Ich nicke ihr verstehend zu und greife dabei nach einem Haargummi, um den ersten Zupf zu fixieren. Bei ihrer Erzählung war ich langsamer, was sie aber nicht zu stören scheint. Ich halte ihr den ersten Zopf hoch, sodass sie ihn im Spiegel sehen kann. Ein Grinsen legt sich auf ihr Gesicht. „Ich hätte gedacht, dass du trauriger bist, wenn ich vorbeikomme." „Ich war auch traurig. Der ganze Morgen ist ein Auf und Ab. Ich habe meine Gefühle nicht unter Kontrolle und wenn es nach mir geht, könnte ich die ganze Zeit heulen. Allerdings habe ich mich dazu entschieden, dem nicht nachzugeben. Ich möchte für meinen Bruder stark sein. Ich weiß, dass er nicht den Eindruck macht, aber ihm geht es heute auch nicht gut. Ich bin für ihn stark und er ist es für mich."

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Was wahre Stärke ausmachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt