Kapitel 27

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Jonathan wohnte nicht allzu weit von mir entfernt, etwa eine Viertelstunde mit dem Auto. Neugierig stieg ich auf der von leuchtenden Solarlampen umsäumten Auffahrt aus. Sein Elternhaus war ein ziemlich großes, hübsches Gebäude mit rotem Klinker. Die Eingangstür lag hinter einem vorgezogenen Rundbogen, an dem eine kleine Außenlaterne baumelte. Meine Mutter hätte den auf diese Weise entstandenen Vorraum hundertprozentig mit Pflanzen gefüllt, aber Jonathan schien daran kein Interesse zu haben. In der Nische herrschte gähnende Leere.

Ich hob meinen Rucksack aus dem Auto. Es war ein bisschen seltsam, zu wissen, dass ihm dieses große Haus gehörte. Niemand in meinem Alter besaß sonst bereits eine Immobilie.

„Hier entlang." Er führte mich durch die Lichtkreise der Solarlampen zur Eingangstür. Kaum hatte er aufgeschlossen und Licht angeschaltet, erklang ein aufgeregtes Jaulen. Krallen klickten auf Parkett.

Jonathan trat einen Schritt ins Haus, aber ich blieb stehen, wo ich war. Argwöhnisch drückte ich meinen Rucksack gegen die Brust.

Ein Golden Retriever jagte im Inneren des Hauses heran und warf sich gegen Jonathans Beine. Sein Schwanz schlug hörbar gegen den Türrahmen, was ihn in seiner Begeisterung jedoch nicht zu stören schien. Jaulend stieß er seinen Kopf gegen Jonathans Knie.

„Schon gut, Emma." Er fuhr dem Hund über den Kopf. „Ich weiß, dass ich für dein Empfinden viel zu lange weg gewesen bin."

Ich wusste nicht, was mich mehr schockierte. Der Hund oder das Lächeln in Jonathans Stimme.

„Benimm dich, Emma. Wir haben Besuch." Mit einiger Mühe schaffte er es, die Hündin rückwärts in das Haus zu schieben, sodass ich ebenfalls eintreten konnte.

Kaum stand ich im Hausflur spürte ich eine kalte Hundeschnauze an meiner Hand. Ich erstarrte. Reglos ließ ich zu, dass mich die nahezu weiße Hündin beschnupperte.

Jonathan musterte mich aufmerksam, während er seine Jacke forthängte. „Hast du etwas gegen Hunde?"

„Keine Ahnung", wisperte ich, ohne mich zu bewegen. „Ich habe keinerlei Erfahrung mit ihnen."

„Wenn sie dich stört, bringe ich sie in den Garten. Sag einfach Bescheid." Er zog die Hündin von mir fort. „Genug geschnüffelt. Lass April in Ruhe." Seltsamerweise fielen aus seinen Händen überhaupt keine Magiefunken mehr. Es war richtig ungewohnt, ihn ohne welche zu sehen. „Komm, ich zeig dir, wo du dich hinsetzen kannst."

„Okay." Immer noch erstaunt von seiner Hundebesitzereigenschaft hängte ich meine Jacke neben seine an die Garderobe und folgte ihm geradeaus durch den Flur. Unter meinen Füßen knarzten die Holzdielen. Ich mochte das Geräusch.

Jonathan trat durch die Tür am Ende des Flurs. „Dies ist das Wohnzimmer." Seine ausladende Handbewegung umfasste die eindrucksvolle Sofalandschaft links von uns, den Fernsehschrank daneben, den großen Esstisch uns gegenüber sowie die Bücherregale an der rechten Wand.

„Wow." Ich trat in die Gebäudeauswölbung, die den Esstisch beherbergte. „Bei Tageslicht meint man wahrscheinlich, man würde im Garten speisen." Der Vorbau war von allen drei Seiten mit riesigen Fenstern ausgestattet, durch die das Wohnzimmerlicht in die Nacht hinausfiel. Schwach konnte ich eine gepflasterte Terrasse und ein kleines Waldstück erkennen. Ich beugte mich vor, um zu erkennen, wie groß das Waldstück war, aber die Dunkelheit machte es mir unmöglich.

„Das ist eine Auslucht."

Ich sah über meine Schulter zurück. „Wie bitte?"

„Diese Art von Vorbau nennt sich Auslucht." Jonathan lehnte sich gegen die Wand.

„Das Wort habe ich ja noch nie gehört. Bist du sicher, dass es so heißt?"

„Ganz sicher. Auslucht oder Standerker." Er lächelte. Ob wegen meiner Skepsis oder wegen Emma, die sich nach wie vor an seine Beine drückte, blieb mir unklar. Ich hatte ihn in diesem Haus schon öfter lächeln sehen, als jemals in der Liga. Das gab mir zu denken.

Spuk am BaumhausWo Geschichten leben. Entdecke jetzt