Kapitel 8

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Am nächsten Tag plagte mich Muskelkater. Heftiger Muskelkater. Das kam davon, wenn man einen unerbittlichen Lehrer mit Superhelden-Zügen hatte. Wahrscheinlich konnte er sich überhaupt nicht vorstellen, dass man von Sport Schmerzen bekommen könnte. Er selbst schien jedenfalls nie Schmerzen zu leiden.

Leider half auch der nachmittägliche Zumbakurs nicht gegen das Stechen in meinen Oberschenkeln, dabei hatte ich bislang gedacht, Muskelkater würde von weiterem Training besser werden. Stöhnend schleppte ich mich aus dem Fitness-Studio, in dem der Zumbakurs stattgefunden hatte.

„Was ist denn los mit dir?", fragte Tabitha besorgt. „Du hast eben schon geächzt, als wenn du über Nacht zur Hundertjährigen mutiert wärst."

„Einige Mitglieder aus dem Lesezirkel hatten die wahnwitzige Idee, wir müssten die viele Zeit, die wir sitzend beim Lesen unserer Bücher verbrächten, durch Bewegung kompensieren. Jetzt gehen wir freitags nach dem Leszirkel immer noch eine Runde joggen!" Ich löste meine Fahrradkette, wobei meine Finger wegen dieser Lüge nur ein bisschen zitterten. „Ich glaube, die wollen mich umbringen."

„Du machst ohne mich Sport?" Meine beste Freundin klang verletzt.

Prompt erwachte das schlechte Gewissen in mir. Es gab viele Dinge, die ich an der Liga hasste. Meine Prügeleien mit Geistern. Die Abneigung, die man mir wegen meines Vorgängers entgegenbrachte. Die Querelen, die ich wegen meiner häufigen Abwesenheit von zuhause mit meiner Mutter hatte.

Am meisten hasste ich es jedoch, meine Familie und Freunde anlügen zu müssen. Normalerweise hätte ich Tabitha angeboten, zum Lesezirkel oder zum Joggen mitzukommen. Aber es war nun mal kein Lesezirkel und es war auch kein Joggen. Es waren Geistersitzungen in der Liga der Magiebegabten Rostocks und Selbstverteidigungsunterricht. Der Geheimhaltungskodex verbot es, darüber zu sprechen.

„Ich hoffe, wir schaffen die Joggingrunden ganz schnell wieder ab. Dann muss ich auch keinen Sport mehr ohne dich machen." Ich lächelte Tabitha an. „Ohne dich macht das nur halb so viel Spaß."

„Hm." Von mir abgewandt löste sie ihren Pferdeschwanz, um den Fahrradhelm über ihre langen, blonden Haare stülpen zu können.

Ich biss mir auf die Lippe. „Gibt es eigentlich Neuigkeiten in Bezug auf Phillip?" Schuldbewusst darüber, das Thema auf diese wenig subtile Weise zu wechseln, setzte ich meinen eigenen Fahrradhelm auf.

Tabitha vergaß, länger gekränkt zu sein. „Ich weiß, ich hatte mir fest vorgenommen, ihn in dieser Woche um ein Date zu bitten, aber... Argh!" Sie schüttelte ihr Fahrrad. „Ich finde einfach nicht den Mut dazu. Donnerstag wäre die perfekte Gelegenheit gewesen und was mach ich? Renn einfach weg."

„Die Gelegenheit wäre wirklich günstig gewesen", stimmte ich zu. „Der Flur war menschenleer."

„Ich weiß! Grr! April, was soll ich denn jetzt machen?"

„Du könntest ihm einen Brief schreiben. Dann müsstest du ihm nicht in die Augen sehen, während du ihn fragst. Oder ich kette dich mit Handschellen vor Phillips Klassenzimmer fest, sodass du beim nächsten Mal, wenn du ihn siehst, nicht wie ein verängstigtes Kaninchen wegrennen kannst."

„Du bist mir keine Hilfe."

Grinsend trat ich in die Pedale. Tabitha löste ihren Würgegriff am Fahrradlenker und folgte mir vom Grundstück des Fitnesscenters.

„Das ist nun mal eine vertrackte Angelegenheit", entschuldigte ich meinen mangelnden Einfallsreichtum. „Langsam weiß ich zu deinem Dilemma nichts Neues mehr beizutragen."

„Tut mir leid, dass ich dir mit meiner Hin- und Hergerissenheit das Leben schwer mache." Tabitha streckte einen Arm aus, bevor wir um eine Kurve fuhren, ganz wie es sich gehörte. „Okay! Ich werde es tun. Ich werde ihn fragen. Gleich nächste Woche. Ohuargh!"

Spuk am BaumhausWo Geschichten leben. Entdecke jetzt