Kapitel 10

3 2 2
                                    

„Kannst du aufstehen, April?" Michael ergriff seine Arzttasche und erhob sich aus der Hocke. „Ich würde in meinem Krankenzimmer gerne einige weitere Untersuchungen machen."

„Okay." Umständlich stemmte ich mich auf die Füße. Mattheus ergriff meinen unverletzten Arm, um mir zu helfen. Thomas wachte mit scharfem Blick darüber, dass ich nicht umfiel. Mein Stolz riet mir, die beiden fortzuscheuchen, aber das heftige Zittern meiner Beine ließ mich diese Neigung noch einmal überdenken. Ich musste gleich eine teuflische Treppe hinaufsteigen. Ich sollte jede Hilfe nehmen, die ich bekommen konnte.

Elaine stürmte voraus, um mir die Türen aufzuhalten. Mattheus geleitete mich an meiner rechten Seite. Thomas schwebte so dicht hinter mir, dass ich seinen kalten Atem im Nacken fühlen konnte. Direkt dahinter folgte Michael. Niemand würde ich mich in der Mitte all dieser Leute angreifen können, egal aus welcher Richtung er käme.

„Ich verstehe nicht, wie das passieren konnte", murmelte ich. „Ich habe niemanden gesehen. Das Treppenhaus war leer, als ich es betrat."

Mattheus führte mich in die Eingangshalle. Das Gespräch der kleinen Gruppe an der Eingangstür erstarb, als ich hereinhumpelte. Es waren drei Leute, die mich erschrocken ansahen, was genau drei Leute zu viel waren, denen ich in meinem momentanen Zustand begegnen wollte.

Iris war eine von ihnen. Sie presste ihre Lippen bei meinem Anblick so fest zusammen, dass sie nur noch einen dünnen Strich bildeten. Es war schon beinahe Glück, dass es mir zu schlecht ging, um mir Sorgen darüber zu machen, was sie nun wieder für Anschuldigungen über mich finden würde.

„Erstmal verarzten wir dich jetzt, April", unterband Michael mein Gedankenkarussell. „Über den Rest können wir später nachdenken. Du bekommst gleich ein paar Schmerzmittel von mir, dann wird es dir besser gehen."

„Das wäre schön. Meine Schulter tut zwar nicht mehr ganz so sehr weh wie zu Beginn, aber sie schmerzt immer noch. Ganz zu schweigen vom Rest meines Körpers." Erschöpft visierte ich die Tür zum nächsten Treppenhaus an. In mir erwachten plötzlich Zweifel, ob ich über genügend Kraft für eine weitere Treppe verfügte.

Mattheus umfasste meinen rechten Arm fester und lotste mich mit sanftem Nachdruck auf die Tür zu. Ich wusste nicht, wie viel er aufgrund seiner Magie von meinen Schmerzen auffing, aber ich hoffte, es war nur ein ganz, ganz kleiner Teil davon. Es reichte, wenn einer von uns litt.

Im Krankenzimmer untersuchte Michael mich gründlich. Thomas hielt aufmunternd meine von seiner Kälte absterbende Hand. Mattheus und Elaine waren von Michael fortgeschickt worden.

„Du scheinst wirklich einigermaßen glimpflich davon gekommen zu sein", beurteilte er schließlich. Er schob seine Hüfte neben mich auf die Krankliege. „Wir kommen aber nicht umhin, eine Röntgenaufnahme von deiner Schulter zu machen. Wir müssen sichergehen, dass du dir bei der Luxation nicht die Gelenklippe verletzt hast. Außerdem wirst du deine Schulter die nächsten Tage über ruhig stellen müssen. Der Kapsel-Bandapparat muss unbedingt in Ruhe heilen."

Müde schloss ich meine Augen. „Ich weiß nicht, wie ich das meiner Mutter erklären soll. Sie wird außer sich sein. Wenn sie wüsste, was mir hier in der Liga schon alles zugestoßen ist, würde sie mir verbieten, erneut herzukommen."

„Du hast wirklich eine Pechsträhne in letzter Zeit." Mitfühlend fuhr er über seine Halbglatze. „Eigentlich hatte ich gedacht, dir schon bei deiner Kehlkopfquetschung deutlich genug gemacht zu haben, dich nicht so schnell wiedersehen zu wollen."

„Die Anweisung hätte ich zu gerne befolgt", murmelte ich erschöpft. „Aber irgendwie sieht mein Leben anderes vor. Ist Tante Nina zufällig im Hexarium?"

Spuk am BaumhausWo Geschichten leben. Entdecke jetzt