Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war ich wie gerädert. Mit halb geschlossenen Augen taumelte ich ins Bad, aber eine heiße Dusche und der Gedanken an mein heutiges Vorhaben machten mich einigermaßen munter.
Ich polterte die Treppe in die Küche hinab. Meine Mutter und Nick, die beiden Frühaufsteher unserer Familie, saßen bereits am Küchentisch. Mama raschelte mit ihrer Zeitung, Nick blätterte in irgendeinem Ritterbuch.
Fragt mich nicht, wie man an einem Schultag so früh aufstehen konnte, dass man noch Zeit totschlagen musste. Auf die Idee wäre ich nie gekommen.
„Guten Morgen", murmelte ich in die Runde, während ich mir eine Müslischale aus dem Schrank angelte.
„Guten Morgen, Große. Gut geschlafen?"
„Geht so." Ich nahm einen Milchkarton aus dem Kühlschrank. „Ich hatte mein Fenster gestern Abend aufgelassen und musste dann um kurz vor zwei Uhr aufstehen, weil es erstens verteufelt kalt geworden war und zweitens wie Hölle nach Benzin stank." Ich füllte meine Schale mit Milch und Müsli, bevor ich mich an den Tisch setzte. „Irgendein Dummkopf meinte offenbar zu nachtschlafender Zeit mit seiner Benzinschleuder unterwegs sein zu müssen."
„Im Dezember lässt man sein Fenster nicht über Nacht offen stehen", tadelte meine Mutter streng. „Willst du dich erkälten?"
Ich verdrehte meine Augen. „Es ist halb sieben Uhr morgens. Kannst du mir nicht wenigstens zu diesem Zeitpunkt Verständnis entgegenbringen anstatt Vorwürfe? Ein einfaches ‚Ach, du Arme. Wie dumm, dass du eine Stunde wach lagst, weil dein Zimmer nach Benzin stank' hätte völlig ausgereicht." Ich schob mir einen Löffel Müsli in den Mund.
Stirnrunzelnd schaute Mama mich über den Rand ihrer Zeitung hinweg an. „Als deine Mutter bin ich dazu da, dir deine Fehler aufzuzeigen, nicht dich zu verhätscheln. Das nennt man Erziehung." Sie brach ab, als Bianca in die Küche geschlürft kam. Wortlos ließ sich meine Schwester auf den Stuhl neben mir fallen. Mama fuhr fort: „Im Übrigen halte ich meinen Erziehungsansatz für sehr erfolgreich. Ich mache mir zwar in letzter Zeit einige Sorgen um dich, aber du bist gleichzeitig sehr reif und erwachsen geworden. Wohin auch immer dein Weg dich verschlagen wird, ich habe keinerlei Zweifel, dass du allen Widrigkeiten die Stirn bieten können wirst." Sie lächelte zufrieden.
Zweifelnd schaufelte ich mir Müsli in den Mund. „Schön, dass du stolz auf mich bist."
„Bist du auch stolz auf mich, Mama?", erkundigte sich Nick interessiert. „Werde ich allen Widrigkeiten auf meinem Zukunftsweg die Stirn bieten können?" Er winkelte einen Arm an, um seinen mickrigen Bizeps vorzuzeigen, als wenn körperliche Stärke etwas damit zu tun hätte.
„Das werden wir sehen, wenn du so alt bist wie April, in Ordnung?" Sie fuhr ihm über die wirren Haare. „Dein Charakter braucht noch etwas Zeit, um sich zu entwickeln."
„Definitiv", murmelte ich.
Mama warf mir einen scharfen Blick zu. „Was aber bereits jetzt feststeht, Nicki: du wirst niemals jemanden auf deiner Nase herumtanzen lassen. Das Zepter deines Lebens wirst du immer schön fest selbst in der Hand halten. Ich brauche nicht zu befürchten, du könntest ein verweichlichter Mann werden."
„Oh nein", sagte Nick selbstbewusst, „das brauchst du nicht."
Da Bianca keine Anstalten machte, ihr Brot zu schmieren, sondern nur stumpf vor sich hinstarrte, zog Mama ihren Teller ungeduldig zu sich heran. Sie schraubte das bereitstehende Nutellaglas auf und bestrich eine Brotscheibe.
„Deine zukünftige Freundin tut mir jetzt schon leid", teilte ich meinem Bruder mit. „Sie wird es nicht einfach haben mit deinem Größenwahnsinn."
Nick schaute mich empört an. „Ihh, April! Solche Anspielungen sind widerwärtig. Mädchen sind blöd."
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Spuk am Baumhaus
Teen FictionFortsetzung von Spuk im Keller. Über den Umgang mit Geistern: 1.: (Sei auf der Hut.) Das hilft gar nichts. 2.: (Lege, wenn möglich, Schutzweste und Helm an.) Sich an einem sicheren Ort anzuketten, ist noch besser. 3.: (Sei auf der Hut.) Siehe oben. ...