Kapitel 45

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Pov. Samira

Die Braunhaarige schüttelt vehement den Kopf „Natürlich nicht!" Sie greift wahllos nach einem Fläschchen und öffnet es. „Nicht! Das wird -" Weiter komme ich nicht, da sie die Flüssigkeit bereits in unseren Behälter gekippt hat. In diesem beginnt es augenblicklich zu blubbern und die Flüssigkeit verfärbt sich und bildet einen stinkenden Rauch. Unsere Lehrerin sieht es und kommt sofort auf uns zu. Frau Hermanns üblicher strenger Blick durchbohrt uns beide, ehe sie laut wird „Indigo und Samira, was soll das werden? Ihr beiden habt klare Anweisungen bekommen!" Ich sehe zu meiner Laborpartnerin, die unsere Lehrerin wie ein Häuflein Elend ansieht. Ich stehe auf und sehe das Lehrpersonal betroffen an „Tut mir leid, ich habe die Fläschchen vertauscht. Das ist alles meine Schuld." Sie sieht prüfend zur Braunhaarigen, die das falsche Fläschchen glücklicherweise wieder auf den Tisch gestellt hat „Ihr solltet zusammen arbeiten, deshalb werdet ihr auch zusammen bestraft." Sie öffnet das Fenster neben uns, damit der Rauch verfliegen kann, und geht dann zu ihrem Pult. Unsere Lehrerin kramt etwas aus ihrer Tasche, kommt dann wieder zu uns und sieht uns entschlossen an „Für euch ist der Versuch vorbei. Zur Strafe werdet ihr euch die zwei Stunden in die Aula setzen. Euer Aufgabenblatt werdet ihr selbstverständlich bearbeiten, und zwar hiermit." Sie reicht uns ein dickes, sehr theoretisch wirkendes Buch über Chemie. „Eure Arbeitsblätter werden benotet, also gebt euch Mühe." Sie sieht uns beide noch einmal streng an und tritt dann zu Seite „Ich werde regelmäßig nach euch sehen!" Mit diesen Worten wartet sie geduldig darauf, dass wir beide unsere Taschen packen und den Raum verlassen.

Unsere Aula besteht aus einer Bühne und vielen Stufen, die sie umringen und die gleichzeitig als Sitzfläche dienen. Indigo lässt sich auf die erstbeste Stufe fallen, während ich so viel Platz wie möglich zwischen uns bringe und nach ganz oben gehe. Die Braunhaarige sieht mich kurz an und erhebt sich dann, um auf mich zuzukommen. „Lass es!" Sie bleibt stehen und sieht mich ratlos an „Und unsere Aufgabe? Ich möchte keine schlechte Note bekommen!" Ich sehe sie augenverdrehend an „Das wird sowieso nur eine Mitarbeitsnote." Ich greife in meine Tasche, ziehe das Buch heraus und lege es ein paar Stufen unter mich. Sie geht dorthin, nimmt es an sich und sieht mich traurig an „Ich gebe es dir, wenn ich fertig bin." Ich zucke teilnahmslos mit den Schultern „Kannst es auch behalten, ist mir egal." Zögernd geht sie ein paar Stufen nach unten und setzt sich dann wieder. Seufzend bemerke ich, dass sie nun näher bei mir sitzt „Was meinst du, weshalb ich mich hierher gesetzt habe?" Die andere dreht sich um und sieht mich unbeeindruckt an „Damit wir die Arbeitsblätter gemeinsam ausfüllen können." Kopfschüttelnd sehe ich sie an. Manchmal weiß ich nicht, ob ich ihr lieber den Kopf umdrehen, oder sie umarmen möchte. Auch wenn ich es ungern zugebe, bin ich doch froh, dass sie manchmal gegen meine Sturheit arbeitet.

Ich sehe ihr über die Schulter und warte darauf, dass sie mit dem Inhaltsverzeichnis fertig wird. Sie starrt es nun seit ein paar Minuten an und scheint nicht zu wissen, welche Seite sie braucht. „Seite 86." Sie sieht kurz zu mir und lächelt zaghaft, ehe sie die entsprechende Seite aufschlägt. Ich setze mich seitlich hin, um ihr Gesicht sehen zu können und bemerke dabei ihren verwirrten Gesichtsausdruck. Schmunzelnd setze ich mich neben sie, sehe mir die Seiten an und blättere um. Ich überfliege Seite für Seite, bis ich den richtigen Abschnitt finde „Hier ist es." Indigo richtet ihren Blick auf den Text, doch ein neugieriger Blick in ihr Gesicht zeigt, dass sie auch das nicht versteht. Seufzend sehe ich sie an „Chemie ist nicht deins, oder?" Sie schüttelt den Kopf „Gar nicht. Ich verstehe es einfach nicht und jedes Mal, wenn wir in den Chemieraum gehen -" Sie verstummt und senkt den Kopf. „Hast du Angst." Beende ich ihren Satz, woraufhin sie zaghaft nickt „Da stehen giftige Chemikalien und wenn wir Pech haben, können die Versuche sicherlich auch explodieren." Ich beginne leise zu kichern, was sie bemerkt. Sie sieht mich mit einem verletzten Blick an „Kann halt nicht jeder so mutig sein wie du." Ich werde sofort still und sehe sie beschwichtigend an „Das war nicht böse gemeint, Indigo." Ich nehme ihr das Buch ab, lege es neben mich und sehe sie dann ernst an „Frau Hermann weiß genau, was sie uns geben kann und was nicht. Gefährliche Experimente macht sie vorne am Pult und das, was wir gerade machen sollten, war nicht giftig." Sie sieht mich aus großen Augen an „Bist du sicher?" „Wir werden uns in der Schule nicht vergiften, versprochen."

Meine Mitschülerin entspannt sich merklich und greift dann wieder nach dem Buch „Verstehst du, was das Buch von uns möchte?" Ich nicke und mache mich dann daran, ihr das Beschriebene zu erklären. Es dauert etwas, doch im Laufe der Zeit blickt die andere Teenagerin wirklich durch und als wir unsere Arbeitsblätter beendet haben, kann sie mir sogar erklären, was bei unserem Versuch passiert wäre. Sie sieht mich mit einem breiten Lächeln an „Vielen Dank. Ohne dich hätte ich das nie verstanden." Ihr Lächeln zieht mich in seinen Bann. Meine Augen kleben daran und mein Herz pocht plötzlich ganz laut in meiner Brust. Verwirrt darüber sehe ich auf die Stufen neben sie und nicke dann „Kein Problem." Sie sieht mich besorgt an, doch fragt nicht, was los ist. Noch immer verwirrt starre ich auf meine Tasche und versuche zu verstehen, was gerade passiert ist. „Samira?" Ich sehe auf und blicke in das Gesicht der Braunhaarigen, doch diesmal bleibt alles normal. „Wie wäre es, wenn wir im Labor immer zusammenarbeiten würden?" Ich sehe sie fragend an „Arbeitest du sonst nicht mit deinen Freundinnen?" „Sie versuchen mich immer dazu zu überreden, dass ich ihnen bei den Versuchen helfe. Versteh mich nicht falsch, ich mag sie! Nur im Labor möchte ich lieber mit jemandem arbeiten, für den es okay ist, wenn ich nur die Anleitung vorlese." Ich denke kurz über ihren Vorschlag nach und nicke dann. Dabei bemerke ich, dass sich mein Körper ungewöhnlich warm anfühlt und ich mich richtig darauf freue, mit Indigo zu arbeiten.

Ich denke darüber nach und komme zu dem Entschluss, dass ich mich darüber freue, die Experimente allein machen zu dürfen. So muss ich auf niemanden warten und habe die volle Kontrolle. Ich sehe wieder auf und während ich Indigo von der Seite ansehe, kommt mir eine Frage in den Sinn „Reden deine Freundinnen auch permanent über Jungs?" Sie dreht sich zu mir um und schüttelt dann den Kopf „Ab und an geht es darum, wer von ihnen einen Crush auf wen hat, aber das ist eher selten." „Bei meinen Freundinnen ist es das Hauptthema und irgendwie nervt es langsam." Die Braunhaarige sieht mich wissend an „Ich stehe auch immer nur am Rand, wenn die anderen sich darüber unterhalten. Ich verstehe einfach nicht, weshalb sie Jungs so interessant finden." Verstehend nicke ich „Als ich bei dir zu Besuch war, habe ich genau das auch Louis gefragt. Er meinte, dass ich in einem Alter bin, in dem es passieren kann, dass wir andere anziehend finden. Allerdings meinte er auch, dass es auch okay ist, wenn ich damit länger brauche als andere oder wenn es nie passiert." Die andere sieht mich nachdenklich an und beginnt dann zu schmunzeln „Dann scheint es bei mir länger zu dauern als bei anderen." Ihr Lächeln zieht mich in seinen Bann und erneut habe ich das Gefühl, dass mein Herz so laut schlägt, dass es jeder hören kann.

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Was wahre Stärke ausmachtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt