Was wahre Stärke ausmacht

Kapitel 29

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Pov. Jamie

„Denkst du, ich kann so gehen?" Nachdenklich sehe ich mich im Spiegel an, während meine kleine Schwester nickt „Du siehst gut aus, Brüderchen." Ich werfe einen letzten, unsicheren Blick auf mein Spiegelbild und drehe mich dann zu der Braunhaarigen um, die nervös an einer Haarsträhne spielt. Im Spiegel konnte ich schon die ganze Zeit beobachten, dass sie das macht. „Was ist los?" „Ich denke über Sachen nach." Ich sehe sie forschend an und bemerke, dass sie den Kopf senkt. Wenn sie das macht, möchte sie nicht reden, weshalb ich ihr sanft über den Kopf streiche „Wenn du reden möchtest, ich bin jederzeit für dich da." Sie kuschelt sich an meine Brust und flüstert ein 'Danke'.

„Du siehst gut aus!" Erschrocken fahren wir auseinander und ich sehe zu meinem besten Freund, der gerade im Türrahmen aufgetaucht ist. Er kommt auf mich zu, streicht das blaue Shirt glatt und sieht dann prüfend meine schwarze Hose und die blauen Turnschuhe an „Für ein Picknick auf jeden Fall ausreichend." Er sich nachdenklich zu meinen Haaren und wuschelt dann durch diese. Erschrocken mache ich einen Schritt zurück und meine kleine Schwester sieht ihn wütend an „Was soll das denn? Die waren doch schon gemacht!" Der Blondhaarige schüttelt den Kopf „Mag sein, aber das stand Jamie einfach nicht. Wuschelig sehen sie doch viel besser aus." Meine Schwester geht sofort an meine Haare und streicht darüber, doch Louis hält sie davon ab, indem er ihre Hand festhält „Bei der Auswahl der Kleidung hast du gute Arbeit geleistet, aber bei der Frisur hast du keine Ahnung, Indi." Meine Schwester nimmt ihre Hand weg, dreht sich zu ihm um und sieht ihn beleidigt an „Wieso sollten glatte Haare nicht zu ihm passen? Er sah doch gut damit aus." Der andere nickt langsam „Wenn er in ein Restaurant gehen würde, hättest du recht, aber sie gehen nur in den Park. Da sehen seine natürlichen Haare doch besser aus." „Es ist nicht so, als würde man ihn mit gemachten Haaren nicht wiedererkennen."

„Hey!" Ich stemme die Hände in die Hüften und sehe verletzt zu meiner Schwester „Du tust so, als würde ich mir die Haare nie machen, dabei hat das System." „So war es doch nicht gemeint!" Die Kleinere sieht mich zerknirscht an und seufzt dann „Ich dachte nur, dass eine ordentliche Frisur bei deinem Date vielleicht besser ankommen würde." Ich ziehe die Braunhaarige in meine Arme und lege meinen Kopf auf ihren „Vermutlich hast du recht, aber ich fühle mich damit nicht wirklich wohl." Die andere seufzt und nickt dann „Dann solltest du dir zumindest noch einmal die Haare kämmen." Ich nicke ihr lächelnd zu und gehe dann ins Badezimmer.

Wie zu erwarten folgen mir die beiden und sehen in der Tür mürrisch dabei zu, wie ich mir die Haare mache. Für die eine Person ist es zu unordentlich, für die andere zu ordentlich, aber für mich ist es genau richtig. Mein bester Freund setzt ein gequältes Lächeln auf „Wenn du von deinem Date zurück bist, darfst du dir das frisch gestrichene Zimmer ansehen." Wir haben damit begonnen, das Zimmer meiner Eltern auszuräumen und Indi und Louis wollen heute streichen. „Ihr wisst, dass ihr damit auch auf mich warten könnt, wenn ich helfen soll, oder?" Die beiden winken sofort ab und die Kleinere sieht mich schelmisch an „Du würdest doch nur im Weg stehen. Louis und ich wissen, was wir da tun." Lachend streiche ich ihr erneut über den Kopf „Du wirst eindeutig zu frech." Sie zuckt grinsend mit den Schultern „Ist es nicht eigentlich die Aufgabe von Teenagern, sich gegen die Eltern aufzulehnen? Diese habe ich leider nicht mehr, also musst du herhalten." Louis sieht sie staunend an „Wo sie recht hat." Die Braunhaarige dreht sich zu ihm um und sieht ihn mit hochgezogener Augenbraue an „Auch dich betrachte ich aktuell als eine Person, gegen die ich mich auflehnen sollte, also bilde dir lieber nicht zu viel ein." Mein bester Freund beginnt zu lachen und wuschelt durch die Frisur der Teenagerin, die ihn daraufhin mit einem wütenden Blick belegt „Die waren frisch geglättet!" Sie sprintet zum Spiegel und sieht sich das leichte Chaos an. Die andere Person legt seinen Arm um mich „Viel Spaß auf deinem Date." Sein Lächeln sieht etwas gequält, aber dennoch aufrichtig aus, ehe er sich zu meiner Schwester umdreht und ihre Bürste in die Hand nimmt „Ich helfe dir.

Ich packe meine Tasche und verlasse das Haus. Bis zum Park sind es nur wenige Minuten, die sich wie eine Ewigkeit anfühlen. Meine Gedanken kreisen die ganze Zeit um die rothaarige Person und um die Frage, wie ich mich ihr gegenüber verhalten soll. Ich habe mich die letzten Wochen gut mit ihr und den anderen Freunden von Louis verstanden. Auch wenn ich mich immer etwas davor gedrückt habe, mich zu ihnen zu setzen, hat es großen Spaß gemacht. Ich habe mich auch getraut, ihnen zu erzählen, was ich mit Louis bezüglich meiner Identität herausgefunden habe und jeder von ihnen hat so nett reagiert, wie es mir mein bester Freund versichert hat. Es ist eine wirklich nette Gruppe an Menschen. Ich konnte mich bisher immer hinter Louis verstecken, doch das geht diesmal nicht. Mein letztes Date hatte ich zu Schulzeiten und jedes einzelne habe ich gründlich versaut. Die meisten Mädchen konnten nichts mit einem schüchternen jungen Menschen anfangen, der auf Krampf versucht hat, ihren Beschützer zu spielen. Vor jedem Date hat mir mein Vater Tipps gegeben und mir eingebläut, wie ich mich zu verhalten habe. Jedes Mal habe ich mich verstellt und versucht, den Anforderungen gerecht zu werden, doch diesmal soll ich das nicht tun. Diesmal soll ich mich ganz normal verhalten und eine schöne Zeit mit Zoe verbringen, ohne mich zu verbiegen. Doch kann ich das überhaupt? Wird sie mich noch mögen, wenn ich mich nicht mehr hinter anderen Menschen verstecken kann? Wird sie sich für den ruhigen Menschen interessieren, der vermutlich zu schüchtern sein wird, um einen ordentlichen Satz herauszubekommen?

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